Mexiko: Austauschstudenten in Angst
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JelenaDer brutale Tod des französischen Studenten Esteban Jimenez Arcos, der am 6. April 2013 in Mexiko ermordet wurde, wirft die Frage nach der Sicherheit von ausländischen Studierenden in dem aufstrebenden Land Mittelamerikas auf. Rückblick auf einen Fall, der das ganze universitäre Austauschprogramm Mexikos in Aufruhr gebracht hat.
Der 26-jährige Esteban, der an der französischen Universität Cergy Pontoise bei Paris eingeschrieben war, besuchte in der Nacht vom 5. auf den 6. April 2013 gemeinsam mit Freunden eine Bar in Gomez Palacio, etwa 980 km von Mexico City entfernt. Gegen 4 Uhr morgens ging er auf die Toilette; zwei Personen folgten ihm und versuchten, ihn zu berauben. Einige Minuten später wurde Esteban mit einer Kugel im Kopf tot aufgefunden. Laut der Staatsanwaltschaft von Durango wurde er erschossen, als er versuchte, vor seinen Angreifern zu fliehen. Bislang hatten sich die Überfälle in der Gegend auf Mexikaner beschränkt, welche mehr oder weniger tief in Drogengeschäfte verwickelt waren. Nur selten waren Ausländer Ziel der Angriffe, weswegen die zuständigen Behörden von einem versuchten Raub ausgehen.
Mexiko: Traumziel französischer Studierender
Doch auch über den tragischen Tod des französischen Studenten hinaus werfen die Vorfälle viele Fragen auf: Sind internationale Austauschprogramme in einem Land, das durch Kämpfe der Drogenkartelle untereinander und gegen die Regierung stark von Gewalt geprägt ist, noch realisierbar?
Mexiko möchte die negativen Seiten verstecken
Die Bedeutung solcher Austauschprogramme, gerade für ein weltoffenes und zukunftsgerichtetes Land wie Mexiko, darf nicht unterschätzt werden. Denn Bildung ist ein Schlüsselthema, wenn es darum geht, eines der führenden Länder in Mittel- und Südamerika zu werden. Ähnlich wie Katar oder Brasilien, die hohe Summen in Bildung und die Anwerbung von ausländischen Studierenden investiert haben, möchte auch Mexiko zur Ausbildung der zukünftigen Weltelite beitragen und in Zukunft einen der vorderen Plätze in der weltweiten Rangfolge besetzen.
Mit jährlich 1.500 entsendeten Teilnehmenden aus mehr als 420 Partneruniversitäten oder -einrichtungen bilden die Franzosen die größte Gruppe an ausländischen Studierenden im Land. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass Mexiko ihnen so viel Bedeutung beimisst. Einer der Pioniere des studentischen Austausches ist die Universität ITESM (Institut de technologie et d‘études supérieures de Monterrey), im Allgemeinen TEC genannt, in Monterrey [im Nordosten Mexikos, A.d.R.]. Bei 33 Ablegern allein in Mexiko und 18 weiteren in ganz Lateinamerika ist die Sorge des Instituts um seinen Ruf im Ausland leicht zu verstehen. Weniger verständlich ist allerdings die völlige Stille um Estebans Tod.
Anders als in der französischen und mexikanischen Presse berichtet, war Esteban kein Teilnehmer des Austauschprogramms der ITESM. Im letzten Jahr hatte er seinen Bachelorabschluss an der französischen Universität Cergy Pontoise bestanden und war dann für ein Praktikum nach Mexiko gereist. Warum hält sich eine der renommiertesten Universitäten des südamerikanischen Kontinents in diesem Fall nur so zurück? Warum wird eine Information, welche die Universität von jeglicher Verantwortung freisprechen würde, bewusst unter Verschluss gehalten? Die Antwort ist einfach, denn die Reaktion der mexikanischen Politik auf die Gewalt lässt sich mit einem einzigen Wort zusammenfassen: Omertà, die Schweigepflicht bei der Mafia.
Das Krebsgeschwür namens Gewalt
Es passiert immer öfter, dass die Gewalt, welche sich ursprünglich auf den Drogenhandel konzentrierte, eskaliert und dadurch gelegentlich auch Ausländer trifft. Allein in diesem Jahr wurden bereits ein Tourist aus Belgien getötet und sechs spanische Touristinnen in Acapulco vergewaltigt. Und nun ist der Welle der Gewalt in Mexiko auch ein Franzose zum Opfer gefallen. Doch sollte deswegen von Reisen in das Land abgeraten werden? Selbstverständlich nicht.
Mexiko ist ein zweigeteiltes Land. Die gefährlichen Zonen befinden sich im Norden und im Bundesstaat Guerrero, in welchem auch Acapulco liegt. Diese Regionen werden im Übrigen von Frankreichs Auswärtigem Amt als „gefährlich“ eingestuft; von einer Reise dorthin wird „abgeraten“. Im Rest des Landes hingegen herrscht Ruhe; zumindest, soweit dies in einem südamerikanischen Land möglich ist. Die erschreckende Bilanz des Mandates des ehemaligen Präsidenten Felipe Calderon (2006 - 2012) ist jedoch schwer zu beschönigen: 70.000 Tote, mehr als 26.000 als vermisst gemeldete Personen. Gegenwärtig macht der neue Präsident Peña Nieto den Eindruck, als würde er die Probleme angehen wollen, ohne wirklich Hand an den Bienenstock zu legen - aus Angst, gestochen zu werden.
Estebans Tod hat keine Veränderung gebracht. Zwar hat eine Welle von Artikeln über das tragische Ereignis die französische Presse überschwemmt. Alle basieren auf einer Meldung der französischen Presseagentur AFP, die den Studenten als Teilnehmenden am Austauschprogramm der TEC in Torréon bezeichnete. Eine Falschmeldung, die sich wie ein Lauffeuer verbreitete. Erstaunlicherweise hat die TEC weder eine Richtigstellung veröffentlicht, noch Fragen zum Vorfall beantwortet. Haben die Verantwortlichen der Universität den Kopf etwa in den Sand gesteckt, um den Sturm vorüberziehen zu lassen?
Es stellt sich die Frage, ob dieses völlige Heraushalten aus der Angelegenheit die richtige Lösung für Mexikos erste Privatuni war. Unter Geschäftsleuten wie Studierenden ist das Land für Gewalttaten bekannt und kämpft daher um seinen Ruf. Doch statt seine Erfolge hervorzuheben, bemüht sich das Land, die negativen Seiten zu verstecken. Das Ergebnis ist, dass die im westlichen Denken bereits sehr präsenten Stereotype durch Vorfälle wie den gewaltsamen Tod von Esteban weiter verstärkt werden. Und die Macht des Tabus lähmt die mexikanische Kommunikation zu einem Austauschprogramm, das weiterhin ein wichtiges Angebot für viele europäische Studierende darstellt.
Fotos: Teaser (cc)garpB/Flickr; im Text: (cc)worldeconomicforum/Flickr; Video: (cc)Grillonautas2/YouTube
Translated from Échange universitaire : panique au Mexique