Manislam: Kann es einen geschlechtsneutralen Islam Geben?
Published on
Translation by:
Nina(Meinung) In Manislam wirft die türkisch-norwegische Regisseurin Nefise Özkal Lorentzen einen genaueren Blick darauf, was es bedeutet, ein Mann und gleichzeitig ein Moslem zu sein. Ein interessanter Film über eine heikle und aktuelle Frage.
In islamischen Ländern haben Frauen und Homosexuelle oft eingeschränkte Freiheiten und zusätzliche Beschwernisse im Leben. Männer tendieren dazu, die Freiheit anderer zu beschränken und sie zum „leiden" zu bringen. Ein möglicher Grund dafür ist, dass in islamischen Ländern ein patriarchalisches System stark verbreitet ist; anders als Mädchen sollen Jungs stark, dominant, heißgeliebt und Entscheidungsträger sein - nur weil sie Männer sind.
Sind nun aber Männer in islamischen Ländern wirklich glücklich? Wie ertragen sie diese Bürde, wie schaffen sie es allen Ansprüchen gerecht zu werden? Welche Grundwerte werden bei der Interpretation des heiligen Buchs berücksichtigt? Nefise Özkal Lorentzen sucht in der letzten Filmepisode ihrer Trilogie über den Islam Antworten auf diese Fragen.
In ihrem ersten Film Gender Me (2008) stießen wir auf zwei Männer, die sowohl homosexuell als auch Moslems sein wollten. In der zweiten Episode, A Baloon for Allah (2011) erzählte sie, wieso Frauen im Islam unglücklich seien. In der letzten Episode Manislam (2014) sind die Männer im Islam die Protagonisten. Die Musik der Dokumentation wurde vom bekannten türkischen Sufi-Flötisten Mercan Dede komponiert. Der Film wurde vom Norwegischen Rundfunk (NRK) finanziert. Er ist das Resultat einer dreijährigen Arbeit. In Manislam stellt uns Özkal Lorentzen vier muslimische Männer aus Indonesien, Kuwait, Bangladesch und der Türkei vor, welche die Notwendigkeit für ein neues Verständnis des Islams in der Welt sehen, das Leben anders sehen als ihre Glaubensgenossen und es wagen, Fragen zu stellen.
Dieser Dokumentarfilm ist eine kurze Geschichte darüber, wie die Männer den Islam sehen, welchen Konflikten sie begegnen während sie versuchen, die dominante Kultur in ihren Ländern zu verändern. Laut der Filmregisseurin streben diese vier Männer, die versuchen, einen demokratischen und vereinten Islam zu schaffen, nach Freiheit. Nefise Özkal Lorentzens Filme sind werden durch Animationen und märchenhafte Erzählungen angereichert. Ebenso besonders an ihr ist, dass sie in den Filmen als Mutter und Frau auftritt, während sie zugleich Regisseurin ist.
Die Männer hinter der Maske
Özkal Lorentzen lässt uns in Manislam mit den Männern sympathisieren und ihren Schmerz mitfühlen. Ihr Charaktere teilen mit uns sehr persönliche Erinnerungen. İhsan Eliaçik ist unter den Anhängern des Gezi-Aufstandes in der Türkei wohlbekannt. Er leitet eine Aktivistengruppe in der Türkei, die sich Anti-Kapitalistische Muslime nennt. Der Regisseurin verbindet mit ihm die Hoffnung, dass sich der echte Islam von fundamentalistischen Strömungen in der Türkei abgrenzen kann. Eliaçik ist ein muslimischer Theologe und denkt, dass Religion im alltäglichen Leben verankert sein sollte, und macht auf Ungerechtigkeit wie Hunger oder Umweltprobleme aufmerksam. Seiner Aussage nach seien die Probleme mit der Männlichkeit nicht im Islam selber verwurzelt, sondern falsche Interpretationen und das dominante patriarchalische System drängten die Männer zu Gier nach Macht und Besitz.
Der Bangladescher Imtiaz Pavel erfand ein Rätsel-Brettspiel, das er mit Dorfkindern spielt, damit sie schon in jungen Jahren wissen, dass Männer und Frauen gleichgestellt sind. In den muslimischen Dörfern, die Pavel besucht hat, spielen Mädchen in kurzen Hosen Fußball, während die Jungen sie anfeuern. Naif Al-Mutawa ist Psychologe aus Kuwait und der Schöpfer von The 99, dem ersten Superhelden-Comic in der islamischen Welt. Seine Geschichten stellen die Abenteuer von 99 Superhelden, von denen jeder einer der 99 Namen Allahs trägt, dar. Er glaubt an die Macht des Erzählens und hat bemerkt, dass es in der islamischen Welt keinen Superhelden, wie Superman oder Batman in der westlichen Welt, gab.
Syaldi Sehude und vier andere junge Männer kleideten sich in Miniröcke, zogen den Straßen von Jakarta entlang und skandierten Parolen gegen Vergewaltigungen. Dieser kleine Anlass hatte landesweite Wirkung und wurde zur Schlagzeile in der Jakarta Post. Diese Männer glauben, dass sich zuerst Männer befreien müssten, damit sich Frauen emanzipieren könnten. Sie sollten ebenso emotional sein und weinen können wie Frauen.
Ist es zeit für eine islamische Revolution?
Neben dem Aufzeigen männlicher Beschwerden entblößt Nefise Özkal Lorentzens Film ebenfalls eine wichtige Tatsache, die in der heutigen Welt berücksichtigt werden sollte: Menschen aus muslimischen Ländern werden nach der vorherrschenden Religion, aber nicht nach ihren individuellen Persönlichkeiten oder Fähigkeiten beurteilt. Der schlechte Ruf des Islams führt zu Vorurteilen und Diskriminierung. Das Christentum unterlag im 16. Jahrhundert der Renaissance. Diese Reformation der Religion begründete eine neue Ära in der Geschichte. Der Islam erlebte bislang keine Reform. Al-Mutawa, Eliaçık, Pavel und Sehude könnten als Pioniere einer islamischen Reform angesehen werden. Manislam zeigt uns, dass diese Reform dringend Unterstützung braucht. Die Trilogie des Islams von Lorentzen sollte in allen Ländern gezeigt werden, damit die Menschen realisieren, dass der Islam, den wir heute erleben, nicht die richtige Auslegung ist. Zudem kann die Stereotypisierung von Muslimen keine aktuellen Weltprobleme lösen und eine islamische Reform sollte von wahren Muslimen in die Hand genommen werden.
Translated from Manislam: Is an Ungendered Islam Possible?