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Kann die Europäische Union die Beschäftigung wiederankurbeln?

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Brüssel

Von Jeanne Heuré (Live vom EU-Gipfel) Übersetzt von Patricia Fridrich Im großen Maßstab die Arbeitslosigkeit bekämpfen? Ja. Die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern, um dieses Ziel zu erreichen? Natürlich. Gute Arbeitsbedingungen anstreben. Selbstverständlich! Aber wer soll das alles tun? Wir kennen diese Sätze. Man muss das Wachstum ankurbeln, um die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern.

Der am 28. und 29. Juni 2012 verabschiedete Pakt für Wachstum und Beschäftigung hat dieses Vorhaben auf europäischer Ebene konkretisiert. Doch wir wissen, dass jeder Staat sein eigenes Arbeitsmarktmodell hat und sich an eine unterschiedliche historische und politische Logik anpasst. Was genau ist dann die europäische Strategie für die Schaffung von Arbeitsplätzen? Oder besser gesagt, kann es überhaupt eine europäische Strategie für die Schaffung von Arbeitsplätzen geben? Was wir im Moment haben, ist ein Pakt zur Wiederherstellung des Anlegervertrauens, zur Wiederankurbelung von Wachstum und Beschäftigung ... und damit zur Wahrung der Währungsunion. Das Thema Beschäftigung ist hierbei besonders wichtig, da es direkte Auswirkungen auf die EU-Bürger hat, aber es ist auch am schwierigsten zu handhaben. Europa kann tätig werden durch eine Ausweitung des Binnenmarktes, dessen Fertigstellung als Motor der wirtschaftlichen Erholung (und somit der Schaffung von Arbeitsplätzen) gilt. Aber was kann Europa noch tun? Was sagt die Kommission dazu? Vieles.

In seinem Bericht an die Staats- und Regierungschefs schlägt Barroso Leitlinien vor, um die geplante wirtschaftliche Erholung und die Schaffung von Arbeitsplätzen umzusetzen. Er nimmt darin von der Europäischen Union bereits in Gang gebrachte Initiativen wieder auf und setzt sich für ihre verstärkte Umsetzung ein. Die Europa-2020-Strategie beispielsweise wird als das am meisten durchdachte Mittel vorgestellt, um das Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen zu erreichen. Eine Komponente dieser Strategie ist speziell auf den Arbeitsmarkt/die Arbeitsmärkte gerichtet und zielt darauf ab, „die Beschäftigungsquote in Europa zu steigern, mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen, vor allem für Frauen, junge Menschen und ältere Arbeitskräfte; Personen aller Altersgruppen durch Investitionen in Kompetenzen sowie in die allgemeine und berufliche Bildung in die Lage zu versetzen, Veränderungen vorauszusehen und zu bewältigen; die Arbeitsmärkte und Sozialsysteme zu modernisieren,“ wie es auf der Website der Europäischen Kommission heißt. Diese Initiative steht nicht alleine da. Barroso besteht auf der Notwendigkeit, den Binnenmarkt zu erweitern, damit die noch bestehenden Schranken für den Austausch beseitigt und das Wachstum und die Beschäftigung in Europa angekurbelt werden. Er erklärt, man müsse Europa verbinden („Connecting Europe“), eine Innovationsunion gründen, Investitionen für das Wachstum tätigen, insbesondere im Privatsektor, sowie Steuern wie beispielsweise die Finanztransaktionssteuer einführen. Barroso erwähnt auch den von der Kommission eingerichteten Beschäftigungspakt, der unter anderem vorschlägt, das europäische Arbeitsvermittlungsinstrument zu stärken. So viele Vorschläge… von denen einige hinken. Die Initiativen der Strategie Europa 2020 scheinen seit ihrer Gründung bedeutungslos zu sein, da ihre zwischen 2007 und 2008 ausgearbeiteten Ziele infolge der Wirtschaftskrise in Vergessenheit geraten sind; die Finanztransaktionssteuer findet „auf keinen Fall allgemeine Zustimmung”, wie Martin Schulz während seiner Rede vor dem Europäischen Rat erklärte, und der Beschäftigungspakt nimmt nur die bereits bestehenden Austausch- und Kommunikationsstrukturen wieder auf. Wenn die Kommission nur unsichere Lösungen für die Beschäftigungsfrage vorschlagen kann, was bleibt dann auf europäischer Ebene übrig?

Der Europäische Rat sollte Aufklärung über die Fortschritte im Hinblick auf Wachstum und Beschäftigung liefern. Allerdings fiel nur eine Entscheidung im Bezug auf die Bankenunion. Zu Beschäftigungsfragen wurde nichts beschlossen. Die Staats-und Regierungschefs stützen sich auf die Beobachtungen aus dem Bericht der Europäischen Kommission; es scheint jedoch nichts hinzugefügt oder entschieden worden zu sein. François Hollande stellte fest, dass keine Bewertung des Paktes stattgefunden hat, weder von Seiten der Kommission noch von Seiten des Parlaments, und dass „alle Institutionen beteiligt sind”. Die Frage nach der Finanzsteuer wurde nur wenig vertieft. Zehn Staaten haben deutlich ihren Wunsch geäußert, dieUmsetzung der verstärkten Zusammenarbeit zu beschleunigen, um somit einen Teil der Einnahmen für Länder in Schwierigkeiten zu vergemeinschaften oder um einen Fonds für die Ausbildung von Jugendlichen einzurichten und damit die Beschäftigung zu fördern. So hat zwar der dreigliedrige Sozialgipfel gestern Morgen die Notwendigkeit nahegelegt, den sozialen Faktor im Wirtschaftlichen zu berücksichtigen; die Entscheidungsträger jedoch haben sich an sehr ausweichende Vorschläge gehalten.

Die Schaffung von Arbeitsplätzen scheint indirekt durch europäisches Handeln angeregt werden zu können. Programme wie Erasmus oder EURES haben sicherlich zur Entstehung von geistigem und praktischem Wissenstransfer zwischen den Ländern und zur Schaffung einer europäischen beruflichen Mobilität beigetragen. In diesem Sinne kann und muss die EU eine Rolle bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit spielen. Wenn es allerdings darum geht, eine konkrete Strategie für die Schaffung von Arbeitsplätzen im Privatsektor und vor allem im öffentlichen Sektor anzuregen, bleibt die EU machtlos gegenüber nationalen Politiken. Beschäftigung wird weiterhin als Folge der wirtschaftlichen Erholung angesehen und daher nicht als soziales Problem thematisiert. In diesem Stadium der europäischen Integration und in diesen Zeiten der Krise scheint die EU eine für die Beschäftigung notwendige Dynamik darzustellen, die Lösung hierfür ist sie aber nicht.