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Krawalle in London: Besitzen, um zu sein

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Annika Schlüter

Gesellschaft

Während auf die Randalierer heute mit dem Finger gezeigt wird, sie gejagt und eingesperrt werden, stellt sich im Vereinigten Königreich die noch nie da gewesene Frage nach dem Grund der Gewalt. Eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Beweggründen der Jugendlichen scheinen die von einem traditionellen Populismus angetriebenen Autoritäten vor Ort abzulehnen.

„Heute kann ich ankündigen, dass die Regierungsminister der Koalition und ich im Laufe der kommenden Wochen alle Aspekte unserer Arbeit überprüfen werden, um unsere Gesellschaft zu reparieren“, verspricht der englische Premierminister, David Cameron, bevor er mit der Frage nachbohrt „haben wir die nötige Entschlossenheit, um dem langsamen moralischen Zusammenbruch der Gesellschaft, den wir seit einigen Generationen beobachten können, etwas entgegenzusetzen?“ Publikumswirksames Gerede! Die Antwort lautet allerdings nein. Nein, sie werden niemals irgendetwas konkret ändern, da man die Natur einer Gesellschaft nicht so einfach ändern kann.

Kunst ist ihrer Zeit voraus

Junge britische Randalierer auf der Anklagebank

Hilft Coca-Cola dabei?Machen wir das Verständnis dieser gewalttätigen Erhebung etwas deutlicher und fangen wir mit dem Versuch an zu verstehen, was eine Person ohne Kohle dazu bringt, Zeug besitzen zu wollen, das er nicht unbedingt braucht? In der Tat wurden nicht Lebensmittelgeschäfte geplündert, die Aktionen konzentrierten sich eher auf HIFI-Geräte oder Markenklamotten. Neben den zahlreichen Kommentaren zum radikalen Charakter der Krawalle, scheint es, als hätten die jungen Rebellen ebenfalls ihren Hang zum Luxus geäußert. „Dass sich alle aus allen Ecken Londons im Herzen Londons (Zentrum), OXFORD CIRCUS, versammeln. Die Geschäfte sollen verwüstet werden, also kommt, um etwas (umsonst) einzusacken.“ Symbolisch, könnte man sagen, klingen diese am 7. August, hauptsächlich über Black Berry versendeten Messages, wie ein Charakterzug einer neuen Gesellschaft, wenn man diese Revolten mit denen in Villiers-le-Bel (im Norden von Paris von 2007 vergleicht. Aber auch wenn die Tatsache, dass die „Ghetto-Kids“ kommen, um die reichen Viertel (wie beispielweise Chelsea) zu plündern, ein neues Phänomen ist, sind die Ursachen dafür längst bekannt.

„Versammelt Euch im Herzen Londons. Die Geschäfte werden verwüstet, also kommt, um etwas (umsonst) einzusacken.“

Das soziale Problem wird damit zum Hauptproblem, da die Rebellen Individuen sind, die man (um es zu karikieren) als „fast bedürftig“ einstufen kann. Was treibt eine bedürftige Person dazu Luxusobjekte anstelle von lebenswichtigen Produkten zu wählen? Die Antwort könnte lauten, dass sie von dem Verkauf einer Markenjacke eine gute Woche leben könnten. Zu einfach, nicht wahr? Schauen wir uns lieber die Mühlwerke der Gesellschaft an, als über ihre heutige Beschaffenheit zu urteilen. Diese Leute haben die goldene Regel dieser Zeit „Besitze, um zu sein“ wortwörtlich befolgt. Das ist eine von den Medien geschickt verbreitete Regel, getränkt von der publikumswirksamen Idee, dass ein Objekt einen wertvolleren Menschen aus einem macht. Heute kann man also gratulieren, dass das Objekt beim Menschen immer mehr Emotionen hervorruft.

Christian Salmon, der französische Autor von Storytelling, betont sogar, dass „Marken heute das auslösen können, was man einst im Drogenkonsum suchte.“ Diese Abhängigkeit vom Besitz eines Objektes, hervorgerufen durch die Medien, steigt stetig weiter. Besitz hat einen soziologischen Anstrich erhalten. Das Objekt nimmt einen so großen Platz ein, dass sich die Frage stellt, wer vor wem Angst hat: Hatten wir es in diesem Fall also mit einer neuen Generation von Besitzrevolten zu tun? Wir können ebenfalls die Expertise des Experten Georges Romero (amerikanischer Regisseur und Drehbuchautor, bekannt durch seinen Film Zombie, eine Kritik an der Konsumgesellschaft, A.d.R.) heranziehen, dessen Zombies in der Idee dem heutigen Sozialverhalten nie so nahe waren.

Das Ei oder die Henne verurteilen?

Sollten nun die verurteilt werden, die dem System seine Existenz verschafft haben, oder diejenigen, die „gezwungenermaßen“ gegen die Regeln verstoßen haben? Es scheint einleuchtend: Schließt man einen Teil der Gesellschaft vom Konsum aus und stachelt ihn aber permanent in den Medien zum ständigen Kaufen an, dann zwingt man ihn quasi dazu Alternativen zu finden: Drogen, Schwarzmarkt oder eben Plünderungen. Die Qual der Wahl...

Ist also wieder einmal der Staat schuld? Wenn ein Baum krank ist, stutzt man einen Ast oder entwurzelt man ihn? Die Antwort scheint logisch und trotzdem bevorzugen unsere Führungskräfte immer wieder das Stutzen des Asts, da sie beim Baum, auch wenn er morsch ist, immer an der Spitze sein werden.

Fotos: Homepage (cc)PhotoGiddy/flickr; Im Text: London's burning (cc)Yersinia/flickr; I Need A Riot (cc)Duncan/flickr; Riot later (cc)Adam Crowe/flickr; Video: (cc)KaisierChiefsVEVO/YouTube

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Translated from Émeutes de Londres : reflet d’une société possessive ?