König Fußball
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Wie sich das runde Leder in die europäischen Sprachen geschlichen hat.
"Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Spieler hinter einem Ball herjagen und am Ende gewinnt immer Deutschland." So lautete eine der Halbwahrheiten von Engländer Gary Lineker nach der Niederlage im Elfmeterschießen 1990 gegen die deutsche Nationalelf. Fußball - die Königsdisziplin unter den europäischen Sportarten - schwört so manchen Mythos um das runde Leder herauf. Dass es sich hierbei allerdings nur um Aussagen im Eifer des Gefechts handelt, beweist nicht zuletzt die letzte EM, bei der Deutschland mit seinem Beamtenfußballdem spanischen Tiqui Tacaunterlag, dem schnellen Kurzpassspiel der Selecciónvon Louis Aragónes.
Der beliebte Ballsport existierte bereits um 2000 vor Christus in China und wurde dort mit dem Namen Ts’uh-chüh („ts’uh“ = mit dem Fuß stoßen; „chüh“ = Ball) bezeichnet, später übernahmen die Römer und Griechen die Kickertradition. Wenn Europa heute allerdings von der Wiege des Fußballs spricht, ist meistens von England im Frühmittelalter die Rede. Von dort aus hat sich die Tradition des football auch sprachlich in alle Ecken des alten Kontinents exportiert. Noch heute sagt man in Großbritannien get the ball rolling, wenn man "etwas Neues los tritt". Ob fodbold (Dänisch), futbalo (Esperanto), football (Französisch, Englisch), fótbolti (Isländisch), voetbal (Niederländisch), futbolas (Litauisch) oder futbol (Türkisch) - auf der sprachlichen Ebene ist sich Europa mehr als einig. Nur Italien steht linguistisch ein wenig im Abseits: hier heißt der Ballsport calcio (von lat. calx: Tritt).
Vielleicht haben gli azzurri(die Hellblauen) den „Kopf im Ball“ (la testa nell pallone ; in etwa: ein Brett vor dem Kopf haben), während die anderen Länder versucht haben sprachlich am Ball zu bleiben. Les Bleus(die blauen Franzosen) haben 2008 eher auf Reserve gespielt: Torhüter Grégory Coupet trug „Handschuhe aus Pfirsichhaut“ (les gants en peau de pêche), wie der Franzose sagt, und hat sich die ein oder andere „Boulette“ (faire une boulette; einen Fehler machen) erlaubt. In puncto miserabler Verteidigung dürften französische Kommentatoren von einer défense bulgares de 66(Verteidigungsstrategie der Bulgaren von 66) gesprochen haben. Fußball ist und bleibt eben a game of two halves(Schicksalsspiel), sagen die Briten, und hoffen, sich dieses Mal für die WM 2010 qualifizieren zu können. Vielleicht sollte man strategisch dann doch eher Lukas Podolski vertrauen: „Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel“.