Mikrokredite: auch in Europa utopisch?
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Alexandra SchadeIn Europa vermehren sich seit einigen Jahren Akteure und Initiativen, die versuchen, Menschen mit Hilfe von Mikrokrediten wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Analyse.
Wer 'mikro' hört, denkt an 'klein'. Das dachte sich auch Muhammed Yunus, Wirtschaftsprofessor aus Bangladesch, anlässlich der Hungersnot von 1974 und 1975. Dieser Hochschullehrer hat in der Tat schnell festgestellt, dass die Bauern mit ihren Problemen hätten fertig werden können, wenn sie über ein Minimum von einem Dollar verfügt hätten. Aber keine Bank wollte diese „Mikrosumme“ mangels finanzieller Garantien seitens der Kunden verleihen. Yunus hat sich also als Bürge zur Verfügung gestellt. Er ist zum „Banker der Armen“ geworden.
Eine Gelegenheit gegen das Elend
Die Schulden wurden vom ersten Jahr an zurück gezahlt und das Prinzip wurde auf mehrere Bezirke in Bangladesch ausgedehnt. 1983 wird die Grameen Bank gegründet, eine Bank, die diesem Solidaritätsprinzip eine Gestalt gibt. 25 Jahre spätes gibt es diese Bank in mehr als der Hälfte der Dörfer Bangladeschs und 5 Prozent ihrer Kunden würden jedes Jahr vor der Armut bewahrt. 94 Prozent der 2,1 Millionen Kreditnehmer sind Frauen. Frauen stellen sich als energischer heraus als Männer, wenn man ihnen die Gelegenheit gibt, oder vielmehr „leiht“, sich aus ihrem Elend zu befreien.
In 58 Ländern gibt es heute solche Programme für Mikrokredite, angepasst an die jeweiligen lokalen Gegebenheiten. Auch wenn Menschen aus Entwicklungsländern die erste Zielgruppe dieser Mikrokreditorganismen sind, profitieren auch Marktwirtschaften von ihrem Anteil an kleinen Unternehmen, die dank Mikrokrediten gegründet wurden.
Wenn Mikrokreditle in Norwegen überraschen, welchen Platz nimmt die Mikrofinanz dann in der EU ein?
Wer würde auf den ersten Blick vermuten, dass in den Regionen des Polarkreises in Norwegen, einem wirtschaftlich florierenden Königreich, Mikrokredite genutzt werden, um die Abwanderung von den Lofoten aufzuhalten? Wie sieht die Lage auf dem Rest des „Alten Kontinents“ aus? Wenn Mikrokreditle in Norwegen überraschen, welchen Platz nimmt die Mikrofinanz dann in der EU ein?
Zu viele regionale Unterschiede in Polen
Seit den 1980er Jahren ist die Mikrofinanz als Mittel zur wirtschaftlichen Entwicklung weltweit akzeptiert. Seit kürzerer Zeit auch in Europa. Die Bedeutung der nicht-finanziellen Dienstleistungen ist eine der Eigenschaften des Mikrofinanzsektors in Europa. Das Gleiche gilt für das Profil der betroffenen Bevölkerung - Arbeitslose, Menschen im Prozess der sozialen Wiedereingliederung, vom klassischen Bankensystem Ausgeschlossene. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen Ost und West.
Die Dynamik des Mikrokredits spürt man in Mittel- und Osteuropa seit dem Fall des Kommunismus. Der allgemeine Wunsch nach wirtschaftlicher Veränderung stellte ein regelrechtes Sprungbrett für die Mikrofinanz dar. Menschen, die wirtschaftlich neu durchstarten wollten, fanden, trotz eines schlecht an die neuen Bedürfnisse angepassten Bankensektors, Unterstützung. Seit den 1990er Jahren konnten die Mikrofinanzinstitutionen in Mittel- und Osteuropa mit einem durchschnittlichen Wachstum von 30 Prozent jährlich rechnen. Heute unterstreicht man einen gewissen Erfolg der Mikrofinanz in diesen Regionen, weil neben den Institutionen der Mikrofinanz und den Nichtregierungsorganisationen, auch kommerzielle Banken immer mehr Interesse daran finden, Mikrokredite an Bedürftige zu vergeben.
Allerdings ist diese Tendenz keineswegs homogen innerhalb eines Gebiets. Das Beispiel Polen verdeutlicht die Probleme der Mikrofinanz im Osten. Das Fehlen einer einheitlichen Politik der Mikrofinanz verstärkt die regionalen Unterschiede.
Vorsichtiges Wachstum in Westeuropa
In Westeuropa wächst die Mikrofinanz erst seit kurzem und nur vorsichtig. Sie dient vor allem dem Ziel der sozialen Kohäsion. Die westeuropäische Wirtschaft beruht hauptsächlich auf einem System von kleinen und mittleren Unternehmen (99 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen sind so genannte Mikrounternehmen, mit 1 bis 9 Angestellten). Deshalb ist es so wichtig, lokale Initiativen zu unterstützen. Zahlreiche Unternehmer haben keinen Zugang zu den „klassischen“ Finanzierungswegen, auch wenn aus dem Mikrokreditsystem hervorgegangene Firmen soziale Bindungen auf der lokalen Ebene schaffen. Zumal die meisten dieser Kleinstfirmen im Dienstleistungssektor oder anderen Nischen angesiedelt sind, welche die großen Finanzgruppen nicht mehr interessieren. Laut Philippe Guichandut, dem Direktor des Europäischen Netzwerks für Mikrofinanz (REM), überwiegt bei diesem Prozess der Ausweitung von Bankprozessen für Minderbemittelte bislang eher der soziale und nicht der wirtschaftliche Faktor.
Auch wenn die westeuropäischen Mikrokreditinstitute zumeist im assoziativen Milieu angesiedelt sind, werden die juristischen Rahmenbedingungen geschmeidiger, sodass es leichter wird Partnerschaften mit großen Banken- und Versicherungsgruppen einzugehen. Im Vereinigten Königreich gibt es beispielsweise Programme, welche Vermittlern Hilfe anbieten, die sich wiederum um 'Ausgeschlossene' kümmern. Das so genannte Small Firms Loan Guarantee Scheme, ein Projekt, das die Kreditvergabe an kleine Unternehmen garantiert, sichert den Banken Vorteile, indem es Kapital an Kunden verleiht, welche ohne dieses Garantiesystem keine Kredite bekommen würden, weil man sie nicht als geeignet oder vertrauenswürdig einstufen würde.
Die Europäische Kommission greift ein
Aus dem Mikrokredit ist im Laufe der Jahre ein wichtiges Mittel geworden, um Menschen die Rückkehr aus dem sozialen Abseits leichter zu machen.
Aus dem Mikrokredit ist im Laufe der Jahre ein wichtiges Mittel geworden, um Menschen die Rückkehr aus dem sozialen Abseits leichter zu machen. In Frankreich hat die ADIE (Association pour le droit à l’initiative économique, Verein für das Recht wirtschaftlicher Initiativen) seit 1989 zur Gründung von 50.000 Unternehmen und zur Schaffung von 58.000 Arbeitsplätzen beigetragen. Dafür wurden genauso viele Kredite bewilligt. In der Zukunft sollte dieses System seinen Beitrag zur Gründung von Finanzdienstleistungen, welche für alle zugänglich sind, leisten.
Die Europäische Union selbst hat sich dieses System mit der Verabschiedung der Europäischen Initiative zur Entwicklung des Mikrokredits durch die Europäische Kommission im Jahr 2007 zu eigen gemacht, aber auch durch die Schaffung eines europäischen Netzwerks für Mikrofinanz. Für den Finanzzeitraum 2007-2013 haben die Europäische Kommission und der Europäische Investitionsfonds (EIF) eine Initiative namens JEREMIE (Joint European Resources for Micro to Medium Enterprises Initiative) gestartet. Diese soll ermöglichen, einen Teil der von den europäischen Institutionen bewilligten Regionalfonds in Aktienanleihen umzuwandeln. So viele Mittel sollten es erlauben, den von Mohammed Yunus ausgesprochenen Wunsch zu erfüllen: „Die Armut zu beseitigen, überall und ohne lange zu zögern, indem man den Mittellosen die Möglichkeit gibt selbst über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden.“
Translated from Le microcrédit : une utopie en Europe aussi ?