Mann hinter Femen "droht jederzeit Gefängnis"
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Der 34-jährige Ukrainer Viktor Swjatski soll die feministische Gruppe Femen jahrelang mit eiserner Hand geführt haben, zeit die Doku der Australierin Kitty Green. Rechtsanwalt Jaroslaw Jatsenko, 26, vertritt in Kiew die Frauengruppe Femen und Viktor Swjatski. Interview
Herr Jatsenko, wieso lässt sich ihr Mandant Viktor Swjatski nicht in der Öffentlichkeit blicken?
Jaroslaw Jatsenko: Er macht sich Sorgen um seine Sicherheit. Viktor hatte Zugang zum Femen-Büro, wo die Polizei vor zwei Wochen eine Pistole und eine Handgranate gefunden hat. Jetzt will ihn die Justiz vernehmen. Er kann leicht beschuldigt werden, Waffen besessen zu haben.
Was würde ihm im Fall einer Verhaftung drohen?
JJ: Er würde in Untersuchungshaft kommen, und die kann in der Ukraine mehrere Jahre dauern.
Stimmt es, dass Viktor Swjatski der heimliche Leiter von Femen war?
JJ: Dazu darf ich nichts sagen. Ich habe meinem Mandaten geraten, sich überhaupt nicht zu seiner Rolle bei Femen zu äußern. Denn alles, was er sagt, kann im Zuge der Waffen-Ermittlungen gegen ihn ausgelegt werden.
Wird Swjatski denn polizeilich gesucht?
JJ: Nein, bislang nicht. Die Polizei interessiert sich aber sehr dafür, wo er sich zurzeit befindet. Er könnte als Zeuge vorgeladen und nach der Vernehmung sofort verhaftet werden. Femen sagt, die Waffen seien in ihren Räumen deponiert worden.
Wer hat ein Interesse daran, Femen in der Ukraine auszuschalten?
JJ: Vermutlich versuchen staatliche Stellen, Femen zu unterdrücken. Die ganze Hausdurchsuchung war eine Farce. Eine unbekannte Frau rief die Polizei an und behauptete, im Femen-Büro befände sich Sprengstoff. Die Polizei hatte jedoch nur die Räume von Femen durchsucht und nicht das ganze Haus evakuiert, wie es eigentlich üblich wäre. Fünf Minuten lang hatte die Polizei die Aktivistinnen Anna, Jana und Alexandra ausgesperrt. Ich glaube, dass die Waffen in genau dieser Zeit platziert wurden.
Ist das ein übliches Vorgehen der Justiz, unbequeme Personen los zu werden?
JJ: Nach einem ähnlichen Schema war die Justiz Anfang 2004 gegen die Bürgerrechtsbewegung „Pora“ vorgegangen. Auch in deren Räumen fand man damals Waffen. Danach verlor die Organisation in der Ukraine völlig an Bedeutung.
Die Femen-Aktivisten Anna Hutsol und Viktor Swjatski wurden mehrmals verprügelt. Wer steckt hinter den Attacken?
JJ: Bisher hat die Polizei die Täter nicht gefunden. Viktor wurde im Juli vor dem Femen-Büro brutal zusammengeschlagen und Anna Hutsol an einem Tag sogar zwei Mal verprügelt. Ich glaube, die Angriffe standen im Zusammenhang mit dem Besuch des russischen Patriarchen Kyrill in Kiew Ende Juli.
Femen vermutet den russischen oder ukrainischen Geheimdienst hinter den Angriffen.
JJ: Femen wurde zumindest observiert. In der Ukraine sammelt der Geheimdienst über jede Bürgerbewegung Informationen.
Vor zwei Wochen flohen die Aktivistinnen Anna Hutsol, Jana Schdanowa und Alexandra Schewtschenko aus der Ukraine. Sehen Sie Parallelen zum Fall der inhaftierten Julia Timoschenko oder dem Ex-Innenminister Juri Lutsenko, der knapp drei Jahre im Gefängnis saß?
JJ: Durchaus. Die Frauen sind im letzten Moment geflohen, ihnen drohte das gleiche Schicksal wie Timoschenko. Beim Verhör auf der Polizeiwache vor zwei Wochen standen sie kurz vor der Verhaftung. Jetzt sagt die Miliz, sie könnten zurückkommen und ihnen würde nichts geschehen. Das ist scheinheilig. Anna, Jana und Alexandra werden in einem Land der Europäischen Union Asyl beantragen. Darüber ist der Untersuchungsrichter natürlich erbost.
Will Viktor Swjatski das Land ebenfalls verlassen?
JJ: Viktor wird derzeit nicht von der Polizei gesucht, deshalb hat er keinen Grund dazu. Ich habe ihm empfohlen, von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch zu machen. Denn in der
Ukraine kann aus einem Zeugen schnell ein Beschuldigter werden. Ihm droht jederzeit Gefängnis.
Der Autor dieses Artikels, André Eichhofer, ist n-ost-Korrespondent für das Osteuropamagazin ostpol.