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Leihst Du mir was? Noba.hu und die Schwierigkeiten des P2P-Systems in Ungarn

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Barbara Canton

Politik

Peer-to-Peer-Plattformen im Internet, auch Social Lending Platform oder kurz P2P genannt, haben sich seit ihrer Entstehung 2005 weltweit zu einer Alternative zum konventionellen Bankkredit entwickelt. Die ungarische Variante birgt jedoch Konfliktpotenzial.

Als Ungarn im Jahr 2004 der EU beitrat, hatte das Land nicht erwartet, dass es schon bald in einen schweren Finanzstrudel geraten würde. Doch im Oktober 2008 geschah genau das. Ausländische Investoren zogen sich zurück. Einfache ungarische Bürger bekamen Schwierigkeiten, im Anbetracht des Wertverlustes des Forint ihre ausländischen Kredite zurück zu zahlen. Es bedurfte einer 25 Milliarden Euro schweren Rettungsaktion des Internationalen Währungsfonds (IMF), um den wirtschaftlichen Zusammenbruch zu verhindern. In Budapest, einer Stadt durch die täglich knapp 60.000 Liter Thermalwasser fließen, fließt Geld für Privatpersonen und Banken noch immer spärlich. Die Möglichkeiten der meisten Ungarn, egal ob jung oder alt, sind begrenzt.

Weg mit den konventionellen Banken, her mit den Privatkreditgebern

Das hat manche nach Alternativen suchen lassen, die dem Model der 2005 gegründeten britischen P2P-Plattform Zopa (‘zone of possible agreement’) nachempfunden waren. 2009 führten Peter Petrovics und der Ex-Banker Charlie Szabo P2P-Kredite mit der Internetseite Noba.hu in Ungarn ein. Wir befinden uns in einem kleinen Büro im Erdgeschoss, das im Schatten der St.-Stephans-Basilika liegt. Peter erklärt das Grundkonzept kurz und präzise: „Noba ist keine Bank. Es ist ein Ort, an dem Leute, die Geld leihen wollen, sich direkt an Leute wenden, die Kredite anbieten. Als 'social lending platform' schließt Noba Banken vom Kreditgeschäft aus. Wer einen Kleinkredit benötigt, schickt seinen Antrag direkt online an eine für jeden offen stehende Gruppe von Kreditgebern.“

Die Idee ist, die Kosten für den Kreditnehmer im Vergleich zu Banken zu senken. „Kreditnehmer können eine Obergrenze für Zinsen eingeben, die sie zu zahlen bereit sind. Wenn der Kredit vom Kreditgeber bewilligt worden ist, können andere Anbieter ihn unterbieten, indem sie günstigere Zinsen anbieten. Kredite für Erstkreditnehmer sind auf 4.000 Euro begrenzt, die zweite Kreditaufnahme auf 12.000 Euro. Abgesehen von diesen Einschränkungen wird viel verhandelt.“

Von den rund 800 Nutzern, die bei Noba registriert sind, sind viele vermutlich nur an dem Konzept interessiert und wollen es näher kennen lernen. Andere wiederum sind skeptisch und beteiligen sich nie an einem Kreditgeschäft. Nur ein kleiner Teil der Benutzer leiht oder verleiht tatsächlich Geld. Die PR-Beraterin Eszter Pásztor ist eine begeisterte Befürworterin des P2P-Konzeptes und hat sehr von Noba profitiert. 2009 lieh sie 200.000 Ungarische Forint (758 Euro), um die erste Phase ihres Projektes Freskófalu zu finanzieren, mit dem sie dem Dorf Bodvalenke im Norden Ungarns aus seiner tiefen Armut helfen wollte. Mit dem zu 100% über Noba finanzierten Kredit konnte Eszter eine Website gestalten, um das Projekt in Gang zu bringen. „Es ist sehr menschlich und persönlich“, sagt sie und fügt hinzu: „Es hat das Potenzial, sich zu einem einflussreichen sozialen Medium zu entwicklen.“ Eszter glaubt, dass sich ein reales Hilfs- und Expertennetzwerk um die P2P-Gemeinde bilden wird.

Unter Anleitung des Malers János Horváth sollen Häuser hier mit Fresken bemalt werden, die Leben und Ängste ungarischer Zigeuner darstellen ©bodvalenke.eu

P2P Noba: der juristische Stolperstein

Wie Eszter sagt, gibt es jedoch ein Problem, das dem gesamten Projekt P2P ein Ende setzen könnte, „wenn nicht zwei Sätze im ungarischen Recht geändert werden.“ Sie bezieht sich auf einen Paragraphen im ungarischen Gesetz, der die Privatkreditvergabe ausschließlich Banken gestattet, ein Problem, das laut Peter in Großbritannien, den Niederlanden (Boober.ne) und in Deutschland (Smava.de) bereits erfolgreich gelöst worden ist. In Ungarn dürfen Privatpersonen nur einen einzigen Kredit pro Jahr vergeben. Ein zweiter Kredit wird bereits als gewerbliches Bankgeschäft angesehen. Das heißt, dass alle, die als P2P-Kreditgeber fungieren, ihr Geld nur zum Zinssatz von null Prozent verleihen dürfen, wenn sie nicht als Finanzinstitut registriert sind. Die meisten erfüllen diese Bedingung nicht. Wer sind also die Menschen, die auf Noba Geld verleihen, und warum tun sie es, wenn sie keinen Gewinn damit machen können und damit ihre gesamte Investition aufs Spiel setzen?

Die Antwort auf diese Frage erhalten wir während einer ausgedehnten mittäglichen Kaffeepause in einem Budapester Einkaufszentrum. Bandor Nagy, Kreditgeber auf Noba, ist Wirtschaftsberater und persönlicher Mentor. Er ist gut situiert und hat ein hohes soziales Veranwortungsbewusstsein. Er möchte etwas zurückgeben, und die P2P-Kreditvergabe auf Noba bietet ihm die Möglichkeit dazu. Das Risiko ist gering, genau wie die Chancen, mit seiner Investition einen nennenswerten Gewinn zu machen. Doch das scheint ihm egal zu sein. „Ich sehe jemanden, der eine gute Idee hat, und denke mir, da will ich dabei sein.“

Bisher hat Nagy vier Projekte auf Noba gefördert, darunter auch sein eigenes, das ungarischen Kindern ermöglichen soll, die aus Flandern stammende Sportart Korfball zu lernen. Wenn er P2P als unterhaltsames 'soziales Glücksspiel' bezeichnet, wird klar, dass Bandor P2P als eine amüsante und interaktive Möglichkeit ansieht, mit der Gesellschaft um ihn herum in Kontakt zu bleiben. „Man kann seine Augen nach Gelegenheiten und neuen Ideen offen halten.“

Die Zukunft ist ungewiss

Natürlich hat nicht jeder Ungar ein derart soziales Bewusstsein wie Bandor. Auch wenn die Noba-Community voll des Lobes ist, wäre es falsch zu glauben, dass Noba in Ungarn floriert. Die Gemeinschaft der Kreditnehmer- und Geber ist alles andere als konstant. Bandor erklärt, es gäbe momentan einen Mangel an wirklich interessanten Projekten. Offensichtlich kommt das System, das im Moment keine nennenswerten Profitmöglichkeiten bietet, bei den meisten Ungarn nicht gut an. Aber Peter Petrovics ist offensichtlich kein Typ, der so schnell das Handtuch wirft. „Dass die Leute Noba trotz dieses Pferdefußes angenommen haben, macht mir Mut,“ sagt er. „Es zeigt, dass hier etwas Wichtiges passiert.“ Das System, die Software und die Kontrollfunktionen haben sich ebenfalls schon bewährt, und Petrovics glaubt, dass das Konzept noch immer funktionieren kann. Leider liegt das allerdings nicht nur in seiner Hand. Die Zukunft der P2P-Kredite in Ungarn hängt von der ungarischen Einstellung zu privat vergebenen Krediten ab. Eine Einstellung, die in hohem Maße von nicht ganz unbedeutenden ungarischen Einrichtungen geprägt wird: den Banken.

Vielen Dank an das cafebabel.com Team in Budapest

Fotos: ©Noba.hu; ©bodvalenke.eu

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Translated from Social lending: Noba.hu and the problematic Hungarian 'peer to peer' system