Kosovo - Verborgene Leichen im Land der schwarzen Amseln: Teil 4
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Lea SauerWar der Kosovo zu Beginn der 2000er Schauplatz für Organhandel mit den Organen inhaftierter Serben, die von kosovarischen Guerillakämpfern gefangen gehalten wurden? Wie geht es diesmal weiter mit dem seltsamen gelben Haus, einem Arzt, der gleichzeitig auch Jurist ist und für die MINUK in die albanische Pampa reist? Dieses Mal kommt alles anders, als gedacht...
Der Jurist
Das berühmte „gelbe Haus" hat Pablo José Baraybar nie vergessen. Fünf Jahre lang leitete dieser Arzt und Jurist zwischen 2002 und 2007 die Einheit der MINUK zur Untersuchung des Verschwindens von Personen im Kosovo. Und laut seiner Aussage ist dies „der unmenschlichste Ort der Welt".
Von dem angeblichen Organhandel hatte er erst nur gerüchteweise gehört. So wie jeder zu Beginn nur gerüchteweise davon gehört hat. „Die Balkanstaaten sind ein anderer Planet, voller Machtkonflikte, zwischen scheinheiliger Selbstaufgabe und kollektiver Viktimisierung." Seit der Bericht der MINUK Ende 2003 in sein Büro geschneit kam, hat er zunächst mit Carla Del Ponte, der Staatsanwältin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY = International Criminal Tribunal for the former Yugoslawia) darüber gesprochen. Aber da die UNO keine Berechtigung dazu hatte, Untersuchungen über das albanische Gebiet anzustellen, übernahm das UN-Kriegsverbrechertribunal den Bericht und eröffnete eine vorläufige Untersuchung.
Die Forschungen in den Bergen bei Burrel fanden im Februar 2004 unter großem Aufgebot statt. Sage und schreibe vier Jahre nachdem die Fakten ans Tageslicht gelangt waren. Ein Staatsanwalt und zwei albanische Polizeibeamte begleiteten die Gruppe internationaler Experten, bestehend aus einem Anthropologen, einem Fotografen, einem Übersetzer und Baraybar selbst, der die Atmosphäre der Gruppe als „sehr angespannt" beschrieb. „Von Zeit zu Zeit ließ der Staatsanwalt sogar bissige Kommentare gegenüber dem Dolmetscher fallen in der Art 'Das hier ist eine verdammte Zeitverschwendung! Was kümmern sich diese Idioten darum?'"
Bei der Ankunft am „gelben Haus", einem großen Hof in der „albanischen Pampa", dort, wo nur ein paar Bauern leben, bemerkt Baraybar, dass es mittlerweile weiß gestrichen worden war. Nach einer kurzen Einweisung begann die Gruppe, die nähere Umgebung zu untersuchung und fand schließlich in einem Müllhaufen ungewöhnlichen Abfall: medizinische Geräte, leere Verpackungen des Beruhigungsmittels Tranxene und Narkosemitteln, Infusionen, Spritzen und einen alten Arztkittel. Als Baraybar die Einheimischen auf den Fund ansprach, erklärt eine Frau leiglich, dass „ab und zu eine Krankenschwester gekommen ist, als der Sohn krank war."
Im Inneren des Hauses finden Baraybar und seine Unterstützer des Weiteren einen ungewöhnlichen Wandanstrich und Laminatboden. Es sind „die chemischen Materialien, die üblicherweise für solche Tatorte genutzt werden." Im Wohnzimmer und Esszimmer fanden sie sogar Blutspuren. Als er die Familie um Erklärungen bat, erwiderte der Mann nur: „Das ist normal. Meine Schwiegertochter hat im Wohnzimmer entbunden". Nur zehn Minuten später fiel ihm eine andere Erklärung ein, laut derer sie angeblich Tiere in ihrem Wohnzimmer schlachten würden. Baraybar findet den Bericht äußerst lückenhaft. Man schafft es kaum die Atmosphäre zu beschreiben. „Der Übersetzer hat uns mehrmals zu verstehen gegeben, dass sie etwas versteckt halten." So gibt es beispielsweise einen Friedhof direkt neben dem Haus, den Baybar verlassen sollte, noch bevor er ihn ganz betreten konnte. Alles ohne weitere Erklärungen.
Um eine Auseinandersetzung zu vermeiden, verabschiedete sich Baryabar schnell von der Bildfläche. Er blieb noch bis 2007 im Kosovo. Dann verließ er die Region. Krank und ausgebrannt. Lange fragte sich der Jurist, worin der Sinn liegen soll, in einem gottverlassenem Loch wie Burrel herumzuschnüffeln, nur um möglicherweise um ein paar brauchbare Beweise zu finden. Die wirklich wichtige Frage aber ist, so denkt er zumindest heute: „Ist das UN-Kriegsverbrechertribunal, das 1993 einberufen wurde, um die Gräueltaten der UÇK zu bestrafen, unabhängig genug, um eine vertrauenswürdige Studie über die UÇK durchzuführen?" Seine Antwort: „Nein." Denn „politisch gesehen, kann die MINUK absolut nichts gegen ihren Auftraggeber Albanien ausrichten. Jeder in der Region hat Angst gegen die UÇK auszusagen, da sie sich bedroht sehen." Diese Machtlosigkeit, so Baryabar, stellt die Rolle des Kriegsverbrechertribunals in Frage. „Die Anklage konnte nicht verhindern, dass die kriminellen Mühlen des Krieges weiter mahlen. Und speziell für den Organhandel ist es einfach 'too little too late'. Einfach ein bisschen zu spät.
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Translated from Cadavre exquis au pays des merles noirs : chapitre 4