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Killer von Norwegen: Vergessen oder vertiefen

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Gesellschaft

Der mutmaßliche Attentäter von Oslo und Utøya soll am heutigen Montag einem Haftrichter vorgeführt werden. Der als christlicher Fundamentalist eingestufte 32-Jährige hat bereits gestanden, am Freitag mindestens 93 Menschen getötet zu haben.

Die Rechtspopulisten Europas sind die geistigen Anstifter dieses Anschlags, meinen einige Kommentatoren, andere mahnen zu mehr Aufmerksamkeit für die Ängste vor Islam und Multikulturalismus.

De Groene Amsterdammer: Rechtspopulisten wie Geert Wilders sind geistige Brandstifter; Niederlande

In dem im Internet veröffentlichten 'Manifest' bezeichnet sich der geständige Attentäter als einen modernen Tempelritter im Kampf gegen den Islam und die Eliten. Dabei bezieht er sich auf Rechtspopulisten wie den Niederländer Geert Wilders. Sie sind geistige Brandstifter, meint die linke Wochenzeitung De Groene Amsterdammer: "Die führenden europäischen Populisten und Islam-Hasser werden wahrscheinlich versuchen, ihn als isolierten Verrückten darzustellen. Sie werden sagen, dass sie das so nicht gemeint haben, als sie von ihrem 'totalen Krieg' sprachen. Vielleicht ist das auch so. Vielleicht werden einige in sich gehen und einsehen, dass die Meinungsfreiheit kein Freibrief ist für unbegrenzte Hass-Fantasien, dass Worte schwer wiegen und politische und moralische Konsequenzen haben. Aber jetzt ist das Böse geschehen. Die europäischen Sicherheitsdienste müssen die rechtsextremen Netzwerke gründlich ausmisten, und der Wähler muss das Gewäsch der Populisten gründlich bestrafen, sonst geschehen noch mehr solche Unglücke." (Artikel vom 25.07.2011)

Dagens Nyheter: Dem Terror Paroli bieten; Schweden

Das Massaker in Norwegen war ein Anschlag auf unsere freiheitliche, demokratische Gesellschaft, meint die liberale Tageszeitung Dagens Nyheter und fordert jeden auf, sich dagegen zu wehren: "Der Mann, der mehrere Stunden lang Tod und Schrecken in Norwegen verbreitete, wurde getrieben von Bitterkeit gegenüber der offenen Gesellschaft. [...] Wenn wir wirklich wollen, dass der Terrorist in Norwegen mit seinem Anliegen scheitert, müssen wir genau das tun, was er zu verhindern sucht: Wir müssen uns engagieren. [...] Hass, Extremismus und Intoleranz sind ungewöhnliche Organismen, weil sie am besten im luftleeren Raum gedeihen. Am besten tötet man sie mit frischem Sauerstoff, mit Argumenten, einem offenen Gespräch und freiem Meinungsaustausch. Die wichtigste Waffe des Terrors ist die Einschüchterung. [...] Wollen wir ihm Paroli bieten, müssen wir aus dem Hintergrund treten, die Stimme erheben, unsere Meinung sagen, müssen wir unermüdlich argumentieren für Offenheit, Toleranz und Freiheit, gegen Drohungen, Beschränktheit und Fremdenfeindlichkeit. Wir dürfen keine Angst haben." (Artikel vom 24.07.2011)

Hospodářské noviny: Jeglicher Extremismus ist gefährlich; Tschechien

Der Massenmord in Norwegen durch Anders Behring Breivik zeigt nach Meinung der Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny, dass der Islamismus nicht die einzige Gefahr ist: "Europa ist um die allgemein geteilte Illusion ärmer, dass es sich nur äußeren Feinden erwehren muss, dass uns ausnahmslos Islamisten gegenüberstehen, die bereit sind alles zu tun, um unsere Welt zu zerstören. Mit brutaler Kraft zeigte sich die unterdrückte Wahrheit, dass jeglicher Extremismus gefährlich ist, ungeachtet seiner religiösen, ethnischen oder nationalen Herkunft. [...] Breivik mag ein verrückter Einzelgänger gewesen sein. Derlei Verrücktheit entsteht aber nicht ohne einen Kontext. Überall in Europa sind Rechtsextreme auf dem Vormarsch, die vorgeben, die wahren nationalen Werte zu verteidigen. Für Europa bedeutet das zweierlei: Die Sicherheitsorgane müssen das Wesen der uns drohenden Gefahr völlig neu analysieren. Und die politischen Parteien sollten mehr als bisher die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Europa-Projekt und mit der Multikulti-Gesellschaft wahrnehmen." (Artikel vom 25.07.2011)

Die Presse: Oslo und Utøya lösen Nachdenklichkeit aus; Österreich

Der mutmaßliche Attentäter Anders Behring Breivik hat ein 1.500-seitiges Manifest über seine rassistischen Überzeugungen ins Internet gestellt. Diesen Äußerungen unterliegt dasselbe Unbehagen über Zuwanderung und andere Kulturen wie den Kommentaren, die andere Menschen im Netz posten, bemerkt die liberal-konservative Tageszeitung Die Presse: "Unter den Postern, die [im Internet] aus sich herausgehen, sind viele, die in der wirklichen Welt ein ehrbares bürgerliches Leben leben. Man sollte darauf vertrauen, dass Gewaltexzesse wie jener von Oslo und Utøya ein gewisses Maß an Nachdenklichkeit auslösen. Menschen, die mit den gesellschaftlichen Veränderungen, die Zuwanderung und kulturelle Entgrenzung mit sich bringen, nicht zurechtkommen, als Terror-Brandstifter zu denunzieren, wird das Problem nicht lösen. Man kann nur zur Tagesordnung übergehen. Und auf der sollte ganz oben die Frage stehen, wie man die Debatte über Chancen und Risiken unserer neuen gesellschaftlichen Wirklichkeiten aus der aggressiven Anonymität der virtuellen Welt zurück in den politischen Diskurs holen kann." (Artikel vom 25.07.2011)

Eesti Päevaleht: Je schneller vergessen, desto besser; Estland

Dem norwegischen Attentäter und seinen politischen Deklarationen sollte nicht zu viel Aufmerksamkeit geschenkt werden, warnt die Tageszeitung Eesti Päevaleht, schon wegen möglicher Nachahmer: "Hat der Mörder von Norwegen sein Ziel erreicht? Wenn er beim Anblick von Blut eine perverse Befriedigung gefunden hat, dann macht ihn das hinter Gitter zu keinem großen Helden. Wenn er Berühmtheit und anhaltende Aufmerksamkeit der Medien gesucht hat, wie die meisten Schulmörder zuvor, dann muss man feststellen, dass diese Aufmerksamkeit schnell vorbeigeht. Und je schneller wir den Namen dieser Person vergessen, desto besser. Ein Mörder hat es nicht verdient, dass wir seine Eitelkeit weiter befriedigen. Hoffentlich müssen wir nicht irgendwann die Memoiren des Mörders lesen. Er ist ein Mensch, der versucht, sich in der von ihm selbst ausgedachten Welt zu beweisen, da er in der wirklichen Welt nicht zurechtkommt. Die Aufgabe der Medien aber ist es aufzupassen, dass nicht irgendein neues Monster ihn zum Vorbild nimmt." (Artikel vom 25.07.2011)

28 Länder - 300 Medien - 1 Presseschau. Die euro|topics-Presseschau zeigt, welche Themen Europa bewegen und spiegelt die Vielfalt an Meinungen, Ideen und Stimmungen wider.

Fotos: Homepage (cc)bootload/flickr; Video: (cc)FairGerechtSozial/YouTube

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