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Meet My Hood: Krutenau, Straßburg

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Viele Expats bleiben nur vorrübergehend in Straßburg. Dass sich die ehemalige Erasmus-Studentin Olalla aus Spanien, die heute als Journalistin im Europäischen Parlament arbeitet, dazu entschlossen hat, hier zu bleiben, lag vor allem auch an ihrem Stadtteil: Krutenau.

 „Ja, klar, ich bin Spanierin. Aber nach acht Jahren habe ich diese Stadt wirklich ins Herz geschlossen und fühle mich langsam als echte Elsässerin.“ Mitten auf dem Markt von Krutenau macht Olalla bei ihrer Stippvisite südöstlich der Grande-Île eine Pause. Auf beiden Seiten des kleinen Place de Zurich sind Verkaufsstände aufgebaut, an denen Produkte aus der Region angeboten werden: Münsterkäse, Zwetschgenmarmelade, Gewürzbrot und geräucherte Wurst. Es ist Mittwoch, und Olalla spaziert zwischen den Händlern und den Kunden entlang, als hätte sie nie etwas anderes getan. Mit einem breiten Lächeln, kleinen Handzeichen und einem gewissen Stolz: „Habt ihr gesehen? Eine Spanierin ist Aushängeschild für dieses Stadtviertel.“

„Vor allem wegen der Kälte“

Am Tag zuvor hatte die junge Spanierin die 'Brasserie Michel' als Treffpunkt vorgeschlagen, eine Institution in der Innenstadt von Straßburg. Auch hier wurde sie mit offenen Armen empfangen. „Es ist hier überhaupt nicht teuer und noch dazu sehr gut,“ erläutert sie. „Man kennt mich hier, weil ich früher oft nach dem Essen auf eine lange Tasse Kaffee sitzen geblieben bin.“ Während sie vor ihrem Sauerkraut sitzt, scheint sich Olalla sehr über die Aufmerksamkeit der Kellner und des jungen Inhabers zu freuen. Sie verweist auf alle elsässischen Wahrzeichen vom Sauerkraut zum Racing Club de Strasbourg, dem Fußballverein der Stadt. Für die Madrilenin war es anfangs jedoch nicht immer einfach, sich an das Leben hier zu gewöhnen. „Vor allem wegen der Kälte,“ lacht sie in den Kragen ihres Anoraks. „Man stelle sich vor, eine Spanierin, die sich nach zwei Stunden Flug im Nord-Osten Frankreichs wiederfindet!“

 Olalla kam 2009 hierher, um Soziologie im Rahmen des Erasmus-Programms zu studieren. Nach ihrem Grundstudium machte sie den Master am IEP Straßbourg, der einen europäischen Kurs enthält, den es zu diesem Zeitpunkt in Spanien noch nicht gab. Die junge Studentin sah sich einer „großen Konkurrenz“ ausgesetzt und flüchtete im ersten Jahr in eine „Erasmus-Blase, in der es anfangs immer etwas schwer ist, sich zu integrieren.“ Schließlich schloss Olalla aber sehr schnell auch Freundschaften mit Elsässern. Das liegt ihrer Meinung daran, dass es hier ein großes Verständnis für das Fremde gibt. „Straßburg lebt seit Jahrhunderten eine doppelte Identität. Fremde Akzente akzeptiert man hier leichter als andernorts, weil die Straßburger verinnerlicht haben, dass die Leute hier von überall herkommen,“ erläutert sie. Nach 15 Minuten Straßenbahnfahrt trennt die deutsche Grenze den Rhein in zwei Teile. In Frankreich ist die Geschichte der Stadt eng verbunden mit der vom Elsass und von Lothringen, die abwechselnd in die Hände Deutschlands und Frankreichs fielen. Ein weiteres Symbol der kosmopolitischen Stadt: Das Europäische Parlament prägt hier das Ufer des Ill seit 1999.

Krutenau, eine schöne Zukunft

Genau hier arbeitet Olalla auch heute. Im Auftrag mehrerer Medien folgt sie dem aktuellen Geschehen des Parlamentes und seiner MEP, deren „Tanz der Rollkoffer vom Bahnhof zum Vorplatz des Hémicycle“ sie amüsiert. Und sie bestätigt: Straßburg ist eine Transitstadt für Expats. „In den Institutionen, am Europäischen Hof für Menschenrechte, am Europäischen Rat und selbst an der Universität, die Leute bleiben nicht länger als drei Jahre.“

Dass Olalla länger in Straßburg geblieben ist, ist Krutenau zu verdanken. „Ich habe den Eindruck, hier herrscht noch Kontinuität, die Leute hier kommen auch von hier.“ In den mit Fachwerkhäusern gesäumten Straßen erklärt sie, dass ihre erste Begegnung mit dem Quartier noch auf ihre Studienzeit zurückgeht, als sie im Studentenwohnheim auf dem Campus de l’Esplanade wohnte. Damals hat sie hier einen lebendigen Ort entdeckt, wo die Menschen draußen laut miteinander sprechen - in Straßburg eher eine Seltenheit. Als gebürtige Spanierin war die junge Studentin schnell erfüllt von dem Charme des Viertels, das im Gegensatz zu dem „etwas künstlichen und touristischen Aspekt“ von Petite France steht, dem Altstadtviertel Straßburgs. „Im Stadtzentrum patrouillieren mittlerweile Soldaten auf den Weihnachtsmärkten,“ bekräftigt der 33-jährige Jonathan, Barista im Café Bretelles.

„Hier wird so etwas nie passieren.“ Krutenau lebt etwas abgelegen von den gentrifizierten Vierteln, in denen mittlerweile bekannte Künstler in den Tattoo-Studios verkehren. „Es ist eine Mischung entstanden aus den einheimischen Elsässern, Studenten und Touristen. Jeder hat hier seinen Platz,“ ergänzt Olalla. Die 36-jährige Koreanerin Kyung-Ae, die seit 15 Jahren in Straßburg lebt, hat vor anderthalb Wochen ihr eigenes Restaurant in Krutenau eröffnet. Das erklärt sie so: „Ich mag die zugleich dynamische und doch intime Seite des Viertels. Abends sind hier viele Studenten unterwegs, aber tagsüber bleibt das hier ein Ort für Arbeiter, vom Brillenfabrikanten über die Buchhändler bis hin zum Eisenwarenhändler.“

Das einstige Sumpfgebiet gilt heute als authentischer Ort, Krutenau ist zum Trendviertel Straßburgs geworden. „Es wird tatsächlich immer schicker hier,“ gibt Olalla zu. „Auch wenn ich hier schon lange wohne, entdecke ich immer wieder Neues.“ Das Viertel entkommt seinem Schicksal als ehemalige Vorstadt nicht: Die Gentrifizierung ist in vollem Gange. Aber im Gegensatz zu vielen anderen französischen Städten scheint die Entwicklung in Krutenau allen recht zu sein. Eine junge Frau auf dem Weg, das Fahrrad an der Hand, erschöpft sich nicht in Lobgesängen über „ihr“ Quartier. Sie nutzt die Gelegenheit sogar, um ihre Lieblingsorte mit uns zu teilen, wie das Café Bretelles. Und Olalla geht darauf ein: „Da kommen wir gerade her.“ Auch das heißt, sich elsässisch zu fühlen.

Die Nachbarn

Die Preise

Die Köpfe

Die Orte

Café Bretelles, Szene-Bar, 2 Rue Fritz.

Kei's Atelier, Koreanisches Restaurant mit Teesalon, 16 Rue de l'Abreuvoir. 

Tinta, Tattoo-Studio und Barbier, 22 Rue des Orphelins.

L'Optique de la Krutenau, Optiker und Brillenhersteller, 50 rue de Zurich.

Le Tarbouche, Libanesisches Restaurant für Genießer, 22 rue de la Krutenau.

Mémé dans les Orties, Restaurant mit Hausmannskost, 14 rue Munch.

Au Télégraphe, Brasserie, 59 rue de Zurich.

Le Café des Anges, Bar, 5 rue Sainte-Catherine.

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Dieser Artikel ist Teil der cafébabel-Serie Meet My Hood zu euren Vierteln in europäischen Metropolen. Hier mitmachen, wenn ihr eure Hood vorstellen wollt!

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Dieser Artikel wurde durch die Fondation Hippocrène ermöglicht.

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Story by

Matthieu Amaré

Je viens du sud de la France. J'aime les traditions. Mon père a été traumatisé par Séville 82 contre les Allemands au foot. J'ai du mal avec les Anglais au rugby. J'adore le jambon-beurre. Je n'ai jamais fait Erasmus. Autant vous dire que c'était mal barré. Et pourtant, je suis rédacteur en chef du meilleur magazine sur l'Europe du monde.

Translated from Meet My Hood : Krutenau, à Strasbourg