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Modiwer?! Patrick Modiano gewinnt den Literaturnobelpreis

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Lea Sauer

Kultur

Patrick Modiano bekam gestern den Literaturnobelpreis überreicht. Damit hätten die wenigsten gerechnet, denn außerhalb Frankreichs ist der französische Autor größtenteils unbekannt. 

Den wenigsten ist Patrick Modiano außerhalb Frankreichs ein Begriff. Selbst unter Literaturwissenschaftlern war er bislang weitesgehend unbekannt. Dies durfte ich kürzlich erst am eigenen Leib feststellen. Beim Aufnahmegespräch für einen literarischen Studiengang nannte ich ihn als Referenz. Und das Gespräch lief ungefähr so:

"Welches literarische Werk hat sie in der letzten Zeit wirklich beeindruckt?" "Alles von Modiano." "Modiwienochmal?" "Patrick Modiano." "Noch nie gehört." Ich schämte mich in Grund und Boden für meinen womöglich unseriösen Vorschlag. War ich vielleicht nicht literarisch genug? Modiano zu trivial, um ihn als ernsthafte Referenz zu nennen? Nein, er war schlichtweg zu unbekannt, vielleicht auch zu unprätentiös. Naja, hinterher ist man immer schlauer.

Aber es stimmte. Ich nannte Modiano damals nicht, weil ich mir dadurch bessere Aussichten auf den Studienplatz ausrechnete, sondern, weil es eben so ist. Ich finde ihn wirklich großartig. Kennt ihr das? Manchmal gibt es Bücher, die verändern alles. Nach dem Lesen sieht, denkt und schreibt man nicht mehr wie vorher. Menschen, denen Lesen, Denken und Schreiben sehr wichtig ist, so wie mir, nimmt's dann beim Lesen den Atem weg. Zack. Jedes.Wort.ein.Treffer. Sprachlos. Beinahe alle Bücher von Modiano sind solche Bücher.

Aber sie sind eben leise. Ihr Trumpf ist kein Pomp und nicht die großen Dramen, seine Wortgewalt ist nicht gewaltig, sondern liegt in der Reduziertheit. Sie sind fein und bescheiden und ehrlich. So wie der Autor Modiano selbst. Er ist bescheiden, kein Egozentriker, er scheut im Allgemeinen eher öffentliche Auftritte. Die Akademie konnte ihn zunächst angeblich nicht erreichen

Die Begründung der Nobelpreis-Akademie ist richtig, aber für mich zu historisch. Es heißt auf der offiziellen Seite, er erhielte den Nobelpreis für die Kunst der Erinnerung, mit der er die unbegreiflichsten menschlichen Schicksale wachgerufen und die Lebenswelt der Besatzungszeit durchschaubar macht". Für mich ist das zu historisch. Modianos letzte Werke sind gar nicht mehr so verbunden mit der Besatzungszeit. Es geht eher darum, wie Menschen sich in der Moderne verlieren und Identität schaffen. Ich sehe mehr Attribute der Generation Y in den Büchern, als ich es von jungen Autoren gewohnt bin. Wer bin ich? Wie kann man in so unsicheren Zeiten überhaupt noch jemand sein? Durch die Verbindung zu einem Ort? Oder dadurch, dass ich mich erinnere? In seinem 2013 erschienenen Roman Der Horizont heißt es über den Protagonisten: "Er hatte angefangen, eine Liste anzulegen, und trotz allem versucht, Bezugspunkte wiederzufinden: ein Datum, einen genauen Ort, einen Namen, dessen Schreibweise er nicht mehr wusste." Und ist es nicht genau das, was wir jeden Tag machen, Fixpunkte suchen, in einer Realität, die für uns alles und nichts bereit hält?

Und genau deshalb ist Modiano so aktuell. Genau deshalb hat er den Preis verdient. 

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