Kremena Budinova: Wie das Land, So die Roma
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NinaKremena Budinova ist eine bulgarische Journalistin mit Roma-Wurzeln und einer langen Karriere im Fernsehen, in den Printmedien und im Radio. Kremena wurde im Stadtviertel Fakulteta in Sofia geboren und verlor mit 14 Jahren ihr Augenlicht. Sie bewies allen, auch ihr selber, dass es für eine blinde Person, die wegen ihrer Ethnizität stereotypisiert wird, möglich ist, FernsehreporterIn zu werden.
„Es gibt kein Ghetto in Bulgarien, das ich nicht besucht habe", sagt Kremena Budinova, nachdem sie mich in ihrem Haus herzlich begrüßt und in den großzügigen Garten geführt hat. Kremena und ihr Sohn haben das neue Zuhause, welches an dem einen Ende des Fakulteta-Viertels in Sofia liegt, selber gebaut und eingerichtet.
„Meine Mama hat das gemacht", sagt der 13-jährige Ognyan Budinov, als er auf das Mauerwerk, das aus symmetrisch angeordneten, runden Steinen gebaut wurde, zeigt. Das ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass diese Frau sehbehindert ist. Vor einiger Zeit kam Arte nach Bulgarien, um einen Film über Kremena zu drehen und den Hausbau zu dokumentieren.
Kremena mag keine Stereotypen und bekämpft sie heftig. „Definitionen sind illusorisch, ich persönlich habe keine Definition für mich selber", sagt sie, wenn sie darüber gefragt wird, wie sie sich selber definiere. „Ich berichte seit 17 Jahren über dieses Thema. Davor arbeitete ich als Publizistin über verschiedenste Themen, aber unglücklicherweise werde ich als 'Roma-Journalistin' anstatt 'Journalistin' bezeichnet. Dies steckt mich in eine Schublade."
Fakulteta
„Wie das Land, so die Roma", hebt Kremena hervor, wenn sie heikle Themen wie den Mangel an Bildung und Arbeit anspricht. Sie erzählt mir, dass sich in Fakulteta seit Jahren nichts geändert habe und wie die beachtlichen Geldbeträge, die von den EU-Institutionen bereitgestellt wurden, verschwunden seien. Kremena richtet ihre Kritik sowohl an die Roma, als auch an die staatliche Politik. Die Menschen in der Nachbarschaft wissen auswendig, wie viel jede einzelne politische Partei ihnen bezahlt, damit sie bei Wahlen für sie stimmen.
Inmitten unseres Gesprächs schmettert laute Musik von einem Tonband. Kremena und ich tauschen Blicke aus (ich habe realisiert, dass das auch mit einer sehbehinderten Person geschehen kann). Unweit von dem Haus steht ein mehrstöckiges, weißes Gebäude, aus dem Musikwellen jeden Abend die benachbarten Wellblechhütten überfluten. Ein Junge aus der Nachbarschaft erklärt: „Das ist ein Restaurant, manchmal eine Disko", und alles drinnen „dort ist aus Gold gemacht". Fakulteta, mit einer Bevölkerung von 45.000 Menschen, ist ein Viertel voller Kontraste.
Falsche Stereotypen
Das Haus hat einen großzügigen Garten mit Rosenbüschen und blühenden Bäumen. Kremena sagt, dass die Roma üblicherweise keine Gärten um ihre Häuser mögen, sondern es bevorzugten, wenn die Hinterhöfe zementiert seien, was sozio-kulturell als Zeichen für Sauberkeit anerkannt sei. Wenn sie über die zumeist falschen Stereotypen über die Roma-Gemeinschaft gefragt wird, beginnt sie aufzuzählen. „Kinder: die Leute glauben, dass Roma nur wegen der Sozialhilfe Kinder bekommen. Nun, das stimmt nicht. Wie sollen sie sich mit diesen 35 BGN (Bulgarische Lev - Anm. der Redaktion) ernähren? Die Roma lieben es, wenn ihr Haus voller Kinder, voller Freude ist, das ist in ihrer Kultur. Allerdings haben Roma wegen der Krise weniger Kinder bekommen."
Kremena erklärt uns, dass derselbe Trend, der bei der restlichen bulgarischen Bevölkerung aufgezeigt werden kann, auch auf die Roma-Minderheit zutrifft: intensive Immigration in die Hauptstadt und Verarmung außerhalb von ihr.
„Es gibt keine größeren Patrioten als die Zigeuner", fügt Kremena hinzu, als sie sagt, dass Roma normalerweise nicht emigrieren würden, außer bei großer ökonomischer Notwendigkeit. Als sie über die Anzahl der Roma in Bulgarien gefragt wird, antwortet sie, dass das Thema an sich gefährlich sei, da es „soziale Spannungen" kreiere. Gemäß ihren Angaben übersteigt die Anzahl der Roma 800.000 Menschen.
Unterstützung
Sendungen über Roma-Angelegenheiten wurden schon immer extern produziert, was heißt, dass Kremena ihr Auskommen dadurch verdiente, ständig neue Spender zu suchen. NGOs haben ihr die stärkste Unterstützung gegeben, das BNT (Bulgarisches Nationalfernsehen, Anmerkung d. Redaktion) gewährt ihr lediglich ein wenig Sendezeit. An der Preisverleihung in Berlin hat Kremena von ihren ausländischen Kollegen erfahren, dass solche Sendungen in anderen EU-Ländern volle Unterstützung von den Nationalfernsehen genießen.
Momentan wartet Kremena auf Antworten von einigen Stellen, bei denen sie Finanzierungsmittel beantragt hat. Trotz der Unsicherheit fühlt sie sich dankbar für ihre Karriere und ihr Leben. Am Ende unseres Gesprächs zeigt sie mir die knospenden Rosenbüsche im Garten sowie ihren Hund, der anstatt mich anzuknurren, freundlich mit dem Schwanz wedelt, wenn er Leute kennenlernt.
Biographie:
Kremena Budinova ist eine bulgarische Journalistin mit Roma-Wurzeln. Sie hat eine lange Karriere im Fernsehen, in den Printmedien und im Radio hinter sich. Sie wurde im Fakulteta-Viertel in der Hauptstadt Sofia, welches vorwiegend von Roma bewohnt wird, geboren. Kremena verlor im Alter von 14 Jahren ihr Augenlicht. Später, obwohl sie physische Schwierigkeiten mit der Vorbereitung auf Prüfungen hatte, erhielt sie 1993 an der Universität eine der besten Noten bei der Aufnahmeprüfung für Literatur. Während sie Bulgarische Philologie und Journalismus studierte, arbeitete sie für mehrere Medien. Kremena bewies (auch sich selbst), dass es für eine blinde Person möglich ist, FernsehreporterIn zu werden, obwohl sie zusätzlich durch Vorurteile wegen ihrer Herkunft herausgefordert wurde. Ihre Arbeit in Bezug auf die Roma-Minderheit begann 1997 mit dem „Romano Dunyas"-Programm auf TV7, welches später zum bulgarischen Nationalfernsehen unter dem Namen „Die Welt der Roma" wechselte. In der Folge kam das Format 2011 unter die Federführung der Dokumentarsendung „Kleine Geschichten". Kremena erlebte ihre härteste Zeit, als sie 2012 vorübergehend ihre Arbeitsstelle verlor. Sie fand danach zwar eine Finanzierung für das Projekt, aber noch heute begegnet sie finanziellen Schwierigkeiten, um das Programm auf Sendung zu halten. Im Mai 2014 wurden Kremena und der Dokumentarfilm-Regisseur Svetoslav Draganov mit dem CIVIS Medienpreis in Berlin ausgezeichnet.
Translated from Kremena Budinova: Like the Country, Like the Roma