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Männer und Feminismus: Mutige Tabubrecher und lila Pudel

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Der Feminismus hat Gesellschaft und staatliche Institutionen unterwandert, Männer werden von Frauen unterdrückt und ausgenutzt, die Femokratie steht kurz bevor. Klingt irgendwie falsch? Ist es auch - die antifeministischen Maskulinisten sehen das allerdings anders. 

In Hollywood passiert Empörendes. Doch, wirklich wahr! Der Amerikaner Aaron Clarey hat es herausgefunden! Clarey, Autor eines Männer-Blogs, wollte im Sommer 2015 den Film Mad Max - Fury Road anschauen und musste feststellen: Hilfe, das ist ja ein feministischer Film! Um andere Männer zu warnen, verfasste Clarey flugs einen Text namens Why you should not go see Mad Max: Feminist road. Der Trailer, so empörte sich Clarey, hätte harte Action versprochen, stattdessen würde sich alles nur um Furiosa (dargestellt von Charlize Theron) drehen. Mad Max (Tom Hardy) hätte viel zu wenig zu tun. Für Clarey nichts weniger als Betrug: Er und viele andere Männer seien durch Tricks dazu gebracht worden, sich den Film anzusehen - der sich dann als ein Stück feministischer Propaganda entpuppte. Clareys Fazit: Der Feminismus hat ganz Hollywood infiltriert und Action-Filme im Allgemeinen ruiniert.

Das alles könnte man als eine Geschichte abtun, die unterhaltsam und etwas gaga ist. Könnte. Denn Aaron Clarey gehört zur Bewegung der Maskulinisten, selbsternannten Männerrechtlern. Und die sind im Mainstream angelangt, in den Medien. Ihre Botschaften finden Gehör, in den letzten Jahren immer mehr. Der Kern dieser Botschaften: Der Feminismus ist eine Ideologie des Männerhasses, deren Ziel es ist, die Gesellschaft nach feministischen Leitbildern umzubauen. Eine Gesellschaft also, in der Männer von Frauen ausgenutzt und unterdrückt werden („Femokratie“). Ach ja, Männer und Frauen zu geschlechtslosen Wesen umwandeln will der Feminismus natürlich auch, weshalb Maskulinisten vom Begriff „gender“ überhaupt nichts halten: Geschlecht ist biologisch, alles, was sich dagegen richtet, widernatürlich. Männlein und Weiblein sind verschieden, und so soll es gefälligst auch bleiben.

Der Feminismus erfindet Benachteiligungen

Maskulinisten gehen davon aus, dass der Feminismus Einfluss auf staatliche Institutionen hat, Medien und Justiz mitkontrolliert. Und weil Nazi-Begriffe immer gut kommen, wird das Ganze gerne als feministische „Gleichschaltung“ bezeichnet. Der Feminismus, so glauben Maskulinisten, erfindet Benachteiligungen von Frauen, wo es keine gibt und macht die Männer für diese vermeintlichen Benachteiligungen verantwortlich. In Wahrheit aber sind Männer die „Opfer“. Denn Feministinnen sagen die Unwahrheit, immer. Beispiele dafür haben Maskulinisten stets parat: Frauen bekommen vor Gericht einen „Frauenrabatt“, werden für das gleiche Delikt seltener und milder bestraft als Männer. Sie erfinden Vergewaltigungen, um sich an Männern zu rächen. Und so weiter und so fort.

Wenn Maskulinisten also eines hervorragend können, dann ist es, aus einzelnen Punkten eine flächendeckende Benachteiligung von Männern abzuleiten. Strukturelle Ungleichheiten und Rollenerwartungen werden einfach ausgeblendet. Der ehemalige Schweizer Männerbeauftragte Markus Theunert fasst prägnant zusammen: „Man wähle ein beliebiges, in Ziffern fassbares Merkmal und brandmarke den Unterschied zwischen den Geschlechtern als gewollte Benachteiligung und Diskriminierung von Männern.“

Angriff auf die „Feminazis“

Beschimpfungen und Verleumdungen stellen für Maskulinisten adäquate Formen des menschlichen Umgangs und der politischen Auseinandersetzung dar. Feministinnen sind „Feminazis“. Männer, die im Verdacht stehen, feministische Anliegen zu unterstützen, kommen nur wenig besser davon. Sie sind wahlweise „lila Pudel“, „Mösenkriecher“ oder „Fotzenknechte“. Wenn pro-feministische Männer bunte Tiere sind, wer genau sind denn die Maskulinisten?

Studien zeigen, dass die von Maskulinisten vertretenen Positionen und Parolen nur von einem sehr kleinen Teil der männlichen Bevölkerung geteilt werden. Zahlenmäßig ist die Männerrechtsbewegung zwar eher klein, nimmt aber für sich in Anspruch, für alle Männer zu sprechen (ausgenommen davon sind wahrscheinlich die erwähnten Pudel und Knechte). Dabei sehen Maskulinisten sich als mutige Tabubrecher - sie sprechen nur das aus, was sowieso alle denken, sich aber aufgrund der herrschenden „political correctness“ nicht zu sagen trauen. Hauptsächlich rekrutiert sich die Bewegung aus konservativen und religiösen Gruppen - und ein Großteil der Antifeministen sind im Prinzip verbitterte Scheidungsväter. Die Männerrechtsbewegung ist in vielen europäischen Ländern organisiert, in Deutschland z.B. in den Organisationen agens und MANNdat, in der Schweiz als Sons of Perseus.

Von Beleidigungen zu Gewaltfantasien

Im Prinzip könnte man Maskulinisten als einen Haufen Spinner (und, leider, Spinnerinnen) abtun. Tatsächlich ist die Bewegung aber mehr als nur ein kleines Ärgernis. Denn Maskulinisten nutzen gerne die Anonymität des Internets, um ihre zweifelhaften Ansichten unters Volk zu bringen. Das bekommen vor allem Menschen zu spüren, die online über Themen wie Feminismus und Gleichberechtigung schreiben. Ein beliebtes Mittel ist dabei die sogenannte „hate speech“, die von Beleidigungen über Gewaltfantasien gegen Feministinnen bis hin zu Einschüchterung, Drohungen und Belästigungen reicht. Auch Gleichstellungsbeauftragte werden regelmäßig Ziel solcher Attacken. Bei der Wahl der Waffen sind Maskulinisten nicht wählerisch, im Prinzip ist ihnen jedes Mittel recht.

Soll man mit Männerrechtlern reden, statt nur über sie? Das Problem ist: Wo eine Ideologie dahinter steckt, ist es schwierig, sachlich zu diskutieren. Letztendlich sind antifeministische Männerrechtler nicht nur frauen-, sondern auch männerfeindlich. Und: Sie diskreditieren jene - Männer -, die in Form von Männerpolitik gesellschaftliche Geschlechternormen und Rollenerwartungen in Bezug auf Männer und Jungen kritisch hinterfragen und sich somit für eine geschlechtergerechtere Gesellschaft einsetzen. Aber die sind ja wahrscheinlich sowieso alle durch die Femokratie geistig gleichgeschaltet.

Demnächst auf cafébabel - Teil II: Wie Männer feministische Anliegen unterstützen können

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In unserem Projekt Mind The Gap dreht sich alles um Frauen- und Genderthemen. Wir wollen facettenreiche Geschichten aus ganz Europa erzählen und dem Austausch über Gleichberechtigung eine junge, europäische Perspektive hinzufügen.