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Merkels Flüchtlingspolitik: Einblicke in das Gegnerlager

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Obwohl die Politik der offenen Grenzen in Deutschland eine gewisse Zustimmung gefunden hat, sind in der Flüchtlingsdebatte die kritischen Stimmen nicht zu überhören. Moralische Überheblichkeit, Realitätsverlust und Alleingang sind der Kanzlerin vorgeworfen worden. Warum man Bedenken gegen Merkels Flüchtlingspolitik hat.

Dass Menschen in Not geholfen werden muss, bestreitet keiner in Europa. Angela Merkels Behauptung, dass Asylrecht keine Grenze nach oben kenne,  ist allerdings zunehmend in die Kritik geraten. "Es ist schlicht und ergreifend falsch. [...] Das Sozialstaatsprinzip begrenzt in der Bundesrepublik das Asylrecht. [...] Seine Grenzen findet das Asylrecht wegen der  öffentlichen Sicherheit. Deshalb ist die Aussage der Kanzlerin falsch" meinte Rupert Scholz, Professor für öffentliches Recht und ehemaliger Bundesverteidigungsminister, im Interview bei Standort Berlin im November letzten Jahres. "Und wenn die Kanzlerin gesagt hat, dass wir nur noch eine offene Grenze haben, dass es praktisch gar keine Grenze mehr gibt, ist das nicht in Ordnung. Die Grenzhoheit ist eine elementare Voraussetzung, die zum Staatsbegriff gehört", so Scholz.

Als falsch betrachtet auch Altkanzler Gerhard Schröder Merkels Entscheidung, keine Obergrenze für Asylbewerber zu schaffen und unbegrenzt Flüchtlinge ins Land zu lassen.  "Die Kapazitäten bei der Aufnahme, Versorgung und Integration von Flüchtlingen in Deutschland sind begrenzt. Alles andere ist eine Illusion" betont Schröder. "Man muss den Eindruck gewinnen, als hätten nationale Grenzen keine Bedeutung mehr. Das ist gefährlich, und das ist auch nicht richtig" stellt er weiter fest.

Warum hat sich dann Kanzlerin Merkel in kürzester Zeit für so viel Falsches und Gefährliches  entschieden?

Deutsche Neurose und Birkenstocksandalen 

Die polnische Journalistin Alexandra Rybinska hat eine provozierende Erklärung dafür: "Man spricht sogar von einer gewissen deutschen Neurose. Deutschland rettet den Euro, Deutschland rettet Griechenland, jetzt rettet Deutschland die Flüchtlinge, dazu noch die Demokratie in Polen. Man könnte meinen, Deutschland hat eine Neurose, oder vielleicht hat Frau Merkel eine Neurose." Mit Merkels Realitätsverlust lassen sich Rybinskas Worte umschreiben.

Nicht weniger scharf ist die Kritik von Wolfgang Kubicki , stellvertretendem Bundesvorsitzendem der FDP, gewesen, der Merkels Verhalten in der Flüchtlingskrise als „Politik in Birkenstocksandalen gepaart mit moralischer Überheblichkeit“ abgestempelt hat. Auf Merkels Suche nach einer europäischen Lösung, um die Zahl der Flüchtlinge zu bewältigen und um sie in Europa zu verteilen, und ihr Appell an die EU-Mitgliedsstaaten bezieht sich Kubicki. Dabei vermittle sie den Eindruck, als würde sie den EU-Partnern das deutsche Flüchtlingsproblem aufzwingen, meint Kubicki. Schließlich war die Entscheidung , den Flüchtlingsstrom ins Land zu lassen, eine freiwillige Entscheidung der Kanzlerin, ein emotionaler Alleingang.  Abgesprochen hatte sie sich vor der Öffnung der deutschen Grenze mit ihren EU-Partnern angeblich nicht. "Merkel hat zu oft allein entschieden, das rächt sich", meint Oscar Lafontaine.

  Wieviel Alternativlosigkeit verträgt eine Demokratie?

Man könnte meinen, all diese Kritiker lassen keine Stimme der Menschlichkeit mehr zu. Sie scheinen einen Systemuntergang zu prophezeien, wenn man keine Alternative für Merkels Flüchtlingspolitik findet, die eigentlich von der Kanzlerin selbst im Oktober 2015 als alternativlos  präsentiert wurde. 

Tatsache ist, dass Alternativlosigkeit sich nicht gerade auf Demokratie reimt.  Dass alternativlos eine der Lieblingsvokabel von Kanzlerin Merkel ist, hat Autorin und Publizistin Gertrud Höhler gebührend betont. "Wir erleben immer wieder die Vokabel alternativlos. Die Vokabel "alternativlos" ist eine Anti-Freiheitsvokabel" sagte sie in Bezug auf die Kanzlerin auf der Präsentation ihres Buches "Die Patin" 2012. 

Das Bekenntnis zur Alternativlosigkeit als Rechtfertigung  für das eigene politische Handeln erscheint als der beste Weg, um das System und die Gesellschaft an die Wand zu fahren, könnte man  auch Edmund Stoibers Äußerungen zu Merkels Flüchtlingspolitik entnehmen. "Viele Menschen in diesem Land glauben, dass sie überfordert werden.  [...] Es gibt eine Mehrheit aus allen Parteien, die sagt: das ist zu schnell, das ist zu viel, das überfordert uns, das geht im Grunde genommen mit uns nicht zusammen. Das ist die Sorge, die ich habe,  dass wir damit eigentlich die Menschen irgendwo aus dem demokratischen Spektrum raustreiben. [...]" meinte er im Dezember.  

Wie sehen die Bürger die Flüchtlingskrise in Deutschland?

"Manchmal wird mir gesagt: Habt ihr euch gut überlegt, was ihr da tut? [...] Ich bin auch zusammengezuckt, als es plötzlich hieß, diese Zuwanderung wird unser Land verändern. Und das macht ihr so  über Nacht und sagt die Züge sollen kommen? Dürfen wir nicht mitreden, wie unser Land verändert wird? Die meisten Deutschen wollen nicht, dass ihr Land verändert wird. Die finden es ganz OK. Und das ist ein legitimes Interesse." Rolf-Dieter Krause, ARD-Studioleiter Brüssel, redet Klartext. Die Sorgen der Bürger  sollten weder ignoriet noch bagatellisiert werden.  

Aus einem ZDF-Politbarometer ist  im Januar dieses Jahres hervorgegangen, dass 60% der Befragten der Meinung sind, dass Deutschland die hohe Zahl an Flüchtlingen nicht verkraften kann. 

Ebenfalls im Januar dieses Jahres hat eine Allensbach-Umfrage ergeben, dass 73% der Befragten fürchten, dass immer mehr Flüchtlinge ins Land kommen. Auf den Wunsch nach einer Veränderung ihres Landes lassen die Ergebnisse der Umfrage  nicht schließen.

Laut einer neuen N24-Emnid-Umfrage hat sich  79% der Bevölkerung dafür ausgesprochen, die Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge zu verschärfen. Dieselbe Umfrage hat ergeben, dass sich 90% der Wähler von Merkels Partei einen Kurswechsel wünschen.

Wie reagiert Kanzlerin Merkel darauf? 

An ihrem Kurs hat sich nichts geändert. Gelobt wird sie gerade heute Medienberichten zufolge  von George Clooney,  während laut einer weiteren neuen Umfrage des INSA-Meinungstrends  sich fast  40% der deutschen  Wähler ihren Rücktritt wünschen.