"Legalisiert Drogen": Interview mit einem Polizeibeamten a.D.
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Barbara BraunTom Lloyd hat in seinen dreißig Jahren bei der Polizei aus nächster Nähe miterlebt, was Drogen anrichten können. Sein Urteil ist eindeutig: nicht die Drogen sind das Problem, sondern das Gesetz. Jetzt setzt er sich in Cambridge für die Legalisierung und Regulierung von Drogen ein.
Warum ist Tom Llyod so fest davon überzeugt, dass Drogen legalisiert werden sollten? Weil er schon zu Beginn seiner Polizeikarriere das Gefühl hatte, dass etwas schief lief. Er erzählt mir, wie Drogensüchtige „in einen Raum voller Matratzen geworfen wurden. „The Pit" (die Falle, Anm. der Red.) hieß dieser Ort. Sobald sie wieder auf den Beinen waren, wurden sie ohne weitere Hilfestellung oder Nachbehandlung vor die Tür gesetzt." Die meisten Drogensüchtigen hätten ernstzunehmende Traumata erlebt, meint Lloyd: „Irgendetwas ist im Leben dieser Menschen schief gegangen. Ihnen dafür die Schuld zu geben, ist ein völlig falscher Ansatz. Man sollte eher versuchen, ihnen aus der schwierigen Lebenslage zu helfen. Das wäre auch für die ganze Gesellschaft ein besserer Ansatzpunkt. Und diese Art von Intervention kostet wesentlich weniger."
Und was ist mit den Freizeitkonsumenten, die zur Entspannung Cannabis rauchen oder bei Parties Pillen nehmen? „Die meisten Drogenkonsumenten haben kein wirkliches Problem", erklärt Llyod, „wenn du allerdings tatsächlich ein Drogenproblem hast, ist eine Verhaftung und strafrechtliche Verfolgung genau das, was du nicht brauchst. Und wenn du kein Drogenproblem hast, ist eine Verhaftung und strafrechtliche Verfolgung auch genau das, was du nicht brauchst." Diese Aussage bringt es genau auf den Punkt. Warum sehen das nicht alle Menschen so? Llyod macht die Angstmacherei durch die Medien dafür verantwortlich. „Unsere emotionale Angst vor Drogen und dem, was sie anrichten, weckt bei uns ein völlig irrationales Verhalten."
Marihuana ist nur gold wert, weil es verboten ist.
Suchtmittelgesetze sollen die Menschen vor Drogen schützen. Llyod meint allerdings, dass die Realität anders aussieht: diese Gesetze setzen Menschen größeren Gefahren aus. Ein Drogenverbot bedeutet für den Staat keine Drogenkontrolle, sondern mindert die Kontrollmöglichkeiten. Menschen sterben nicht an Ecstasy, sondern an den von skrupellosen Verbrechern hinzugefügten, verschmutzten Substanzen.
Wir sprechen auch über die zunehmende Verbreitung der sogenannten„legal-highs", die in Großbritannien im Jahr 2012 für den Tod von 52 Menschen verantwortlich gemacht wurden. „Es ist wie beim Schneeballeffekt", sagt Llyod, „anstatt zu relativ harmlosen Drogen wie MDMA und Cannabis zu greifen, nehmen sie diese unbekannten, sehr gefährlichen Substanzen." Ich frage ihn, ob an jedem Drogentoten letztendlich die Regierung schuld sei? „Das ist vielleicht ein bisschen krass ausgedrückt. Die Frage ist, ob die über tausend Todesfälle, die direkt im Zusammenhang mit einer Überdosis an Heroin, Methadon oder anderen Drogen stehen, vermieden werden können? Die Antwort darauf ist: Ja! Jeder Einzelne davon."
Ein Argument wird Lloyd ständig entgegengehalten, nämlich dass die Legalisierung von Drogen mehr Menschen zum Konsum anstiften würde. Er weist dieses Argument zurück und spricht vom Beispiel Portugal, wo die Zahl der Drogenkosumenten zehn Jahre nach der Entkriminalisierung um die Hälfte gesunken ist. Llyod meint, dass das Argument des steigenden Kosums völlig am Thema vorbei geht. „Der Fokus sollte auf der Bekämpfung der „schlechten" Drogen und nicht auf der Marktbegrenzung liegen. In meinen Augen kann man einen illegalen Markt nicht nachhaltig bekämpfen, weil die Preise eben durch die Illegalität künstlich in die Höhe getrieben werden. Marihuana ist eigentlich Unkraut. Es ist nur deshalb Gold wert, weil es verboten ist." Als er ins grüne Cambridge gezogen ist - diese verträumte kleine Stadt mit tausend Türmchen - hat Llyod nicht damit gerechnet, mit dem Konsum von harten Drogen konfrontiert zu werden. Aber an einem einzigen Tag wurden sieben Crack-Dealer verhaftet. Der gewaltige finanzielle Anreiz, geschaffen durch den illegalen Markt, ist heute der Grund dafür, dass sich Drogenkonsum wie ein Lauffeuer verbreitet.
Die Brutalsten, korruptesten Gangs gedeihen
Die Polizei muss Resultate in Form von Zahlen bringen und verhaftet deshalb vorzugsweise harmlose, leicht zu schnappende kleine Drogendealer - die tief hängenden Früchtchen. Weiter oben wachsen die skrupellosen Dealer in aller Ruhe weit
er. Es ist eine Art Wirtschaftsdarwinismus, „wo das Gesetz die brutalsten, korruptesten und gefährlichsten Gangs gedeihen läßt." Harmlose Drogenkonsumenten sind oft die Opfer des Gesetzes. Llyod erzählt mir, wie Polizeibeamten kleine Cannabis-Pflanzen beschlagnahmen und ihre Besitzer verhaften, die oft nur freundliche Hippies sind. Die Pflanzen würden auf den Fensterbrettern der Polizeiwache gehegt und gegossen werden, bis sie blühen, um vor Gericht als Beweismittel zu dienen. Das Abschreckungsmittel Gericht schreckt niemanden wirklich ab. Es befleckt vielmehr das sonst oft tadellose Leben der harmlosen Kleinkonsumenten, schließt ihn aus dem Arbeitsmarkt aus und kann sie auf lange Sicht in echte Kriminalität treiben. Wenn man es richtig betrachtet, stellt die strafrechtliche Verfolgung von Drogenkonsumenten für Kleinkonsumenten eine größere Bedrohung dar, als die Drogen selbst.
„Die Regierung hat nicht den Drogen den Krieg erklärt, sondern der Bevölkerung", meint Lloyd. Anders als bei anderen Kriegen setzt die Regierung auf kostenaufwändige Zermürbung. Wer hart gegen Drogen vorgeht, hat gute Chancen bei den nächsten Wahlen. Der Krieg muss weitergehen. Eine Studie des Vereins Transform zeigt, dass der Kampf gegen Drogen dem britischen Staat jährlich 16.75 Mrd. £ kostet. Sollte darüber nachgedacht werden? Nicht in den Augen der Politiker. Die wehren sich seit über zehn Jahren gegen eine Kostenanalyse. LauffeuerLauffeueDer Mangel an Studien ist beabsichtigt", sagt mir Lloyd, „weil die Regierung mit diesen Studien zumindest aus finanzieller Sicht zugeben müsste, wie ineffizient die gegenwärtige Strafverfolgungspolitik ist." Sie sehen die im Drogenkrieg verpufften Milliarden als PR-Ausgaben, statt in sinnvolle Drogen-Projekt investiert zu werden.
„Diese Pleite der Verbotspolitik gilt für die ganze Welt", meint Lloyd voller Emotion, „Es ist eine Mißachtung der Menschenrechte." Aber Veränderungen sind möglich. Als Portugal, die Tschechische Republik, Uruguay, Colorado und Washington ihre Drogengesetze reformiert haben, ging eine Welle der Empörung und der Angst duch die Medien und Parlamente der Welt. „Es wird wieder passieren", sagt Lloyd, „Veränderungen sind auf dem Vormarsch, wir haben die Kraft dafür". „Der Drogenkrieg" - vor kurzem noch ein unantastbares Dogma, ist heute ein offenes Diskussionsthema.
Das Interview in voller Länge gibt es auf Englisch HIER zu lesen.
Translated from "Legalise Drugs": Interview with ex-police-chief constable Tom Lloyd