Keine absurde Fiktion: Russische Präsidentschaftsanwärter im Wahljahr 2012
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Barbara CantonDie Präsidentenwahlen in Russland am 4. März 2012 rücken immer näher. Nach den landesweiten Demonstrationen als Reaktion auf die Parlamentswahlen im Dezember scheint Wladimir Putin nicht mehr um mehrere Pferdelängen voraus zu liegen, sondern nur noch um eine Pferdelänge. Wer tritt sonst noch in diesem Ein-Mann-Rennen an?
Wladimir Putin, Einiges Russland
Wer? Der ehemalige KGB-Agent eroberte das Herz der russischen Medien, als er in bester Gangster-Manier verkündete, russische Truppen würden „die Terroristen in der Toilette ersäufen“.
Warum man ihn wählen sollte? Da ihn die Meinungsumfragen mit 48% der Stimmen auf einem starken ersten Platz sehen, wird er vermutlich ohnehin gewinnen.
Warum man ihn nicht wählen sollte? Wladimir Wladimirowitsch prägte den Begriff ‘gelenkte Demokratie’. Niemand mit einer derart Orwellschen Fähigkeit zur Sprachverdrehung sollte so viel Macht haben.
Romanfigur: Raskolnikow, in Dostojewskis Schuld und Sühne, verkörperte das Konzept des napoleonischen Mannes, der glaubt, er dürfe Verbrechen begehen, weil er für Großes bestimmt sei.
Gennadi Sjuganow, Kommunistische Partei der Russischen Föderation
Wer? Ein alt eingesessener kommunistischer Hardliner, der in den 1980ern ein lauter Kritiker der Liberalisierung der UdSSR durch Gorbatschow war und sich seitdem nicht sehr verändert hat.
Warum man ihn wählen sollte? Dieser altgediente Präsidentschaftskandidat wurde bei den Wahlen in den Jahren 1996, 2000 und 2008 Zweiter. Sollte er nicht einmal die Chance haben, zu gewinnen?
Warum man ihn nicht wählen sollte? Sjuganow ist der Ansicht, Russland sollte wieder so werden wie es war, als er mehr als 20 Jahre vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion aktives Mitglied der Kommunistischen Partei wurde.
Romanfigur: Sjuganows Liebe zu allem, was russisch ist, erinnert an Oblonski, den Bruder Anna Kareninas.
Michail Prochorow, unabhängig
Wer? Ein glänzendes Beispiel des ‘neuen Russen’, der seine Milliarden in den 1990ern gemacht hat.
Warum man ihn wählen sollte? Als unabhängiger Kandidat könnte Prochorow etwas frischen Wind in den Kreml bringen.
Warum man ihn nicht wählen sollte? Für alle, die sich keinen Kaviar leisten können, steht Prochorow für jene Klasse, die in den 1990ern Russlands Rohstoffe 'gestohlen' und so eine extrem ungleiche Gesellschaft geschaffen haben.
Romanfigur: Wie Tatarski in Viktor Pelewins postmodernen Epos Generation P hat dieser Süßholzraspler sein Geld schnell und leicht in den 1990ern gemacht.
Sergei Mironow, Gerechtes Russland
Wer? Der ehemalige Vorsitzende des Oberhauses der Duma (2001 bis 2011) ist als Vorsitzender der Mitte-links-Partei Gerechtes Russland faktisch auch Oppositionsführer.
Warum man ihn wählen sollte? Mironow ist unter den antretenden Kandidaten einer der weniger extremen Politiker: er ist gegen die Todesstrafe und hält eine Kooperation mit den USA für unvermeidlich, wenn nicht sogar wünschenswert.
Warum man ihn nicht wählen sollte? Im Vergleich zu den anderen Kandidaten ist er ein bisschen langweilig.
Romanfigur: Trofimow in Tschechows Kirschgarten ist ein leidenschaftlicher linker politischer Kommentator, der das wachsende Bedürfnis nach politischen Reformen verkörpert, allerdings ein Jahrhundert früher.
Wladimir Schirinowski, Liberal-Demokratische Partei Russlands
Wer? Ein Ultra-Nationalist, der im Verdacht steht, durch den Kreml manipuliert zu sein, um potentielle rechte Wähler zu neutralisieren
Warum man ihn wählen sollte? In den letzten 20 Jahren hat Schirinowski wahlweise kostenlosen Wodka und kostenlose Unterwäsche für alle versprochen, sollte er zum Präsidenten gewählt werden.
Warum man ihn nicht wählen sollte? Der einstmalige Freund Saddam Husseins wurde als Faschist, Neofaschist und Clown beschrieben.
Romanfigur: Schirinowski ist so absurd wie eine von Gogols Figuren, beispielsweise Major Kowaljow in Die Nase, ebenfalls ein Mann des Militärs.
Illustrationen: Homepage (cc)Mr Strangestaine/flickr; Mironov ©Сергей Миронов (Sergey Mironov)/Facebook; Schirinowski ©Facebook-Gruppe Schirinowski
Translated from Fictional Russian hopefuls in 2012 elections