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Kalkbrenners Kalkül - Musik für die Massen

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Lea Sauer

Kultur

Fritz Kalkbrenner veröffentlicht zwei Jahre nach seinem letzten Coup sein neues Album Ways over Water und präsentiert sich in gewohnter Manier irgendwo zwischen Soul und House. cafébabel traf den Musiker in Paris zum Interview und musste feststellen: ganz normal der Typ.

Fritz ist der kleine Bruder von dem mit dem aus dem Film. Fritz ist die Stimme aus dem Hit von damals, weißt du noch? 2009. Da war Sky & Sand in aller Ohren. Aber der Fritz macht auch selbst Musik und das ziemlich erfolgreich. Mit seinem letzten Album landete er in Deutschland auf Platz 6 der deutschen Albumcharts und füllt Hallen auf der ganzen Welt. Jetzt hat Fritz sein drittes Album herausgebracht. 

Pariser Hotel. Nicht edel, aber auch kein Trash, irgendwo im 9. Arrondissement. Ziemlich zentral und praktisch. Gutbürgerlicher Standard würde man sagen. Er lässt mich warten. Aber nur weil er sich gerade noch Tipps fürs Mittagessen holt und ein paar Fotos macht. Er lächelt nett, Handschlag. Irgendwie sieht er ganz normal aus für jemanden, der zu den größten deutschen Musikexporten gehört und zum Beispiel auf dem diesjährigen Melt!-Festival zur Primetime spielte. Sein unverwechselbarer Mix aus Soul und eingängigem House machte ihn zum DJ-Star. Facettenreichtum ist nicht seine Stärke, seine markante Stimme allerdings schon. So wie seine Musik zeigt sich auch der kleine Kalkbrenner: man bekommt, was man erwartet. Der Typ ist bodenständig, nicht zu egozentrisch, ganz normal eben. Für mich auf den ersten Blick kein Künstlertyp.

Aber vielleicht macht das auch die Berliner Schnauze, die man nicht überhören kann, weeßte? Und offenbar will er auch etwas sagen, denn einfach nur Musik für die Massen zu machen, ist nicht sein Ding. Ich bin überrascht, denn die aktuelle Platte Ways Over Water (beim Label suol music) ist für mich der Inbegriff von Massentauglichkeit. Eingängige Beats hier, ein paar Loungemelodien da, seine markante Stimme, die das ganze mit Texten zum Mitsingen unterlegt... Es fällt schwer zu glauben, dass da kein Kalkül dahintersteckt. Hat doch auch vorher funktioniert, das wird der Typ ja auch wissen. Aber Kalkbrenner verneint, als ich dreist frage, ob er beim Schreiben der Songs immer auch schon an die tanzende Menge denkt: "Es muss mir selbst die Schuhe ausziehen. Dann ist das für mich ein guter Track." Und wenn man ihn so sieht, dann glaubt man ihm das auch. Das ist eben sein Geschmack. Und damit trifft er eben den Nerv. Ein Mann der Masse eben. 

Video und Text zur aktuellen Single Back Home gehen Hand in Hand. Beide erzählen die Geschichte, die auch den Albumtitel prägt. Ways over Water - Wege, die über das Wasser führen - gilt es zu finden: "Wenn man ein Problem hat, dann erscheint es zunächst so, als wäre es unmöglich, das zu überwinden. Es ist immer eine tiefwirkende und schwere Erfahrung. Ab da fängt dann die Challenge, die Auseinandersetzung an, daran zu arbeiten und es doch zu überbrücken". 

Das offizielle Musikvideo zur Single Back Home 

A propos, Back home. Wo ist denn ein Kalbrenner eigentlich zuhause? Jemand der den Großteil des Jahres unterwegs ist? "Ich bin schon, wenn man so will, ein Weltenbürger. Aber ich berge auch immer noch so ein Sammelsurium an Eigenheiten, die natürlich deutsch sind. Wie z.B. Pünklichkeitsversessenheit. Wenn die Veranstalter mich abholen sollen und sind etwas zu spät, da guckst du als Deutscher nach zwei Minuten auf die Uhr. Und Ur-Berliner bin ich ja auch noch", sagt er und schiebt sich ein Bonbon in den Mund. "Ich habe auch immer wieder festgestellt, dass mein Publikum auch überall gleich geil ist. Ein technoverknallter Spanier kann mit irgendeinem Schweden viel schneller einen Anschluss finden, als er es mit einem Heavy-Metal-Spanier könnte. Musik ist ein einigendes Element". Aha. Kalkbrenner ist so einfach, der macht es einem nicht leicht. Mit seinem Bäuchlein und den Geheimratsecken erinnert er auch ein bisschen an einen Papa und nicht an einen Popstar. 

"Ja, guck noch mal, ob du auch alles gefragt hast", sagt er ein bisschen süffisant zum Abschluss. Und er hat ja auch das Recht dazu. Schließlich war er selbst mal Musikjournalist und weiß, wie der Hase läuft. Sein Musikwissen ist riesig, aber Elektromusik hört er eher nicht. Eher "viel Marvin Gaye, Curtis Mayfield…die ganzen Willi Mitchel-Sachenso richtige Soulproduktionen", die ihn auch früher schon geprägt haben. Er ist eben eher Musiker als DJ und das merkt man auch. Auf der Bühne singt und mixt er gleichzeitig, im Studio schreibt er alle Songs allein. Der Mann kann sein Handwerk. Künstler ist er für mich trotzdem nicht. Aber muss er ja auch nicht sein. Den meisten gefällt's ja und dann ist das schon ok so, weeßte? 

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