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Mehr als Kuchenbacken mit Gesine Schwan

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Die kantige Präsidentin der Europauniversität an der deutsch-polnischen Grenze schlug sich schon für die ostwestliche Aussöhnung, als die EU noch gar nicht existierte. Mit der Visionärin aus Frankfurt/Oder schwant Europa gutes.

Der Schwan ist ja eigentlich ein schönes Tier. In der europäischen Kultur war er schon immer Symbol für Reinheit, Unschuld und Jungfräulichkeit, im Zeitalter des Barock war die blasse Schwanenhaut einer Frau sogar untrügliches Zeichen erhabener Schönheit. Diese Zeiten sind heute natürlich vorbei. Schwäne werden nur noch an entlegenen Stadtteichen von einigen Kindern mit Brotkrumen gefüttert und in deutschen Boulevardblättern kann man besonders in Zeiten des Sommerlochs hin und wieder einen aufgeregten Bericht lesen, der von Angriffen „schwarzer Kampfschwäne“ auf unschuldige Rentnerinnen zu berichten weiß. Zuguterletzt benutzt die deutsche Sprache den Schwan sogar, um eher unheilvolle Gefühle zum Ausdruck zu bringen: „Mir schwant Übles“ sagt man, wenn man pessimistisch in die Zukunft blickt.

Aber seit diesem Frühjahr hat sich das Image des Schwans in Deutschland wieder deutlich gebessert. Nun steht er für Hoffnung, Selbstvertrauen und Zuversicht. Zu verdanken hat man dies einem weiblichen, besonders erfolgreichen Exemplar dieser Gattung, das auf den für Schwäne sonst eigentlich ungewöhnlichen Namen Gesine hört. Die 61-jährige Präsidentin der Europa-Universität „Viadrina“ in Frankfurt/Oder hat es nämlich nur wenige Wochen nach ihrer Kür zur Regierungskandidatin für das Amt des Bundespräsidenten geschafft, die deutsche Öffentlichkeit für sich zu begeistern. Obwohl ihr die Wahl zur ersten Bundespräsidentin im Mai versagt blieb und vor allem Frauenverbände beklagten, dass man zu dieser für das linke Lager aussichtslosen Wahl mal wieder nur eine „Zählkandidatin“ aufgestellt habe, erinnert man sich immer noch gerne an das erfrischende Auftreten Gesine Schwans in Talkshows und zahllosen Zeitungsinterviews.

Souverän und temperamentvoll

So lobte der deutsche Vorzeige-Philosoph Jürgen Habermas in der „Zeit“ die Kandidaten überschwänglich: „Sie schlägt sich bravourös und beeindruckt durch Geistesgegenwart, souveräne Kenntnisse und glänzende Argumente. Sie hat vor allem ein überzeugendes politisches Temperament.“ Dies kam wohl auch bei einer breiten Bevölkerungsschicht so an. Laut einer vor der Bundespräsidentenwahl durchgeführten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „Emnid“ hätten 40% der Bundesbürger bei einer Direktwahl des Präsidenten für Gesine Schwan gestimmt, nur 38% Prozent für ihren letztendlich siegreichen Konkurrenten Horst Köhler. Wahrscheinlich haben die Menschen bemerkt, dass sich Gesine Schwan nicht auf eine klare politische Richtung festlegen lässt. Dies wird schon durch ihre Biographie deutlich. Die 1943 geborene Schwan machte schnell in der Wissenschaft Karriere, sie ist eine ausgewiesene Marxismus-Expertin und beschäftigt sich heute vorwiegend mit Fragen der politischen Kultur. Schon früh suchte sie die Versöhnung mit Polen, lernte deshalb Polnisch und knüpfte in den 80er Jahren Beziehungen zur Untergrundbewegung „Solidarnosc“.

Dennoch vertrat sie in der SPD, in die sie 1970 eintrat, eine eher konservative Position. Man zählte sie zum Lager Helmut Schmidts und wie er war sie für die Nachrüstung der NATO mit Mittelstreckenraketen. Gerade weil Sie die Zustände in Osteuropa so gut kannte, setzte sie sich vehement dafür ein, den kommunistischen Diktaturen in Osteuropa nur entgegenzukommen, wenn diese die Lage der Menschenrechte in ihren Ländern zu bessern gewillt wären. 1983 warf sie in einer SPD-Zeitschrift sogar dem damaligen Vorsitzenden Willy Brandt vor, „den Unterschied von Demokratie und Diktatur zu bagatellisieren“ und verließ kurz darauf die Grundwertekommission der SPD. So mancher in der Parteilinken mochte sie damals wohl als schwarzen Kampfschwan verteufelt haben. Und auch nach ihrer Nominierung unterwarf sich Gesine Schwan keiner strengen Parteidisziplin. Sie bezog Stellung gegen den Vorschlag des Bundeskanzlers, Eliteuniversitäten in Deutschland einzurichten, und beklagte die Tendenz, die Reformlasten zu sehr den unteren Bevölkerungsschichten aufzubürden.

"Mehr als das ausrollen von Kuchenteig"

Vor allen Dingen ist Gesine Schwan aber eine überzeugte Europäerin. 1999 wurde sie zur Präsidentin der noch jungen Europa-Universität „Viadrina“ berufen, an der über 5000 Studenten aus dreißig Ländern studieren, über ein Drittel von ihnen kommt aus Polen. Damit arbeitet Sie Tag für Tag aktiv an der europäischen Einigung, was man von der herrschenden politischen Klasse in Europa leider nicht immer behaupten kann. In ihren Äußerungen zu Europa erliegt sie deshalb auch nicht der Gefahr, Phrasen zu dreschen. Gegenüber der „Leipziger Volkszeitung“ machte Sie deutlich, dass es sich bei der Osterweiterung „nicht nur um das Ausrollen von Kuchenteig“ handelt, sondern das um eine „Neuschaffung“ Europas gehe. Defensive ist ihre Sache nicht, sie spricht sich dafür aus, das Volk über die europäische Verfassung abstimmen zu lassen. Außerdem sollte man begreifen, dass „gerade die EU die Chance bietet, die Herausforderung der Globalisierung und der neuen Weltarbeitsteilung fruchtbar und weltoffen anzugehen“.

Eine Frau, die vor Zuversicht und Optimismus nur so strotzt. Die sagt was sie denkt, auch wenn es der herrschenden Meinung zu wieder läuft. Die sich schon um die europäische Aussöhnung verdient gemacht hat, als es die EU noch gar nicht gab. Und die sich immer für die Demokratie stark gemacht hat. Muss man noch mehr Eigenschaften besitzen, um zur echten Europäerin zu taugen? Wohl nicht. Mit einer Frau wie Gesine Schwan kann uns für Europa nichts Übles schwanen.