Kosovo - Verborgene Leichen im Land der schwarzen Amseln: Kapitel 7
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. ChamlianWar der Kosovo zu Beginn der 2000er Schauplatz für Organhandel mit den Organen inhaftierter Serben, die von kosovarischen Guerillakämpfern gefangen gehalten wurden? Dieses Mal ist es ein Mann aus den europäischen Institutionen, der uns verschiedene Antworten zum Besten geben wird: Dick Marty. Austausch und Wahrheiten, live aus Lausanne.
VII - Kaltes Büffet in Lugano
Dick Marty, Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, trägt zwar den Namen eines amerikanischen Cops, ist aber selbst ein Schweizer Staatsanwalt. Es sind Carla Del Pontes Enthüllungen, die im Juni 2008 das Interesse der in Straßburg basierten Menschenrechtsinstitution erwecken wird. Marty wird daraufhin vom Europarat mit der Untersuchung der Vorwürfe betraut.
„Der Europarat hat mir die Arbeit unter absoluter Geheimhaltung möglich gemacht. So konnte ich absolut vertraulich mit meinen Quellen umgehen und den Zeugen totale Anonymität garantieren. Wir, meine Assistentin oder ich, haben uns immer persönlich und direkt mit den Zeugen getroffen: Trotzdem wurden sie total tyrannisiert. Manche wurden umgebracht, ganze Familien wurden unter Druck gesetzt und eingeschüchtert. Ich habe alle Informationen absolut vertraulich behandelt, ich habe keine Daten auf dem Computer gespeichert, keine Namen, keine Schriften", erklärt mir Marty, während er sich beherzt an die Tomaten-Mozzarella vom Büffet in einem Schweizer Bahnhof ranmacht - der von ihm ausgesuchte Treffpunkt.
In seinem Bericht über unmenschliche Behandlungen und illegalen Organhandel im Kosovo führt Marty das tragische Schicksal der „300 serbischen und 400 albanischen Gefangenen" an, die Opfer eines illegalen internationalen Organhandels wurden. Neben dem „gelben Haus" in Burrel ermittelt er „drei Stätte in Albanien, die als Zwischenstationen gedient haben". Er beschreibt ein „Bauernhaus, das in Fushë-Krujë, unweit des Flughafens von Tirana liegt, das in eine Art improvisierte Klinik umgewandelt wurde, und in der die Gefangenen niedergestreckt wurden, meist durch Kopfschuss, bevor man ihnen die Nieren entfernt hat und diese dann ins Ausland geschickt wurden". Der Preis einer Niere auf dem Schwarzmarkt? Circa 50 000 Euro. Geld mit dem sich der Widerstand der UÇK finanzieren ließ.
„Im Kosovo-Konflikt hat es tausende Vermisste gegeben. Ob diese Gefangenen im Kontext des illegalen Organhandels getötet wurden, oder nicht, ändert nichts an den Tatsachen: Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie tot sind", erläutert Marty. „Der illegale Handel hat mit Sicherheit nur eine Handvoll Menschen betroffen. Meines Erachtens noch wichtiger ist die Verbindung zwischen Politik und Macht und der Straffreiheit, die den Kosovo-Führern gewährt wurde." In seinem Ermittlungsbericht beschreibt Marty Fakten, Orte und vor Allem gibt er Namen preis. Die Namen ehemaliger UÇK-Kämpfer, die zu Meistern der organisierten Kriminalität in der Region heranwuchsen und es heute bis auf die höchsten Ebenen der Macht im Kosovo geschafft haben. „Jeder kennt jeden in Pristina. Es ist eine winzige Stadt. Die Einheimischen erteilen den internationalen Ausländern gewisse Gefälligkeiten, andersrum gilt das Gleiche. Viele Leute, die für die UNMIK gearbeitet haben, sind heute führende politische Berater der Regierung.
So prangert Marty die Rolle von Hashim Thaçi an, der zwischenzeitlich zum Premierminister Kosovos aufgestiegen ist. „Thaçi war während des Krieges und danach der Anführer unzählbarer illegaler Aktivitäten, zu denen der illegale Heroinhandel zählt und ein Netz geheimer Haftanstalten in Albanien, wo Gefangene gefoltert, umgebracht und Opfer illegalen Organhandels wurden", schreibt Marty. „Seit 1999 hat das FBI die amerikanische Führungsriege in Kenntnis gesetzt, dass Thaçi eine kriminelle Vergangenheit habe. „Was vergangen ist, ist vorbei. Wir brauchen jemand für die Zukunft", hatte die amerikanische Staatssekretärin Madeleine Albright ganz pragmatisch erwidert. Schließlich brauchte sie Bodenunterstützung für die militärischen Luftangriffe." Im Februar 2008 ist es derselbe Hashim Thaçi, der einseitig die Unabhängigkeit der vormals serbischen Provinz proklamiert. Zu Belgrads großem Missfallen. Die Begeisterung in den Straßen von Pristina ist bei der Geburt des „stolzen, unabhängigen und freien Kosovos" auf dem Höhepunkt. Eine Riesenskulptur wird sogar vor dem ehemaligen Sportspalast errichtet. Auf ihr steht das Wort Newborn für „neugeboren". - „Vielleicht....vielleicht mag die Unabhängigkeit des Kosovos einfach zu früh abgewickelt worden sein, oder aber es war ein Fehler, sie zu gewähren", entschlüpft es Marty. „Heute habe ich nur eine Gewissheit, und zwar die, dass es heimliche Machenschaften zwischen den Regierenden und allen illegalen Geschäften gibt, die im Kosovo abgewickelt werden, vom Handel mit Drogen, Waffen, Prostitution bis hin zum Menschenhandel."
Zufall oder nicht, als Marty seine Erkenntnisse vor dem Europarat vorträgt, wird die kosovarische Regierung von einem anderen Skandal überschattet: die Affäre der Medicus-Klinik. Dick Marty zufolge gibt es keinen Zweifel daran, dass die Medicus-Affäre mit den unmittelbaren Nachkriegsgeschehnissen „zusammenhängen", sowohl in den Aktivitäten als auch im Dunstkreis der leitenden Personen, die daran beteiligt sind.
Marty glaubt, dass die Medicus Klinik Anfang der 2000er den heimlichen Organhandel, dem die serbischen Kriegsgefangenen zum Opfer gefallen waren, weitergeführt hat, und sozusagen Kriegsverbrechen institutionalisiert hat. „Die Namen derselben Personen werden in beiden Affären genannt. Und die Medicus Klinik läuft seit ungefähr zehn Jahren, dem Zeitpunkt, als die internationale Gemeinschaft vor Ort im Kosovo präsent war". Obwohl Dick Marty 2012 eine Vorladung in einer strafrechtlichen Ermittlung gegen Medicus erhalten hat, hat er sich geweigert nach Pristina zu reisen, und macht seine diplomatische Immunität geltend. „Meine abschließenden Ergebnisse über die Geheimgefängnisse der CIA in Osteuropa wurden ähnlich empfangen. Man hat mich der Verleumdung beschuldigt und sogar Anzeige gegen mich gestellt", vertraut uns der Staatsanwalt ganz ruhig und gelassen an. „Und dann kam Wikileaks und all das wurde bestätigt, was ich enthüllt habe. Das Gleiche wird auch mit dem illegalen Organhandel im Kosovo passieren."
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Translated from Cadavre exquis au pays des merles noirs : chapitre 7