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„Mit mir nicht“: Ist Martin Schulz wirklich ein Held?

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Politik

[Kommentar] Klare Worte und Gesten im EU-Parlament: Martin Schulz hat einen  Abgeordneten der griechischen Neonazi-Partei Goldene Morgenröte wegen rassistischer Hetze gegen Türken aus der Sitzung geschmissen. Es klatscht Beifall. In der Presse und in Internetforen wird Schulz gefeiert. Doch wie heldenhaft war seine Tat? 

„Ich greife jetzt zu einer ungewöhnlichen Maßnahme, die ich allerdings für unvermeidlich für die Würde unseres Hauses halte. Hier hat es heute morgen in unserem Hause einen Zwischenfall gegeben, von dem ich glaube, dass das Europäische Parlament nicht nicht reagieren kann, sondern zwingend reagieren muss." Mit diesen Worten hat Martin Schulz den Rauswurf des rechtsradikalen Abgeordneten Eleftherios Synadinos eingeleitet. Grund war eine rassistische Äußerung des Politikers der Partei Goldene Morgenröte, der während einer mehrstündigen Debatte über den EU-Türkei-Gipfel die Türken unter Berufung auf "osmanische Wissenschaftler" als "geistige Barbaren, Gottesverachter und Schwindler" bezeichnete. Diese Aussage unter dem Dach des Europäischen Parlaments, zu dessen Grundpfeiler Werte wie Frieden, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit gehören, sorgte für einen Eklat. Martin Schulz begründete sein Vorgehen, indem er sagte, dass er den Rassismus nicht salonfähig machen möchte. Und Recht hat er. 

Martin Schulz, der neue EU-Superheld

Stunden nach dem Rauswurf hat sich das Video über den Sitzungsausschluss im Internet viral verbreitet. Die Facebook-Pinnwand von Martin Schulz ist übersät von Kommentaren. "Well done" kann man dort oft lesen. Von einer "Sternstunde der Toleranz" ist die Rede. Politiker wie Martin Schulz sollte es mehr geben, finden die User. Lob hagelt es auch auf Online-Nachrichtendiensten wie bento und Vice, die vorwiegend ein jüngeres Publikum ansprechen. In ihren Überschriften machen sie aus Martin Schulz einen Helden. Doch wie viel Pathos und Überschwang hat Martin Schulz eigentlich verdient? 

Ein Blick in den Duden lohnt sich: Als 'Held' wird dort jemand definiert, „der sich mit Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe stellt und eine ungewöhnliche Tat vollbringt, die ihm Bewunderung einträgt. Ungewöhnlich war der Rausschmiss in der Geschichte des EU-Parlaments sicherlich, unter einer schweren Aufgabe stelle ich mir jedoch etwas Anderes vor. Martin Schulz hat als Präsident des Europäischen Parlaments nur seine Pflicht getan. Wer sich rassistisch äußert, ist nun mal ein Rassist und hat im Parlament nichts zu suchen.  

Doch in einer Zeit, in der Flüchtlingsheime brennen, Schlepper mit dem Tod von Menschen Geld verdienen, Rechtspopulisten in Parlamente einziehen und Donald Trump die ersten Vorwahlen gewinnt, verwandeln sich Aktionen, wie die von Martin Schulz oder die Rede von Dunja Hayali bei der Verleihung der "Goldenen Kamera" zu kleinen Grashalmen der Hoffnung, an denen sich der tolerante und offene Bürger wieder hochzieht und versucht den Glauben an das Gute in der Welt zurück zu gewinnen.