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Martin Schulz: Vom europäischen Traum zur Seifenblase

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Katha Kloss

Politik

[Leitartikel] Seit heute Morgen ist es offiziell: Martin Schulz wird von Brüssel zurück nach Berlin umziehen. Soll so der europäische Traum aussehen? 

Heute morgen stand in der Süddeutschen Zeitung, dass Martin Schulz eine Karriere hingelegt hat, wie sie dem europäischen Traum nicht besser entsprechen könnte. Sein ganz persönlicher American Dream - aber auf Europa zugeschnitten. Vom arbeitslosen Alkoholiker, zum Bürgermeister, zum Präsidenten des Europaparlaments (EP) und 2017 vielleicht sogar zum Bundeskanzler.

Nochmal schwarz auf weiß: Der Noch-EP-Präsident Martin Schulz, der dieses Amt seit 2012 innehatte, wird nicht für ein weiteres Mandat kandidieren. Stattdessen liebäugele der SPD-Mann für nächstes Jahr mit einem Amt im Bundestag. Man munkelt, Schulz wolle zunächst auf den Posten des Außenministers, wo Steinmeier ja gerade den Platz räumt. Und vermutlich will er dann auch noch höher hinaus. „Martin #Schulz will in den Bundestag. Die AfD ist schon außer sich: ein belgischer Flüchtling als Kanzler?“, blödelt die ZDFheuteshow auf Twitter.

Im Ernst jetzt? Enttäuschung macht sich breit. Was wie ein Aufstieg auf der Karrierleiter wirken mag, ist aus europäischer Sicht in Wahrheit ein Rückschlag. Dass einer, der immer öffentlich für Europa geboxt und plädiert hat, der den ungarischen Hardliner Orbán gemaßregelt; den griechischen Abgeordneten der Goldenen Morgenröte, der türkische Bürger als Tiere bezeichnete, des Plenarsaales verwies; der sich immer wieder für mehr Mitsprache des EP einsetzte; der sich trotz Berlusconi-Beleidigungen (Kapo und Konzentrationslager) nicht hat aus der Ruhe bringen lassen, um das europäische Tentakelwesen weiter zu steuern und durch heftige Krisen zu manövrieren. Keiner hat es so vor ihm vermocht, dem Europaparlament ein bisschen Menschlichkeit einzuhauchen. Er kam, als die Finanzkrise gerade überzukochen schien. Nun geht er. 

MEP Daniel Cohn-Bendit 2010 zu Schulz: "Halt' die Klappe!"

Mann Martin

Und er geht in keinem guten Timing für Europa. Dass Schulz nun scheinbar doch nach dem höchsten Posten auf nationaler Ebene giert, ist deprimierend. Gerade jetzt, im Annus Horribilis 2016. Nach dem Brexit, der TTIP-Schlappe und einer in der Flüchtlingskrise mehr als uneinigen Union. Warum jetzt, wo Europa heiser ist und die populistischen Sirenen von überall lauter schreien? Jetzt, wo er auf Europaebene am meisten gebraucht wird?  

Als die Gerüchteküche schon heftig brodelte, hatte Schulz immer wieder betont, er werde Europa nicht für einen nationalen Posten den Rücken kehren. Das Amt des EP-Präsidenten sei eine große Ehre, es sei ihm nicht leichtgefallen, sagt er heute. Ist Martin Schulz dem 'gefesselten Riesen Europa' schlussendlich erlegen? 

Man mag jetzt gern argumentieren, dass Schulz von einem Kanzlerposten aus aktuell sehr viel mehr für Europa leisten könnte. Wie ein europäischer Traum fühlt sich Schulz' Move in die deutsche Spitzenpolitik aber trotzdem nicht an. Höchstens wie eine europäische Seifenblase.

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