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Meinungsfreiheit oder Volksverhetzung

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Islam in Europa

In den Niederlanden wird sich der Rechtspopulist Geert Wilders nun doch für seinen Film „Fitna“ vor Gericht verantworten müssen. Am selben Tag ist in Österreich die FPÖ-Politikerin Susanne Winter wegen der Herabwürdigung des Islam verurteilt worden. Wo die Grenze zwischen berechtigter Provokation und strafbarer Hetze liegt, bleibt dennoch offen. Dienstag, 27.

Januar 2009

Auch in den Staaten Europas kennt die Meinungs- und Kunstfreiheit Grenzen, doch mit gutem Grund werden diese Grenzen in den Gesetzen weit gefasst oder zumindest in deren Anwendung großzügig ausgelegt. Schließlich ist die Freiheit der Kunst und der Meinung nicht nur an sich ein wichtiger Wert in einer liberalen Gesellschaft, sondern die Möglichkeit zu öffentlicher Kritik an sozialen und politischen Missständen hat auch eine wichtige Korrekturfunktion. Allein wenn die Kunst- oder Meinungsäußerung wichtige andere Grundrechte gefährdet, kann der Staat entscheiden, das Recht auf Meinungs- und Kunstfreiheit einzuschränken.

Wie schwierig es ist, die Grenze zu bestimmen, ab der eine solche Einschränkung gerechtfertigt ist, zeigen aber die aktuellen Debatten in Österreich und den Niederlanden um die islamfeindlichen Aussagen der rechten Politiker Susanne Winter und Geert Wilders. Die FPÖ-Politikern Winter, die nach eigener Meinung nur historische Tatsachen „überspitzt formuliert“ hatte, wurde am 21. Januar wegen der Herabwürdigung Andersgläubiger und der Schürung von Hass von einem Grazer Gericht zu drei Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt.

Sie hatte vor einem „islamischen Einwanderungstsunami“ gewarnt und behauptet, der Prophet Mohammed wäre wegen seiner Ehe mit einem Kind ein „Kinderschänder“. Den Koran habe er während „epileptischer Anfälle“ verfasst. Am selben Tag entschied ein niederländisches Gericht, dass sich auch der Rechtspopulist Geert Wilders wegen seines umstrittenen Films „Fitna“ vor Gericht verantworten müsse. Es widersprach damit dem Urteil eines anderen Gerichts, das Klagen gegen den Film abgewiesen hatte, da die Aussagen darin vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt seien.

Die Religion genießt einen besonderen Schutz

Die jetzige Entscheidung der Richter löste in den Niederlanden Widerspruch aus. Nicht nur dort wird im Fall des Islam die Meinungs- und Kunstfreiheit mit besonderem Nachdruck eingefordert, wie dies auch das Beispiel der Mohammedkarikaturen zeigt. Nicht zu Unrecht denken viele Nicht-Muslime, dass im Fall des Islam besonderer Anlass zu Kritik besteht und man sich nicht aus Rücksicht auf religiöse Gefühle diese Kritik verbieten lassen dürfe. Viele Muslime reagieren aber auf solche Kritik sensibel, da sie, ebenfalls nicht zu Unrecht, dahinter eine grundsätzliche Ablehnung vermuten.

In der Bundesrepublik sind der Meinungs- und Kunstfreiheit relativ enge Grenzen gesetzt, wenn sie die Persönlichkeitsrechte anderer betrifft. Wo jedoch nicht einzelne Personen, sondern ganze Gruppen betroffen sind, gilt dieser Schutz nicht. Dafür genießt die Religion einen besonderen Schutz durch §166 des Strafgesetzbuches, wonach Beschimpfungen, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören, geahndet werden können. Allerdings wird die Definition von „Beschimpfungen“ in der Rechtspraxis so eng gefasst, dass es offen ist, ob Wilders’ Film in Deutschland strafbar gewesen wäre.

Jede Debatte lebt von der Provokation

Trotz dieser juristischen Dimension, bleibt die Debatte vor allem eine politische. Letztlich muss sich die Gesellschaft klar darüber werden, was sie den muslimischen Mitbürgern zumuten will. Einerseits muss Kunst und Meinung auch provozieren dürfen, schließlich lebt jede Debatte von der Provokation. Die Definition von Kunst muss bewusst weit gefasst werden und auch Werke mit einschließen, die nicht dem herkömmlichen Kunstverständnis entsprechen. Bei der Meinung gilt ohnehin der Spruch von Rosa Luxemburg, Freiheit sei immer die Freiheit des Andersdenkenden.

Zugleich jedoch muss man sich fragen, wieweit man Äußerungen dulden will, die weniger zum Ziel haben, zu einer konstruktiven Debatte anzuregen, als eine religiöse Minderheit zu stigmatisieren und zu marginalisieren. Wichtiger als ein richterliches Verbot ist es dabei, dass Politik und Medien nicht hetzerische Äußerungen unterstützen. Solange diese nur die Meinung Einzelner sind, werden auch die Muslime sie akzeptieren können. Wenn aber sich ein breiter Teil der Bevölkerung in solchen Äußerungen wiederfindet, hilft ohnehin kein Richterspruch.