KIM CHAPIRON: Die schmutzige Elite
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Edna ImamovicIn seinem dritten Film hat sich Kim Chapiron entschieden, in das elitäre Milieu der Business Schools in Europa einzutauchen. Hier wird jede Beziehung über Marktprinzipien geregelt. Der französische Regisseur erklärt uns, dass er in La Crème de la Crème eine Generation der Verängstigten beschreibt. Ein Interview.
Cafébabel: Wo liegt der Ausgangspunkt des Drehbuchs von La Crème de la Crème?
Kim Chapiron: Noé Debré, der Ko-Drehbuchautor, ist mit einer zirka dreißigseitigen Bearbeitung, die "Business School" heißt, zu mir gekommen. Es waren schon all diese Elemente vorhanden, die ich liebe: ein echter Versuch, die Generation Y zu beschreiben. Porträts von werdenden Erwachsenen bleiben mein Lieblingsthema. Sie sind Mitglieder der berühmten Youporn-Generation, die ziemlich spektakuläre Bilder konsumieren. Ferner habe ich den Eindruck, dass wir einer Generation angehören, die nichts mehr destabilisieren kann.
DIe ersten werden die letzten sein
CB: Denkst du, dass du ein Teil dieser Generation bist und somit die Legitimität besitzt, diese zu beschreiben?
KC: Ich denke schon. Ich bin 1980 geboren. Als ich meine ersten Kurzfilme realisierte, hatte ich das Glück ohne Vertrieb auszukommen. Dank des Internets konnte ich meine Filme einer bestimmten Publikums-Sparte angleichen: jenen Leuten, die das neue Medium entdeckten. Ich verspüre deshalb ein Zugehörigkeitsgefühl. Der Film ist eine Art Zeugnis eines bestimmten Teils der Jugend in Frankreich.
Trailer von La Crème de la Crème.
CB: Die szenische Entwicklungsgeschichte des Projekts basiert auf einer Großstadtlegende, nach derer ein innerschulisches Prostitutionsnetzwerk in der Ecole des Hautes Etudes Commerciales (HEC, Französische Elite-Hochschule für wirtschaftliche Studiengänge, AdÜ) zerschlagen wurde. Dennoch geht der Film deutlich weiter. Er interessiert sich auch für einen Teil der Jugend, die sich in großer Gefahr befindet, was paradox erscheint, da sie alle Voraussetzungen mitbringen, um erfolgreich zu sein.
KC: In meinem Kino behandle ich zwei Gegenpole: Zuerst die Leute, die an letzter Stelle stehen und jetzt jene, die an der ersten sind. Aber in Wahrheit wird dir bewusst, dass sie die gleichen Ängste haben: Zukunftsangst und die Ängste, die in dem Moment entstehen, in dem man erwachsen wird. Ich glaube, dass die neue Generation viel mehr in der Realität verankert ist als die Meinige. Heutzutage weiß ein Typ, der nach acht Jahren das Studium abschließt, dass er sich in einem Scheiß-Beruf abrackern muss. Dieser Typ wird immer wieder von der Realität eingeholt. Ich habe den Eindruck, dass wir uns heutzutage das Recht zu Träumen viel weniger erlauben. Die Angst ist da. Die Zukunft ist beängstigend.
CB: Und beängstigt dich die Zukunft?
KC: Überhaupt nicht. Ich hoffe eben, dass man im Film viele Facetten verspürt. Er fängt mit ziemlich verängstigten Figuren an, die dann im Laufe der Geschichte sympathischer werden. Ich liebe es, dass man meine Figuren am Anfang hasst. Das ist der erste Reflex. In derselben Weise wird der Elite misstraut.
"sehr, sehr viel Alkohol"
CB: Was hat dich vor dem Film am Elitemilieu inspiriert?
KC: Ich versuche kein A priori zu haben. Mein Beruf erlaubt es mir, Leute zu treffen, die ich normalerweise niemals treffen würde. Ich habe ein paar Dokumentationen gesehen und ein paar Artikel in Magazinen gelesen. Aber ich verpflichte mich, den Zuschauer zu zwingen, eine weniger definitive Meinung einzunehmen.
CB : Das heißt, du bist ganz neutral an die Realisierung von La Crème de la Crème herangegangen?
KC: Nun ja, ich finde das ehrlicher. Andernfalls würde ich ein anderes Medium benutzen.
CB: Aber du hast dir trotzdem die Codes des Milieus aneignen müssen?
KC: Ich habe keine definitive Meinung über die Elite, das wäre zu pauschal. Wir müssen alle miteinander zusammenleben. Es bringt nichts, in Sippen zu leben und feste Meinungen über andere zu haben. Das ist eine meiner Missionen als Filmemacher.
CB: Du musstest dir Charakteristiken eines sehr speziellen Milieus aneignen. Wie hast du die Codes und die Sprache der Elite gelernt?
KC: Indem ich spaziert bin. Ich bin auf die großen Feste der Handelsschulen gegangen. Ich habe mich für die Dinge interessiert, die die Handelsschulen ausmachen – angefangen mit dem Konsum von sehr, sehr viel Alkohol.
CB: Hat die Tatsache, dass du während einiger Monate in das Leben der Crème de la Crème eingetaucht bist, deine Ansichten über das Studenten-Leben geändert?
KC: Mein Beruf war ein sehr guter Vorwand, um in diese Welt einzutauchen. Mir passiert etwas sehr Spezielles sobald ich einen Film beende: Ich löse mich vollkommen von ihm. Also berührt mich auch das Echo meines Filmes nicht. In dem Moment, wo der Film rauskommt, gehört er mir nicht mehr.
Zu sehen : La Crème de la Crème von Kim Chapiron, ab 2. april im kino in frankreich.
Translated from Kim Chapiron : « On se permet moins le droit de rêver aujourd'hui »