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Love Steaks: Junges Blut im deutschen Kino

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Berlin

Schnitzel, Blut und Hautspeckfalten: Wer sich zu "Love Steaks" (2013), dem zweiten Langfilm von Regisseur Jakob Lass, ins Kino traut, den wird es kaum im Sessel halten. Vorbei die Zeiten, in denen deutsche Nachwuchsfilmemacher durch depressives Munkeln und tiefschürfende Nabelschau auffielen: "Love Steaks" ist ein blutig-komisch-grandioses Fest.  

„Du schwitzt. Biss­chen eklig, aber okay.“ Lara mur­melt noch schnell etwas über „ge­schlos­se­ne Räume“, bevor sie durch die Auf­zu­g­tür ver­schwin­det und Cle­mens sich selbst über­lässt. Kann man sich einen un­ero­ti­sche­ren Auf­takt zu einer abend­fül­len­den Lie­bes­ge­schich­te vor­stel­len? Auch die Fort­set­zung der blu­tig-ro­man­ti­schen Ver­wick­lun­gen zwi­schen Lara (Lana Co­oper) und Cle­mens (Franz Ro­gow­ski), die Love Steaks (2013) in drän­gen­den, ja teil­wei­se bru­ta­len Bil­dern er­zählt, ist un­ge­schlif­fen, frei von Kli­schees und voll kra­chen­der Si­tua­ti­ons­ko­mik. Beide sind in einem Lu­xus­ho­tel an der Ost­see ge­stran­det – Lara als Aus­zu­bil­den­de in der ber­ge­wei­se Fleisch ver­ar­bei­ten­den Küche und Cle­mens als Mas­seur im röll­chen­wei­se Fleisch trak­tie­ren­den Fünf-Ster­ne-Spa. Wäh­rend Lara mit den Kü­chen­jun­gen schä­kert und sich be­trinkt, muss Cle­mens sich mit Wä­sche­wa­gen her­um­pla­gen und un­mo­ra­li­sche An­ge­bo­te al­tern­der Kun­din­nen aus­schla­gen.

Der of­fi­zi­el­le deut­sche Ki­no­trai­ler von Love Steaks (2013) des Re­gis­seurs Jakob Lass. 

Raue Bil­der statt Weich­spü­ler­ef­fekt

Wie sich die bei­den – ent­ge­gen aller Er­war­tun­gen – näher kom­men, er­zählt Love Steaks in wild emo­tio­na­len Szenen, die rein gar nichts mit den durch­schnitt­li­chen Dreh­bü­chern und weich­ge­spül­ten Bil­dern der deutschen Main­stream-Ki­no­land­schaft zu tun haben: „Es gibt zu viele glat­te Filme, denen die Tech­nik wich­ti­ger ist als die Ge­schich­te. Wir woll­ten aber, dass Love Steaks eine ge­wis­se Rau­heit hat. Schö­ne Bil­der waren da nicht so wich­tig“, er­klärt Jakob Lass, der an einem son­ni­gen Ber­li­ner Früh­lings­nach­mit­tag mit seiner Cutterin Gesa Jäger ei­nen Kaf­fee im Neu­köll­ner k-fe­tisch trinkt. Also kein künst­li­ches Licht, keine Maske und fast kein Dreh­buch. Was auf An­hieb nach zu viel Ar­thouse für das deut­sche Ki­no­pu­bli­kum klin­gen mag, hat un­er­war­tet viel Er­folg: Love Steaks hat nicht nur den För­der­preis Neues Deut­sches Kino 2013 in allen vier Ka­te­go­ri­en und den Max Op­hüls Preis 2014 ab­ge­staubt, son­dern war auch bei der dies­jäh­ri­gen Ber­li­na­le in der Reihe Per­pek­ti­ve Deut­sches Kino dabei und ist für den Deut­schen Film­preis no­mi­niert.

Nach sei­nem ers­ten Lang­film Fron­tal­wat­te (2011) woll­te Jakob mit Love Steaks etwas ra­di­kal Neues ver­su­chen: „Am An­fang stan­den ‚die fet­ten Drei‘ - Pro­du­zen­tin Ines Schil­ler, Ka­me­ra­mann Timon Schäp­pi und ich. Aus un­se­ren Ge­sprä­chen ist das FOG­MA-Regelwerk ent­stan­den, das für eine neue Art, Filme zu ma­chen, steht.“ FOGMA, das sich an die dä­ni­sche Dog­ma-Be­we­gung an­lehnt, for­mu­liert unter dem Motto „Re­geln sind Frei­heit“ 12 Prä­mis­sen, die von „FOGMA ist Mut zum Ri­si­ko“ bis zu „FOGMA ak­zep­tiert keine Net­tig­keit aus so­zia­ler Faul­heit“ rei­chen. Es geht um un­ver­brauch­te Ideen, Team­ar­beit, den Bruch mit Ki­no­kon­ven­tio­nen und einen neuen fil­mi­schen Flow. Dazu ge­hört auch, dass Love Steaks als Im­pro­film fast ohne Dreh­buch aus­kommt: „Kein ein­zi­ges Dia­log­wort war ge­schrie­ben. Im Dreh­buch geht es vor allem um die Be­zie­hung zwi­schen Lara und Cle­mens in fünf Pha­sen und 18 Sze­nen, die so etwas wie das Ske­lett bil­den“, er­klärt Jakob zum Sound von Kaf­fee­ma­schi­nen und leise du­deln­dem In­die­rock.

FOGMA ist Mut zum Ri­si­ko

Um die­ses fleisch­lo­se „Dreh­buchske­lett“ herum haben Franz Ro­gow­ski, Lana Co­oper und die An­ge­stell­ten des Lu­xus­ho­tels, die alle keine pro­fes­sio­nel­len Schau­spie­ler sind, ihre Sze­nen zwi­schen Wä­sche­wa­gen, Pool und Kü­chen­zei­le ent­wi­ckelt: „Franz ist Tän­zer ohne große Schau­spiel­erfah­rung und Lana hatte sich als Re­gie­as­sis­ten­tin bei mir be­wor­ben“, er­zählt Jakob. Wenn die bei­den sich im Kel­ler des Ho­tels zwi­schen Müll­sä­cken tref­fen oder am grau­en nord­deut­schen Strand her­um­tol­len, kann das so­wohl fet­zig als auch an­rüh­rend sein. Muss ein Film bei sol­chen Haupt­dar­stel­lern nicht glü­cken? Jakob ver­neint: „Die Angst, dass es in die Hose geht, hat man bei jedem Film. Auch wenn Love Steaks ein Im­pro­film ist, war es un­glaub­lich wich­tig zu wis­sen, was am Ende pas­siert. Wenn man diese Si­cher­heit nicht hat, dann killt man sich am Set!“ Nach­dem alle Sze­nen ab­ge­dreht waren, hat Gesa sie – ohne das Dreh­buch zu ken­nen und nur dem Flow der Ge­schich­te fol­gend – zu­sam­men­ge­schnit­ten: „Ich woll­te das Ma­te­ri­al un­vor­ein­ge­nom­men sehen und ent­de­cken, was da für eine Ge­schich­te drin­steckt“, er­zählt sie zwi­schen zwei Schlu­cken Kaf­fee. „Des­we­gen haben wir zu­erst die grobe Ge­schich­te ge­baut, die wir dann mit Ein­zel­sze­nen un­ter­füt­tert haben.“

Lara ze­le­briert ihre Wild­heit auch im kulinarischen Bereich (Out­ta­ke von Love Steaks). 

Damit am Ende die­ses Pro­zes­ses kei­ner auf dem Zahn­fleisch geht, schreibt das FOG­MA-Regelwerk auch fla­che Hier­ar­chi­en und „Sport­pflicht am Set“ vor. Denn man macht nicht nur dann gute Filme, wenn man wo­chen­lang nichts isst und sich mit Dro­gen voll­pumpt, son­dern auch wenn man Was­ser trinkt und Sport treibt, ist Jakob über­zeugt. Kunst kommt also nicht immer von Kol­laps? „Ich bin der fes­ten Über­zeu­gung, dass man die beste Ar­beit leis­tet, wenn es einem gut geht und man sich nicht 14 Stun­den am Tag ka­putt macht,“ meint Gesa und hat mit zwei Prei­sen, die sie im April beim New Yor­ker First Time Fest ge­won­nen hat, auch ziem­lich gute Ar­gu­men­te für ihre These in der Ta­sche. Weil Lara in Love Steaks wegen ihres hohen Al­ko­hol­kon­sums der kör­per­lich-geis­ti­ge Kol­laps droht, muss Cle­mens die Not­brem­se zie­hen – und setzt da­durch nicht nur ihren All­tag zwi­schen Hack­brett und Mas­sa­ge­tisch, son­dern auch ihre wilde Be­zie­hung aufs Spiel.

FOGMA ist fast wie Fa­mi­lie

Ob Cle­mens und Lara sich am blu­ti­gen Ende wirk­lich fin­den, muss sich jeder selbst im Kino an­se­hen. Das Film­team um Jakob und Gesa peilt aber schon jetzt eine Lang­zeit­be­zie­hung an: „Es ist schön, dass wir uns als Men­schen ge­fun­den haben und da wol­len wir auf jeden Fall zu­sam­men blei­ben“, meint Jakob. „Das nächs­te Pro­jekt soll auch wie­der ein FOG­MA-Film wer­den, al­ler­dings in einem neuen For­mat.“ Denn FOGMA hat den An­spruch, zu einer ernst­zu­neh­men­den Be­we­gung im jun­gen deut­schen Kino zu wer­den: „Wir wol­len keine Tris­tesse wie bei der Ber­li­ner Schu­le, son­dern eher eine Ge­gen­be­we­gung sein“, er­klärt Jakob, wäh­rend er seine Kaf­fee­tas­se leert. „Es gibt na­tür­lich sehr gute und wert­vol­le Filme in die­ser Schub­la­de, aber auch sol­che, die ein­fach nur de­pri­mie­rend sind, ohne mir was zu sagen.“ Wer sich Love Steaks im Kino an­sieht, dem wird das nun ganz si­cher nicht pas­sie­ren. Viel grö­ßer ist die Wahr­schein­lich­keit, dass er aus dem Ses­sel springt und die ganze Nacht durch­t­anzt – oder sei­nem Liebs­ten in die Lippe beißt.