Mord vor Gericht
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Der ausländerfeindliche Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini in einem deutschen Gericht hat sich zu einem Politikum ausgewachsen. Doch auch wenn die Tat zum Nachdenken anregen sollte, so bleibt sie doch ein extremer Einzelfall, von dem nicht auf die Haltung der Deutschen gegenüber dem Islam geschlossen werden kann. Freitag, den 10.
Juli 2009
Eine junge Frau aus Ägypten wird in einem Dresdner Gerichtssaal von einem Mann erstochen, der sich wegen Beleidigung vor Gericht verantworten muss – er hatte die Frau zuvor auf einem Spielplatz als „Islamistin“, „Terroristin“ und „Schlampe“ beschimpft. Ihr Mann, der einzuschreiten versucht, wird schwer verletzt, ihr kleines Kind muss zusehen, wie ihre von achtzehn Messerstichen verwundete Mutter noch am Ort der Tat stirbt. Als die Leiche der Getöteten in ihrer Heimat eintrifft, hat sich eine große Menge am Flughafen versammelt, bei ihrem Begräbnis wenige Tage später sind es noch mehr Menschen, die ihr das letzte Geleit geben.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier drücken der Familie und dem ägyptischen Staatschef Hosni Mubarak ihr Beileid aus, doch die ägyptische Öffentlichkeit ist nicht zu beruhigen. Innerhalb weniger Tage hat sich der furchtbare Vorfall zu einem Politikum ersten Ranges verwandelt. In der ägyptischen Presse wird über den Hass der Deutschen auf Ausländern im allgemeinen und Muslime im besonderen diskutiert und scharf kritisiert, dass der grausame Mord in Deutschland so wenig Reaktionen hervorruft.
Tatsächlich kann man sich fragen, was geschehen wäre, wenn eine Deutsche in einem ägyptischen Gericht ermordet worden wäre oder ein Muslim aus religiösen oder politischen Motiven einen Deutschen umgebracht hätte. Tatsächlich überrascht, wie gering das Echo in den deutschen Medien war. Nicht nur die Tatsache, dass eine Zeugin ungehindert vor Gericht ermordet werden kann, sollte Anlass für Diskussionen geben. Auch der eindeutig ausländer- und islamfeindliche Hintergrund sollte zum Nachdenken anregen.
Zu einfach machen darf man es sich nicht
Die Tatsache, dass der 28-jährige Täter ein Russlanddeutscher war, der erst seit sechs Jahren in Deutschland lebte, wie dies in vielen Medien betont wird, macht die Tat nicht zu einer russischen Angelegenheit. Sie entlastet die Deutschen nicht von der Frage, ob ein solcher Mord nicht auch das (zumindest indirekte) Ergebnis der unter vielen Deutschen verbreiteten Ausländerfeindlichkeit ist, die seit dem 11. September – der dem Hass eine pseudorationale Begründung gibt – sich zunehmend gegen Muslime richtet.
Doch so furchtbar die Tat ist, so kann davon ebenso wenig auf die Haltung der Deutschen gegenüber Muslimen und dem Islam geschlossen werden kann, wie von dem islamistischen Mord am niederländischen Filmemacher Theo van Gogh auf die Haltung der Muslime im Ganzen geschlossen werden konnte. Auch die Tatsache, dass ein zu Hilfe geeilter Polizist nicht den Täter sondern den Ehemann anschoss, weil er ihn für den Angreifer hielt, sollte nicht überbewertet werden. Letztlich bleibt der Dresdner Mord ein extremer Einzelfall.