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Lettland: Vintage trifft Green Business

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Story by

Ruth Karner

Gesellschaft

Gebrauchte Kleidung gibt es im Baltikum an jeder Straßenecke zu kaufen. Was für die meisten  nur ein Weg ist, ihren Geldbeutel zu schonen, bekommt von der lettischen Initiative "Otrā Elpa" einen neuen Anstoß: Mit dem Verkauf von Second Hand-Ware möchten die Gründer ihre Vision von einem nachhaltigeren Lebenswandel in ihrem Land befördern.

„Es ist echt harte Arbeit, auch wenn die Kunden das zuerst vielleicht nicht sehen”, erklärt Asnāte Borisova. Die 29-jährige hat eine Menge ihres Herzbluts in das Geschäft Otrā Elpa in Liepāja [die die drittgrößte Stadt Lettlands, A.d.R.]. Vor 2 Jahren wurde dieser Laden als Ableger eines ersten Standpunktes in Riga eröffnet, denn dort lief das Geschäft gut. In Liepāja konnte davon zunächst nicht die Rede sein: „Am Anfang war es schwer, ohne die Unterstützung durch Riga hätte es wohl nicht funktioniert. Doch nun kennen die Menschen den Laden hier und sie mögen ihn. Jetzt ist es besser.“

Otrā Elpa, Green Business auf Lettisch

Otrā Elpa ist etwas Einzigartiges in Lettland. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Charity-Shop, der gespendete Kleidung und Gebrauchsgegenstände verkauft. Der Erlös wird an wohltätige Zwecke gespendet. Dieses Konzept kann am besten mit dem Logo des Ladens, drei miteinander verbundenen spiralförmigen Kreisen vor grünem Hintergrund, erklärt werden. „Sie stehen für unsere grundlegenden Werte: Umweltschutz, Nächstenliebe und soziale Verantwortung“, erklärt AsnāteOtrā Elpa ist ein „Green Business“: es ist in allen Geschäftsentscheidungen dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet und möchte einen bewussteren Lebensstil fördern.

Diesem selbstauferlegten Bildungsauftrag kommt es nicht nur durch den Verkauf von gebrauchter Kleidung und Fairtrade-Produkten nach: Regelmäßig werden in den Läden Veranstaltungen organisiert, die den Menschen diese Grundlagen vermitteln sollen. Das können Konzerte sein, Gesprächsabende oder auch Workshops. Asnāte erzählt, dass sie neulich einen Batik-Workshop geleitet hat: „Batik nicht nur, weil es Spaß macht, sondern auch, weil man aus Altem etwas Neues machen kann.“ In diesem Sinne kann auch der Name des Geschäfts interpretiert werden: Otrā Elpa bedeutet in etwa „der zweite Atem“. Altes soll wieder verwendet und nicht einfach weggeschmissen werden - den Gegenständen wird hier quasi ein zweites Leben geschenkt.  „Natürlich ist es viel einfacher, billige Kleidung neu zu kaufen. Viele Leute machen sich beim Einkaufen keine Gedanken. Aber wenn man dann einmal darüber nachdenkt, wo die Sachen eigentlich herkommen, wer sie produziert hat und wie es sein kann, dass sie so billig sind, versteht man, dass das eigentlich total verrückt ist.“

„Wer nur wegen billiger Kleidung kommt, ist hier falsch“

„Wir wollen, dass die Leute verstehen, dass sie nicht alles neu kaufen müssen.”, sagt Asnāte. Nicht, dass das in Lettland nicht schon längst so wäre. Doch die Second Hand-Shops, die dort einen beachtlichen Teil des Kleidungsmarktes bedienen, verkaufen meist billige Ware, mit der man in reicheren Ländern nichts mehr anzufangen wusste. „Uns geht es nicht darum, günstige Kleidung zu verkaufen, sondern darum, nachhaltigen Konsum zu fördern“, stellt Asnāte klar. Teuer ist die Kleidung bei Otrā Elpa zwar trotzdem nicht, jedoch wird auf ein gewisses Mindestmaß an Qualität geachtet. „Manche Sachen kommen gleich weg, die können wir einfach nicht mehr verkaufen. Wer nur wegen billiger Kleidung kommt, ist hier falsch“, fügt sie hinzu.

Der Erlös des Ganzen deckt zum einen Miete und Gehälter, der weitaus größere Teil jedoch kommt wohltätigen Zwecken zugute. Gemeinsam mit den Kunden wählt der Laden eine Initiative aus, die sich um die Spende beworben hat, zum Beispiel Sommercamps oder Sportaktivitäten für Kinder aus sozial schwachen Familien. Dass diese Möglichkeit der Spendenfinanzierung besteht, scheinen in Liepāja jedoch noch nicht allzu viele Menschen mitbekommen zu haben: „Wir haben leider relativ wenige Bewerbungen und würden uns wünschen, dass mehr Leute darauf aufmerksam werden.“ Daneben unterstützt der Laden soziale Initiativen und viele Einrichtungen im Landkreis auch durch Sachspenden. Im Gegensatz zu kirchlichen Charity-Shops, von denen es in Lettland einige gibt, kann jeder von der Unterstützung durch Otrā Elpa profitieren.

Charity-Shops, Erfolgsrezept aus England

Die Idee für Otrā Elpa kam seiner Gründerin Elīna Žagare im Jahr 2009, als diese auf einer Reise nach England von den vielen Charity-Shops der Insel fasziniert war. Weil es eine solche Wohltätigkeitskultur in Lettland bis dahin noch nicht gab, fasste Žagare den Entschluss, die Idee mit nach Hause zu nehmen. Sie gründete die Non-Profit-Organisation Ideju Partneri (Ideen Partner). Innerhalb von 4 Monaten wurde das erste Geschäft in Riga eröffnet. Die zentrale Lage des Ladens, die für die schnelle Steigerung seiner Beliebtheit sehr wichtig war, wurde vor allem durch das Entgegenkommen der Stadt ermöglicht, die die Ladenfläche im ansonsten eher teuren Viertel Berga Bazārs für eine sehr geringe Miete zur Verfügung stellte. Dann folgte der Shop in Liepāja. Heute beschäftigen beide Läden zusammen 10 Angestellte. Ohne die Hilfe einiger Freiwilliger kommen sie dennoch nicht aus. Das weiß auch Asnāte: „Die Freiwilligen sind sehr wichtig für unsere Arbeit – ohne sie wäre es einfach zu viel.“

Asnāte, die sich schon vor ihrer Zeit bei Otrā Elpa beruflich für Umweltschutz stark gemacht hatte, ist zufrieden mit ihrem Job. „Es ist anstrengend, gleichzeitig aber auch inspirierend, erfüllend und soweit der beste Job, den ich je hatte.“ Und in der Tat scheint es gut zu laufen für Otrā Elpa: Am 10. Juli wurde in Riga eine dritte Filiale eröffnet. Darüber hinaus wird der Laden im selben Monat bei den größten Musikfestivals des Landes, dem Summersound in Liepāja und dem Positivus-Festival bei Salacgrīva, vertreten sein. Asnāte freut sich: „Wenn etwas gut läuft, dann soll es so sein. Mit Otrā Elpa ist es wohl so.“

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