Lokale Austauschsysteme erobern Europa: eine Reaktion der Bürger angesichts der Krise
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Von Lena Simon Übersetzt von Sebastian Seiffert Der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise kann niemand mehr aus dem Weg gehen. Manch einer bekommt schon Ausschlag durch ihre ständige Erwähnung und die damit einhergehenden pessimistischen Szenarien. Alles was man sich wünscht, wäre, nichts mehr davon zu hören. Und um nicht mehr davon reden zu hören, was liegt näher, als zur Tat zu schreiten?
Wie sagt es Francis Blanche so treffend: „In einer Welt im Umbruch ist es klüger, die Veränderung zu denken, als den Verband zu wechseln“. Von unseren von Finanzmarktlobbyisten an der kurzen Leine geführten Politikern ist jedenfalls kaum zu erwarten, dass sie das Wirtschaftssystem nachhaltig umkrempeln.
Hoffnungsschimmer im grauen Einerlei
Hier folgen Ideen von Menschen, die neue Lösungen suchen und finden. Eine kleine, aber wachsende Gruppe von Bürgern hat sich zusammengeschlossen, um den oft verloren gegangenen Kontakt zu den direkten Nachbarn, zur Gemeinde wiederherzustellen. Kleine Gruppen an verschiedenen Orten in ganz Europa haben in ihrer Mitte lokale Austauschsysteme errichtet (oder im Englischen: Local Exchange Trading System). Diese Austauschsysteme funktionieren so: Dienstleistungen und Güter werden in einer örtlichen Gemeinschaft gegen eine Ersatzwährung gehandelt. Im Gegensatz zum Euro unterliegt diese weder der Inflation noch Zinsen. Anders als beim traditionellen Tauschhandel ist der Austausch nicht sofort wirksam und nicht zwangsläufig gegenseitig. So kann Bart Robert einen Dienst erweisen, der seinerseits zu einem späteren Zeitpunkt Lisa hilft, und diese bietet ihre Dienste wieder anderen Personen an…
Dieses System hat eine Reihe von Vorteilen. Die getauschten Dienste sind sehr vielfältig: Gartenarbeit, Sprach- und Tanzkurse, Buchhaltung, Kochen, Babysitting, Mitfahrgelegenheiten, Umzüge, Unterhaltung… Es beruht auch statt auf Konkurrenz auf Zusammenarbeit und erneuert so das soziale Gefüge.
Gegenseitige Hilfe unter Nachbarn
Es geht dabei nicht darum, das gängige Wirtschaftssystem oder etwa den Euro zu ersetzen, sondern eine Ergänzung anzubieten, die besser mit den Bedürfnissen von Menschen harmoniert. Wie können also die Tauschsysteme zur Antwort auf die heutige Krise beitragen? Diese Frage stellte ich Bernard Simon, dem Gründer des Tauschsystems Coup de Pouce in der belgischen Region Wallonisch-Brabant.
“Tauschsysteme zeigen uns, wie man auch ohne den herkömmlichen Blick auf das Wirtschaften auskommt. Jeder hat darin seinen Wert, ist abwechselnd Produzent und Konsument, und alle Transaktionen und Konten sind innerhalb der Gruppe frei einsehbar. Es handelt sich wirklich um ein System im Dienst des Menschen, es stärkt den sozialen Zusammenhang und die Solidarität. Die Gruppe steuert und kontrolliert das System gemeinsam. Alle Fähigkeiten haben denselben Stellenwert, man muss nicht reich an Geld oder Diplomen sein. Inflation oder Spekulation gib es nicht. Es handelt sich um ein Wirtschaftssystem im Kleinen, „nichtprofessionellen“ Rahmen (200 bis 300 Teilnehmer). Sein Anspruch bleibt derzeit beschränkt, was das Austauschvolumen angeht, aber es ist ein Labor für pfiffige Lösungen. Was wir darin lernen, kann uns und unseren Kindern nützlich sein, wenn Geld und finanzielle Mittel bei uns knapp werden.“