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Mapplethorpe: Scheiß' auf den Skandal, Look at the Pictures

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Lisa Braamt

BerlinKultur

Der Name Robert Mapplethorpe ist vielen sicher im Zusammenhang mit Patti Smith oder der ein oder anderen Provokation in schwarz-weiß ein Begriff. Mapplethorpe-Look at the Pictures zeigt aber, dass sich ein Blick hinter Patti und Penisse lohnt. Interview auf der Berlinale mit den Machern Fenton Bailey und Randy Barbato.

In ihrer Doku Mapplethorpe: Look at the Pictures lassen Fenton Bailey und Randy Barbato Prominente sowie Lover, Verwandte und Bekannte des berühmten amerikanischen Fotografen Robert Mapplethorpe zu Wort kommen. Auch alte Film-und Tonbandaufnahmen des Künstlers werden eingebunden und natürlich unabdingbar Großaufnahmen seiner Fotografien, auch jener, die vor allem in den Vereinigten Staaten für ordentlich Aufregung sorgten. Viele seiner Werke streifen die Pornografie und Mapplethorpes Kamera geht schonungslos nah und dennoch immer stilisiert und perfektioniert an ihr Motiv heran. Die Dokumentation begleitet Mapplethorpes Ups und Downs und seine Karriere bis zu seinem tragischen Aids-Tod Ende der 1980er. Die Macher waren dieses Jahr bereits zum dritten Mal in der Berlinale Panorama Sektion vertreten. 

cafébabel Berlin: Was war Euer Hauptantrieb, eine Doku über Robert Mapplethorpe zu machen?

F&R: Wir haben in den 1980ern in New York gelebt. Wir kannten Robert nicht persönlich, aber wir wussten von seinem Ruf. Er war dieser Name, er war schon berühmt, er war ein Künstler. Jeder kannte ihn - Mapplethorpe. Die 80er waren die Zeit in der Namen anfingen Marken zu werden, als Künstler Berühmtheiten wurden. Mapplethorpe war immer jemand, der wusste, dass man für die Kunst und den Erfolg auch hart arbeiten muss. Er wusste, dass man seine Arbeit etablieren, in der richtigen Galerie sein, gesammelt werden, dass über einen berichtet werden muss. Rausgehen und präsent sein. Er war diesbezüglich schonungslos offen und ehrlich, in einer Zeit in der die Leute es nicht waren. Ich denke, sie sind es bis heute meist nicht. 

cafébabel: Welche Einladung will eure Doku Look at the pictures aussprechen?

F&R: Es ist ein Einblick in das Innenleben des Mannes Mapplethorpe und in seine Arbeit. Ein wirkliches Verständnis für ihn und seine Kunst. Er wird immer noch als dieser skandalöse Künstler gesehen. Der Film zeigt natürlich vor allem Roberts Arbeit, getreu dem Titel 'Look at the Pictures', aber auch seine Geschichte, in teilweise seinen Worten. 

cafébabel: Welche Aspekte waren euch besonders wichtig?

F&R: Dass Mapplethorpe auch als Person dargestellt wird, man etwas über ihn selbst erfährt. Sein Name ist bekannt, weniger aber wer und was genau dahinter steht. Der Skandal, der ihn berühmt gemacht hat, hat seine Arbeit überschattet. Er ist mit 42 Jahren gestorben und hat ein enormes Werk hinterlassen, tausende Bilder.

cafébabel: War es leicht die Mapplethorpe Foundation vom Projekt zu überzeugen?

F&R: Ja doch, sie waren schon zu überzeugen, haben aber auch alles genau unter die Lupe genommen. Es war klar, dass es herausforderndes Material geben wird, wenn man eine Dokumentation über einen Künstler wie Mapplethorpe dreht. Ebenfalls klar war, dass man schonungslos ehrlich sein muss. Das war das Leben, das er gelebt hat. Das war die Kunst, die er erschaffen hat. Das ist der Film, den wir gemacht haben.

cafébabel: Wie ist die Kooperation mit HBO entstanden?

F&R: Wir haben schon in der Vergangenheit zusammen gearbeitet und HBO ist wohl der einzige Sender im US-amerikanischen Fernsehen, der eine solche Doku zeigen würde. Selbst bei jemandem wie HBO waren wir unsicher, ob wir alles zeigen können werden. Wir haben also den Film produziert, ihn HBO gezeigt und sie meinten 'wonderful'. Wenn man den Film sieht, kann man die Problematik besser verstehen. Ich denke, das ist das Bahnbrechende. Ich glaube, dass noch nie ein so explizit grafischer Film im US-Fernsehen gezeigt wurde.

cafébabel: Besitzt ihr selbst eine Fotografie von Mapplethorpe?

F&R: Oh, nein! Wir wünschten, wir hätten eine. Die Preise dafür gehen ja jetzt noch mehr und mehr in die Höhe. Zuletzt ist eine für 379.000Dollar bei einer Auktion weggegangen. Das ist uns dann doch zu teuer.

cafébabel: Seht ihr einen Unterschied zwischen europäischen und US-amerikanischen Filmfestivals?

F&R: Ja, wir waren auf der Berlinale einmal mit Party Monster und mit Deep Throat vertreten. Es gibt einen Unterschied zwischen dem europäischen und dem US-Publikum, aus unserer Sicht. Das europäische Publikum ist irgendwie engagierter. Es scheint hier, als würde Film einfacher als ein Konzept schöner Kunst verstanden. Es gibt mehr Neugier gegenüber den Ideen der Künstler und mehr Interesse an der Psychologie eines Werks und eines Künstlers. Es geht auch mehr darum, als um die Frage - ist das Dargestellte jetzt obszön oder nicht. Und bei der Berlinale-Premiere herrschte bis zum Ende gebannte Stille. Sowas kennen wir aus den USA weniger. Ich glaube jemand hat auch ein deutsches Wort dafür genannt, ich weiß nicht mehr welches.Wenn Deine Sinne quasi 'überfallen' werden.

cafébabel: Überwältigt?

F&R: Ja, das war's.

cafébabel: Ihr seid ja häufiger hier in der Hauptstadt. Wie hat sich Berlin aus eurer Sicht verändert?

F&R: Oh, sie hat sich sehr deutlich verändert. Das Interessante ist, ich könnte mir immer noch vorstellen herzukommen und hier zu leben. Wenn ich in Europa leben würde, dann wohl in Berlin. Es ist immer noch günstiger als andere Metropolen. Und es fühlt sich auch im Bereich der Kunst immer noch engagierter an. Wir wohnen in Los Angeles, das ist jetzt sicher der Ort für Künslter in den USA. Ich denke, wenn Mapplethorpe noch leben würde, würde er entweder in Berlin oder LA wohnen.

Mini-Bio

Robert Mapplethorpe wird 1946 als Sohn einer katholischen Arbeiterfamilie in einem US-amerikanischen Vorort geboren. Diesem entkommt der junge Mapplethorpe nur, indem er nach der Schule Kunst studiert, nach New York City geht und dort mit der 68er Bewegung und einer damals noch ziemlich unbekannten Poetin und Musikerin namens Patti Smith in Kontakt kommt. 

Die spätere 'Godmother of Punk' wird Mapplethorpes erste und weitestgehend einizige weibliche Freundin. Die beiden verbindet eine prägende Zeit miteinander, sie leben gemeinsam im berüchtigen Chelsea Hotel und Patti widmet Robert die 2010 veröffentlichte Biographie Just Kids: Die Geschichte einer Freundschaft. Als Robert sich endgültig für die Beziehung zu einem Mann entscheidet, reißt 1974 der Kontakt weitestgehend ab. 

Einer Sache bleibt Robert Mapplethorpe im Gegensatz zu Partnern sein Leben lang treu: der Fotografie. Ab Anfang der 1980er wird seine Arbeit von einem größeren Publikum wahrgenommen. Es ist ein günstiger Zeitpunkt und New York mit Warhols Atelier Factory und dem Studio 54 der richtige Ort für jemanden wie Mapplethorpe. Er fotografierte unter anderem Warhol, Paloma Picasso, Richard Gere und viele mehr. 

1990, ein Jahr nach Mapplethorpes Tod, führte seine Ausstellung The Perfect Moment  zu einer Kontroverse. Es kam zu einem vergeblichen Versuch, das Museum und den Direktor wegen der Ausstellung obszönen Materials vor Gericht zu verurteilen. 2008 wurde entschieden, dass Mapplethorpes erotische Fotos nicht gegen das Pornografiegesetz verstießen. Die Doku Mapplethorpe - look at the pictures wird bald beim Sundance Film Festival gezeigt und am 4. Juli erstmalig in den USA ausgestrahlt. Fenton Bailey und Randy Barbato sind auf die Reaktionen gespannt und befürchten, dass es noch immer zu harschen Reaktionen gegen Mapplethorpe und seine Kunst kommen könne. Sie hoffen aber, dass ihr Film auch hilft aufzuklären.

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Ich bin ein Berliner - dieser Artikel stammt von unserem cafébabel Berlin-Team.

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