Krakau gegen den Smog
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Jonas TraubKrakau ist die zweitgrößte Stadt in Polen. Sie ist eines der touristischen Zentren des Landes mit charmanten Kirchen, Museen, Cafés und Bars. Krakau hält aber auch den weniger charmanten Titel eine der verschmutzesten Städte in Europa zu sein. Doch dank einer Bürgerinitiative, die gegen die Luftverschmutzung kämpft, könnte die nächste Generation Krakauer sauberere Luft atmen.
Als wir langsam den Mound hinaufsteigen, einen der vier Berge die Krakau überragen, versuchen wir, kaum zu atmen. Trotz den niedrigen Temperaturen und dem bewölkten Himmel, entscheiden sich viele Krakauer ihren Samstag Morgen hier zu verbringen, abseits vom Stadtzentrum und umgeben von Touristen. Einige Jogger, der Kälte in ärmellosen Shirts und kurzen Hosen trotzend, laufen den Berg hinauf. Meine Cafébabel Kollegen und ich wollen nur sehen wie verschmutzt die Luft aussieht.
Polens zweitgrößte Stadt liegt in einem Tal. Sie ist umgeben von Bergen und ist nicht gerade mit viel Wind gesegnet. Durch diese klimatischen Bedingungen werden die Schmutzpartikel nicht zerstreut und machen die Stadt damit zu einer der schutzigsten in Europa. Meine neu installierte Smartphone App Smok-Smog misst die Luftqualität in Krakau und zeigte an, dass die Luftverschmutzung über der Norm liegt. Jetzt, vom Gipfel des 200-und-irgendwas Meter hohen Hangs, sieht der Nebel der die Stadt umgibt, nicht gefährlich aus.
„Im Hinterkopf weißt du immer, dass die Luft, die du atmest nicht gut ist.” sagt Kamil, ein Student aus Krakau. Seine Mutter, eine Opernsängering bekommt immer die selbe Frage von ihren internationalen Kollegen gestellt: „Wie kannst du hier singen?" „Wenn sie nach Krakau kommen, fühlen sie sich schon nach der zweiten Probe, als hätte sich ihr Lungenvolumen verringert.”
Luftverschmutzung kann die Gesundheit ernsthaft schädigen. „Sie kann sogar Suizide provozieren, weil Leute Depressionen bekommen,” sagt Ewa, während sie auf eine Broschüre zeigt, die auf dem Tisch vor uns liegt. Die Zeitschrift ist auf polnisch, aber durch die Bilder verstehe ich, dass es Zusammenhänge zwischen der Luftverschmutzung und verschiedensten Beschwerden, von Lungenkrebs bis zu Herzproblemen, gibt.
Ich treffe Ewa Lutomska und Magda Kozlowska in einem Innenstadtcafé das In de revolutionibus heißt. Der Name ist angemessen. In Anbetracht von Krakaus Smog Alarm (Krakowski Alarm Smogowy), hat die „Gesundheitsinitiative zur Verbesserung der Luftqualität in der Stadt", der die beiden Angehören, den Kampf für saubere Luft revolutioniert. Ewa gründete die Bewegung im Dezember 2012 mit zwei Freunden, Andrzej und Ania. Mit Magda und Jakub, die etwas später dazu kamen, zählt die Gruppe nun fünf Mitglieder, mit sehr unterschiedlichen Hintergründen. Sie sehen sich selbst nicht als Ökologen, nur als „normale Bürger, die über die Luftverschmutzung besorgt sind". Heute lässt Ewa überwiegend Magda reden und unterbricht sie nur manchmal leise. Beide wirken fragil und halb so alt wie sie sind. Wenn es aber um ihre Sache geht, werden ihre Stimmen kräftiger und leidenschaftlich.
Der Kampf für saubere Luft startete im Internet im Dezember 2012 mit einer Facebookseite. Bald folgte eine Onlinepetition und zum ersten „Marsch für saubere Luft". Anfang 2013 versammelten sich dazu rund 300 Krakauer mit Gasmasken. „In diesem Moment wurde das Luftqualitätsprogramm auf nationaler Ebene debattiert. Ein Programm für Krakau empfahl Festbrennstoffe zu verbieten, aber es bekam keine Mehrheit." Ewa verweist auf den Tisch mit Broschüren. Bunte Grafiken zeigen, dass der Hauptteil von Krakaus Luftverschutzung im Winter durch kohlebeheizte Öfen und nur ein kleiner Teil durch Verkehr und Industrie verursacht wird. Neben Kohle verbrennen die Menschen manchmal Müll in ihren Öfen, auch wenn das verboten ist. Flaschen, Plasting oder „sogar Windeln", ergänzt Ewa.
Ein trauermarsch für saubere luft
Die Art von Verschmutzung auf die es ankommt ist PM10, auch Feinstaub genannt. Laut der Welt Gesundheits Organisation (WHO), liegt die akzeptable Konzentration bei 20 μg/m3. Krakaus Messstationen messen für gewöhnlich etwa 60 μg/m. Im Winter, also in der Ofensaison, fallen die Temperaturen auf -30 Grad Celsius und die Luftverschmutzung übersteigt das akzeptable Niveau noch drastischer. „Letzen Winter lag der PM10-Anteil bei etwa 300μg/m3", erinnert sich Magda.
Ihre Initiative wäre nie erfolgreich gewesen, wenn Krakaus Einwohner nicht genug von der dreckigen Luft gehabt hätten, betont Magda. „Wir haben ihnen einen Rahmen gegeben, in dem sie agieren konnten", sagt sie. Einige Anwohner haben an einem Spam-Projekt teilgenommen. „Über 2500 E-Mails wurden in einer Nacht an die lokalen Behörden gesendet", hebt Magda mit einem Lächeln hervor. Im November 2013 haben fast 2000 Krakauer den Protest auf die Staße getragen. „Bei einem Trauermarsch waren die Menschen schwarz gekleidet und trugen einen Sarg", erzählt sie uns. Einen Monat später wurde das Verbot von Festbrennstoffen beschlossen.
Zeit für veränderungen
Später an diesem Tag nahm ich den Bus 502 nach Nowa Huta, einst ein Modell für die ideale sowjetische Stadt, heute Krakaus östlichstes Viertel. In einer Stadthalle, umgeben von Mietwohnungsblocks, haben die lokalen Behörden einen Informationspunkt für alle Fragen rund um den Austausch von Heizgeräten eingerichtet. Auch wenn niemand vor ihrem Büro wartete als ich kam, versicherte mir Ewa Olszowska, die Direktorin der Abteilung für den Umweltschutz, dass sie viele Anrufe bekommen. „Am meisten interessieren sich die Menschen dafür, ob und wie sie eine Rückvergütung für den Austausch ihrer Heizung bekommen können."
Die regionalen und nationalen Strukturfonds haben sich dazu verpflichtet, die Umstellung von Kohleöfen mit fast 100 Prozent zu bezuschussen. Zusätzlich haben sie sich auf Subventionen für die ärmsten Familien verpflichtet. Alle Kohleöfen sollen bis zum 1. September 2018 aus Krakau verbannt werden. Wenn nicht? „Dann sollen die Benutzer von Festbrennstoff Strafen zahlen und sie bekommen eine neue Frist, um ihr Heizungssystem zu ändern.“Aber es gibt noch mehr Kämpfe, die es zu gewinnen gilt. Ewa Olszowska rollt eine Karte der Stadt auf ihrem Tisch aus. Rote Pfeile markieren die nächsten großen Projekte: „den Verkehr der Straßen umleiten, öffentlichen Transport fördern, Parkplätze außerhalb des Stadtkerns bewerben, die Ampeln regulieren und um den ungestörten Verkehr zu garantieren. Das alles um die Abgase außerhalb der Stadt zu haben“, sagt Ewa.
Zurück im Café Revolutionibus erzählen mir Ewa und Magda: „Unser Kampf ist noch nicht vorbei!” Zufrieden mit dem was sie erreicht haben, planen sie ein Auge darauf zu werfen, wie die Behörden neue Maßnahmen umsetzen, aber auch die Aufmerksamkeit für das Problem bei der Bevölkerung in anderen Regionen Polens zu steigern. Und warum nicht auch in anderen Ländern? „Krakow Smog Alert ist eine Art Marke geworden,” erklären sie lachend, „also warum sollten wir es nicht exportieren?”
Dieser Artikel ist Teil einer Sonderedition, die jungen Journalisten die Möglichkeit gegeben hat in Krakau für «EU-topia Time to Vote» ein Reportageprojekt umzusetzen. Dieses Projekt wurde von der Stiftung Hippocrène, der europäischen Kommission, des französischen Außenministeriums und der Stiftung EVENS unterstützt. Bald findet ihr alle Artikel aus Krakau in unserem Magazin.
Translated from Fighting For Clean Air In Krakow