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Kampf um Irlands Gebärmütter geht weiter

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GesellschaftEU-TOPIA ON THE GROUND

Kirche, Ärzte, junge Aktivisten und verschiedene Vereine haben in den vergangenen Jahren die Debatte über Abtreibung erneut aufleben lassen. Vor kurzem hat das irische Parlament einem Gesetz zugestimmt, welches die Situation entspannen könnte. Doch was steckt wirklich dahinter?

Erst durch den vom irischen Parlament (Oireachtas) im Juli 2013 verabschiedeten Gesetzesentwurf wurde die Abtreibung in Irland endlich legalisiert. Der so genannte Protection of Life During Pregnancy Act  (Gesetz zum Schutz des Lebens während der Schwangerschaft)  erlaubt  eine Abtreibung aber nur, wenn das Leben der Frau „wirklich und wesentlich“ in Gefahr ist. Auch dann zum Beispiel, wenn Selbstmordgefahr besteht, was aus medizinischer Sicht schwer zu beurteilen ist. Die Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren für den Arzt und die Frau, die außerhalb dieses gesetzlichen Rahmens einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, bleibt bestehen. Grundlage dafür ist das Gesetz Offences Against the Person Act („Vergehen an einer Person“) -  ein Gesetz aus dem Jahr 1861, das bis heute nicht abgeschafft wurde. 

Irische Lösung für ein irisches Problem

Seit 20 Jahren und dem Referendum von 1992, mit dem das Recht, sich im Ausland ein Kind abtreiben zu lassen, legalisiert wurde, wird das Thema auf der grünen Insel heftig debattiert. Die „Flucht der Gebärmütter“ hat nie aufgehört: Schätzungen zufolge verlassen jedes Jahr mindestens 4000 Frauen Irland, um eine Schwangerschaft abzubrechen. Irische Frauen lassen Abtreibungen vornehmen, aber sie reden nicht gern darüber. Und sie tun es ohne jegliche Unterstützung vom Staat.

Noch komplizierter ist die Situation für Einwanderer und Asylbewerber. Für sie ist es schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, die Reise anzutreten. Oft können sie sich die Ausgaben, die mit einem Eingriff im Ausland verbunden sind, nicht leisten. Die alte irische Redewendung „An Irish solution to an Irish problem“ (eine irische Lösung für ein irisches Problem) wird verleugnet - denn es gibt sie, die Abtreibungen in Irland. Sie sind nur nicht sichtbar und werden regelmäßig exportiert: zahlreiche Zentren, von denen einige vom Staat finanziert werden, bieten Informationen über die Optionen, die Frauen im Fall einer ungewollten Schwangerschaft haben.

Und eine davon ist die Abtreibung.  Die Irish Family Planning Association, ein Verein für sexuelle Aufklärung und gesunde Fortpflanzung, bietet schwangeren Frauen über sein Netzwerk von Beratern überall in Irland einen kostenlosen Beratungsdienst an. Wenn die Frauen es wünschen, helfen diese Berater dabei, einen Schwangerschaftsabbruch in einer englischen Klinik zu planen und stellen eine Betreuung nach der Abtreibung sicher. In der Beratungsstelle in der Cathal Bruga Street in  Dublin ist man der Ansicht, dass der neue Gesetzesentwurf endlich mehr Transparenz in einer obskuren Gesetzgebung  ermöglichen wird. Es sei jedoch inakzeptabel, dass die Kriminalisierung von Ärzten und Frauen, die an einer Abtreibung beteiligt sind, weiterhin besteht.

Richie Keane, Aktivist bei Doctors for Choice, einer Organisation von Ärzten und Studenten, die für legale und risikofreie Abtreibung in Irland kämpfen, drückt sich expliziter aus: „Wissen Sie, 14 Jahre Haft, das kann einem Angst machen. Aktuell ist die Situation für uns Ärzte besonders frustrierend, weil es kein richtiges Gesetz gibt! Es gibt keine offiziellen Angaben oder Richtlinien für die Ärzte. Zwar sind Verhaftungen sehr selten, aber die Ärzte und Patienten fürchten mögliche legale Konsequenzen.“

Seine Meinung zum Protection of Life During Pregnancy Act fällt ebenfalls negativ aus: „Der neue Gesetzesentwurf weist noch viele Grenzen und Lücken auf.“ Keane glaubt, dass Fragen zur Wehrdienstverweigerung und der Rolle von ethischen Komitees zur Sprache gebracht werden müssen, besonders in einem erzkatholischen Land, in dem eine große Zahl von Krankenhäusern von religiösen Institutionen verwaltet wird. „Der Arzt hat die Pflicht, sich um die Gesundheit der Frauen zu sorgen, unabhängig von seinen Überzeugungen. Abtreibung ist eine Frage der Gesundheit“.

Wir sind alle groß gewordene Embryos

Eine Frage der Gesundheit - sicher. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Debatte über Abtreibung wird von schwer verhandelbaren ideologischen Standpunkten beeinflusst, wie dem der katholischen Kirche. Wo der Sprachgebrauch und die Wissenschaft einen Unterschied zwischen Embryo, Fötus und Kind klar definieren, sehen die Katholiken einen durchgehenden, gleichförmigen Weg - vom Moment der Empfängnis bis zum Erwachsenenleben.

Ein Slogan von Youth Defence, eine der aktivsten und reichsten Organisationen von Abtreibungsgegnern auf nationaler Ebene, die vom Katholizismus untrennbar ist und Finanzen hauptsächlich aus den USA bezieht, lautet: „Wir sind alle groß gewordene Embryos“. Auf ihren Plakaten, die in der ganzen Stadt zu finden sind, liest man „Durch Abtreibung werden keine Leben gerettet, es werden Kinder getötet“. Es ist kein Zufall, dass die Abtreibungsgegner sich mit dem exklusiven Titel 'pro-life' schmücken, als ob der Rest der Welt  für die Auslöschung der menschlichen Art wäre.

 

Auch die oberste Hierarchie der Kirche hat sich selbstverständlich in die Diskussionen über den neuen Gesetzesentwurf eingeklinkt und ist soweit gegangen, den Pro-Politikern die Ausgliederung aus der Kirche anzudrohen. Der Katholizismus ist ein wesentlicher Bestandteil der irischen Kultur und Identität und die Kirche hat es geschafft, ​den Gesetzgebern der Republik Irland seit der Unabhängigkeit im Jahr 1922 einen Großteil ihrer ethischen Vorstellungen aufzuerlegen. Hinzu kommt die spürbare Präsenz der Kirche in den Schlüsselsektoren Gesundheit und Bildung. Religiöse Dogmen nahmen Einfluss auf viele Themen im öffentlichen Interesse: der Verkauf von Verhütungsmitteln war bis 1985 verboten, das Scheidungsverbot verschwand erst 1995 aus der Verfassung und „homosexuelle Aktivitäten“  wurden bis 1993 als Verbrechen angesehen.

Die Errungenschaften dieser Rechte, die nunmehr allen Iren sicher sind, wären nicht ohne all die Massenmobilisierungen avantgardistischer Aktivisten möglich gewesen. Die irische Pro-Choice-Bewegung bringt sich durch aktiven Lobbyismus und die Verbreitung von Informationskampagnen ein, indem sie Frauen, die sich mit einer ungewollten Schwangerschaft auseinandersetzen müssen, Unterstützung anbietet.

SELBSTBESTIMMUNGSKULTUR

Der Verein Abortion Rights Campaign (ARC) ist die Dachorganisation mehrerer Vereine und Organisationen aus dem ganzen Land. Nach dem tragischen Tod von Savita Halappanavar, eine junge Inderin, die aus medizinischen Gründen abtreiben wollte und nach Ablehnung seitens der Kirche ihrer Krankheit erlag, hat ARC seine Bemühungen verstärkt. Kate erklärt, dass Abtreibung ebenfalls eine Frage des Rechts auf Gesundheit sei: „In Irland ist das Verhalten gegenüber Abtreibung diskriminierend: eine schwangere Frau kann nicht von derselben medizinischen Versorgung profitieren wie eine Frau, die nicht schwanger ist, weil der Fötus laut unserer Verfassung auch Rechte hat“.

Eine der gravierendsten Lücken im neuen Gesetzesentwurf betrifft die Möglichkeit abzutreiben, wenn der Fötus außerhalb der Gebärmutter nicht lebensfähig wäre: Dadurch wird eine Frau dazu gezwungen, die Schwangerschaft fortzusetzen, selbst wenn bereits feststeht, dass das Kind eine Totgeburt sein wird. Das irische Gesetz bedroht nicht nur weiterhin die Gesundheit von Frauen, sondern negiert auch weiterhin deren Recht auf Selbstbestimmung: „In Irland kann man nur dann abtreiben, wenn man in Lebensgefahr ist. Das ist Mist!“. ARC bietet klare und detaillierte Informationen über eine Abtreibung im Ausland und die Abtreibungspille, die man online kaufen kann und die bis zur neunten Schwangerschaftswoche risikofrei eingenommen werden kann.

Andere Vereine wie  Abortion Support Network unterstützen Frauen, indem sie einen Teil der Kosten für die Abtreibung im Ausland übernehmen. Wieder andere wie der Verein  Women on Web  helfen den Frauen bei der Beschaffung der Abtreibungspille.

Die Debatte über Abtreibung wird nicht nur in Irland fortgesetzt. Heutzutage ist die Abtreibung in vielen Ländern der Welt, besonders in Afrika, Südamerika und Zentralasien, noch immer illegal oder leidet unter beträchtlichen Einschränkungen. Das zeigt sich aktuell auch in dem vor kurzem reformierten Gesetz zur Abtreibung in Spanien. Neuen Berichten zufolge soll es auch in Italien immer schwieriger sein, eine Abtreibung vornehmen zu lassen.

Dieser Artikel ist Teil der Reportagereihe EUtopia on the ground, die jeden Monat die Frage nach der Zukunft Europas aufwerfen soll. Dieses cafébabel-Projekt wird von der Europäischen Kommission im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem französischen Außenministerium, der Fondation Hippocrène sowie der Charles Léopold Mayer-Stiftung unterstützt.

Translated from Pro-choice  VS  Pro-life: il campo di battaglia è a Dublino