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'Kompott' aus Serbien: Hooligans, Gay Pride und die Angst vor dem Westen

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n- ost

Politik

Brennende Müllcontainer, geplünderte Schaufenster und Menschenmassen, die Steine in eine Tausendschaft von Polizisten werfen: Solche Bilder bescherten Serbien in den vergangenen Tagen Negativ-Schlagzeilen. Die Regierung in Belgrad beteuert unterdessen, dass die nationale Sicherheit im Land nicht gefährdet sei.

In Serbien glaubt hingegen niemand, dass es sich nur um Gewalt ultranationaler Hooligans handelt. Experten vermuten, dass das Land in seiner demokratischen Entwicklung geschwächt werden soll.

Die Schreckensbilanz der vergangenen Tage wirft einen dunklen Schatten auf Serbien: Massive Ausschreitungen am Rand der homosexuellen Gay-Pride-Parade haben in Belgrad zu 140 Verletzten und Sachschäden in Millionenhöhe geführt. Und nur zwei Tage später musste das EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Italien in Genua wegen extremer Krawalle vorzeitig abgepfiffen werden. Erneut fanden sich serbische Hooligans auf internationalen Titelblättern wieder.

Die Regierung in Belgrad bemüht sich dagegen um Entwarnung: Nationale Sicherheit und politische Stabilität seien nicht gefährdet, dazu reiche die Kraft der Hooligans nicht aus. Allerdings werde man künftig härter gegen solche Gruppierungen vorgehen und vor allem deren Finanzierung unter die Lupe nehmen - um zu prüfen, wer dahinter stehe, so der nationale Sicherheitsrat unter Führung von Staatspräsident Boris Tadic.

Medienspekulationen, dass die Regierung Tadic durch die Krawalle geschwächt werden solle, hatte einer der mutmaßlichen Anführer der Ausschreitungen von Genua zwischenzeitlich tatsächlich entkräftet. Er ließ mitteilen, dass die Vorfälle „nicht politisch motiviert“ gewesen seien. „Wir haben zu wenige Informationen darüber, auch wissen wir nichts über die Hintermänner der Ausschreitungen“, räumte Innenminister Ivan Dacic im Belgrader Rundfunk B92 ein.

Doch es gibt auch kritische Stimmen. „Dass es sich dabei um spontane Proteste handelt, daran glaubt in Serbien keiner mehr“, sagt der Belgrader Psychologe Prvoslav Plavsic. Zumindest nicht mehr, seit bekannt geworden sei, dass der Umsturz von Slobodan Milosevic vor zehn Jahren auch vom Ausland finanziert und geplant worden sei. Die Hooligans auf den Straßen seien bislang immer nur Marionetten einer schlecht inszenierten PR-Strategie gewesen.

„Wer diesmal Regie führt, ob es politische Kreise, eine starke Lobby, Sportklubs oder andere Auftraggeber sind, ist noch unbekannt“, sagt Plavsic. Vermutlich sei jedoch jemand daran interessiert, die staatlichen Institutionen im Land zu schwächen - und dadurch entsprechende demokratische Entwicklungen zu verlangsamen.

Heutige Jugend in Serbien nicht aggressiv, aber sehr unzufrieden

Die starke Medienpräsenz der Hooligans auf den Titelblättern führe dabei jedoch zu falschen Schlüssen. „Die meisten Serben sind wegen der Vorfälle verbittert. Hier steht nur eine kleine Gruppe meist junger Menschen unter einem Vergrößerungsglas“, so Plavsic. „Die heutige Jugend ist nicht aggressiv, aber sie ist sehr unzufrieden“. Dazu würde die schwierige soziale und wirtschaftliche Situation im Land beitragen. Seit dem politischen Umsturz vor einem Jahrzehnt habe sich zwar viel getan, allerdings habe die jüngere Generation noch keinen Nutzen davon. „Es gibt fast so viele Rentner wie Beschäftigte und kaum Arbeitsplätze und Perspektiven für junge Menschen“, so Plavsic.

3 serbische Mädels demonstrieren gegen die Unabhängigkeit des Kosovo 2008Dass vor allem die jüngere Generation anfällig für extrem nationalistische Propaganda ist, bestätigt auch der Belgrader Journalist Slobodan Georgijev, der sich seit Jahren mit dem Thema nationalistische Gewalt beschäftigt. „Viele sind frustriert, waren noch nie im Ausland und wissen überhaupt nicht, was die Europäische Union ist. Also kann man sie mit radikalem Gedankengut leicht manipulieren“.

Zu den bekanntesten ultranationalistischen Gruppierungen in Serbien gehören Nationalni Stroj, 1389, Obraz oder Dveri. Sie verbindet vor allem die Ablehnung der Europäischen Union, der Nato und anderer westlicher Einflüsse, die das nationale Serbentum gefährden könnten. Andere ultranationalistische Gruppierungen seien aus dem Umfeld radikaler Fußballfans hervorgegangen, andere würden auch erzkonservative Theologiestudenten einschließen, so Georgijev, der für die liberale serbische Wochenzeitschrift Vreme arbeitet.

Den Ultranationalisten würde zudem eine moderatere Politik gegenüber der EU und dem Kosovo widerstreben. „Sie bekommen auch von radikalen Geistlichen Unterstützung, die Homosexualität als Krankheit bezeichnen“, so Georgijev. Bei den Straßenschlachten am Rande der Gay Pride vom 10. Oktober seien nun alle aufeinander getroffen: Fußball-Hooligans, Angehörige des organisierten Verbrechens und ultranationalistische Gruppierungen. Innenminister Dacic hatte dies unterdessen als „Kompott verschiedener Einflüsse“ bezeichnet.

Die Autorin dieses Artikels, Veronika Wengert, ist Mitglied des Osteuropa-Netzwerks n-ost.

Fotos: Internationaler Frauentag (cc)boellstiftung/flickr; Kosovo (cc)peregrinaro/flickr; Video: ©Associated Press/Youtube

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