Kein Prozess im Ramadan
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Erneut ist in Frankreich eine Diskussion um die Stellung des Islams in der Justiz ausgebrochen. Nachdem im Mai ein Gericht in Lille eine Scheidung zugelassen hatte, weil die Ehefrau verschwiegen hatte, nicht mehr Jungfrau zu sein, sorgt nun in Rennes die Verschiebung eines Prozesses wegen des Ramadans für Aufsehen. Montag, 8.
September 2008
Der Staatsanwalt hat die Behauptung entschieden zurückgewiesen, den Prozess gegen eine Bande von Einbrechern wegen des derzeit laufenden Ramadans verschoben zu haben. Er verweist auf prozedurale Gründe, die für Anfang September angesetzte Verhandlung auf Januar nächsten Jahres zu verlegen. Die Anwälte eines der Angeklagten hatten zuvor jedoch zu beachten gebeten, dass ihr muslimischer Klient während des Ramadans durch das Fasten geschwächt sei. In der französischen Presse ist nun eine heftige Debatte ausgebrochen, welche Rücksichten die Justiz auf den Islam nehmen darf.
Bereits Ende Mai hatte in Lille ein Fall für Aufsehen gesorgt, als ein Richter der Scheidung eines muslimischen Paares statt gegeben hatte, da die Frau vor der Hochzeit verschwiegen hatte, nicht mehr Jungfrau zu sein. Der Richter verwies darauf, dass für den Ehemann die Jungfräulichkeit die Voraussetzung zur Heirat gewesen sei. Der Islam gebietet nicht, dass die Ehefrau unberührt sein muss. Schon damals hatten Politik und Presse das Urteil als einen Verstoß gegen das Prinzip der Laizität zurückgewiesen. Dieses sieht eine strikte Trennung von Politik und Religion vor und geht auf ein Gesetz von 1905 zurück, das die Beziehung des Staates zur Kirche regelt.
Unvereinbar mit dem Prinzip der Laizität
Für zahlreiche Kommentatoren und Politiker, darunter die Justizministerin Rachida Dati, ist auch die jetzige Entscheidung unvereinbar mit der Laizität. Der Fall schlägt derartige Wellen, dass Le Figaro und Libération ihn am Samstag auf die Titelseite genommen haben. Unter der Überschrift ‚Le tribunal fait le ramadan’ hat die linke Libé der Frage drei Seiten gewidmet. Ebenso wie der konservative Figaro hat sie Beispiele gesammelt, da staatliche Institutionen wie Schule oder Krankenhaus aus Rücksicht auf die Religion Ausnahmen zugelassen haben. Aus der Aufregung spricht die Sorge, dass die Laizität langsam aufgeweicht wird.
Allerdings zitiert Libé auch Stimmen aus der Justiz, wonach informelle Absprachen üblich seien, um die Einhaltung christlicher oder jüdischer Feiertage zu erlauben. Im Kommentar verweist Libé darauf, dass die Laizität ein Kompromiss sei, der auch in der Vergangenheit flexibel ausgelegt worden sei. Sie fragt, ob man Ausnahmen, die man Juden und Christen zugestanden habe, nun Muslimen vorenthalten könne, und kommt zu dem Ergebnis, dass solange man daraus keine Regel mache, man durchaus Rücksicht auf den Ramadan nehmen dürfe, ohne dass dies gleich das Prinzip der Laizität in Frage stellt.