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Kaczynski war kein König: Präsidenten-Begräbnis spaltet Polen

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n- ost

Politik

In den vergangenen Tagen kreisten weltweit Bilder von der Trauer in Polen durch die Medien. Doch nun zeigt sich ganz unerwartet ein Riss auf diesem Bild: Kaczynskis Familie hat als Grabstätte das Krakauer Schloss Wawel ausgewählt - viele Polen halten dies für übertrieben.

Man stelle sich nur mal vor, Präsident Sarkozy würde im Invalidendom neben Napoleon gebettet oder Berlusconi fände im römischen Pantheon die letzte Ruhe. Das Ende der Solidarität in Polen?

Weder in der Warschauer Erzkathedrale noch in der Familiengrabstätte in Warschau - das Präsidentenpaar soll auf dem königlichen Schloss Wawel in Krakau bestattet werden. Das hat die Familie der Kaczynskis so entschieden. Doch dieser Beschluss spaltet die in Trauer vereinte Bevölkerung.

„Powazki-Friedhof ja, Wawel nicht“, „Nicht auf dem Wawel“, „Kaczynski war kein König“, steht auf den Transparenten der über 500 Menschen, die sich Dienstagnacht vor der Krakauer Kurie versammelt haben. „Seit Samstag habe ich um den Präsidenten und die anderen Opfer getrauert. Ich finde es eine Tragödie“, sagt Barbara, eine Krakauerin, die mit dabei ist. „Aber ihn nun auf dem Wawel zu begraben, das finde ich übertrieben.“ Er passe einfach nicht in die dortige Gesellschaft, ergänzt ein junger Mann. Die Bilder aus dem nächtlichen Krakau spalten die trauernde polnische Nation der letzten Tage.

Die polnische Nation ist gespaltenAm Dienstagabend wurde bekannt gegeben, dass Präsident Lech Kaczynski und seine Frau auf dem Königsschloss in Krakau, der ehemaligen Hauptstadt Polens, begraben werden sollen. Bis zum 17. Jahrhundert fanden dort reguläre Bestattungen statt. Danach wurde nur für die Gebeine der bekanntesten Führer und Poeten eine Ausnahme gemacht, u.a. für den Nationalpoeten Adam Mickiewicz und den Marschall Jozef Pilsudski. Andere hochrangige Politiker, darunter der letzte König Polens Stanislaw August Poniatowski und auch die Präsidenten der Zwischenkriegszeit, ruhen in der Warschauer Erzkathedrale. Jetzt soll, zur großen Überraschung vieler Polen, mit dieser Regel gebrochen werden.

Seit der Flugzeugkatastrophe bei Smolensk am Samstag wurde immer wieder spekuliert, wo der Präsident und seine Frau sowie weitere Unfallopfer ruhen sollten. In der Gerüchteküche wurde ohne Zweifel auf einen der möglichen Warschauer Orte spekuliert: entweder die Erzkathedrale in der Altstadt, wo die vor dem Krieg amtierenden Präsidenten liegen, der neu gebaute Tempel der Gottvorsehung oder der Friedhof Powazki, wo die Kaczynskis eine Familiengrabstätte besitzen.Die Entscheidung, das Präsidentenpaar in Krakau beizusetzen, sei von der Familie der Kaczynskis, insbesondere vom Zwillingsbruder des tödlich verunglückten Präsidenten Jaroslaw, getroffen worden. Jaroslaw Kaczynskis Bewunderung für Marschall Jozef Pilsudski ist allseits bekannt. Auch Lech Kaczynski war von Pilsudski fasziniert und berief sich öfter in seiner Politik auf ihn. Jetzt soll er ausgerechnet in einer Krypta neben dem Marschall die letzte Ruhe finden.

Das Schloss Wawel sei der richtige Bestattungsort für Lech Kaczynski, sagte Stanislaw Dziwisz, der Krakauer Kardinal. „Der Präsident ist auf eine besondere Art gestorben, man kann sagen heldenhaft, denn er flog nach Katyn, um die polnischen Märtyrer zu ehren.“ Deshalb solle der Name Lech Kaczynskis neben den berühmten Polen und anerkannten Helden stehen, betonte der Kardinal. Er hoffe, dass diese Entscheidung die Polen weiter einen werde. „Es ist eine symbolische Ehre für alle Opfer des Unglücks sowie für die Offiziere und Menschen, die vor 70 Jahren in Katyn ermordet worden sind“, sagte auch Jaroslaw Gowin, ein Abgeordneter der Bürgerplattform. Sofort nach der Bekanntgabe des Beisetzungsortes tauchten mehrere kritische Stimmen auf. „Es ist eine ziemlich ungünstige Idee“, urteilte Philosoph Jan Hartman. Bischof Tadeusz Pieronek gab zu verstehen, es sei nicht nur die Familie, sondern auch die Nation, die über das Begräbnis des Präsidenten entscheiden sollte. Der letzte Präsident im Exil, Ryszard Kaczorowski, der ebenfalls bei dem Flugzeugunglück in Russland ums Leben kam, wird auch in Warschau ruhen. „Für mich persönlich ist die Sache klar - Staatsoberhäupter werden in der Hauptstadt begraben, und zurzeit ist dies Warschau“, so Pieronek. In Krakau sind indes weitere Proteste angekündigt worden.

Begräbnis am Sonntag, 18. April 2010

Für das offizielle Begräbnis des Präsidentenpaares am Sonntag haben Politiker aus aller Welt ihre Teilnahme zugesagt: US-Präsident Barack Obama, der russische Präsident Dmitri Medwedew, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Horst Köhler, Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite, der Vorsitzende der Europäischen Kommission Jose Manuel Barosso, der Vorsitzende des Europäischen Rates Herman Van Rompuy, NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, die Präsidenten von Georgien, Estland, Bulgarien sowie Vertreter weiterer Staaten. Einen Tag vor der Bestattung in Krakau wird eine Trauerzeremonie für alle 96 Opfer in Warschau stattfinden. Die Bürgermeisterin von Warschau, Hanna Gronkiewicz-Waltz, versicherte, dass allen Interessierten ein Platz auf dem bekannten Warschauer Friedhof Powazki angeboten werde.

Die Autorin des Artikels, Agnieszka Hreczuk, ist Mitglied des Korrespondeten-Netzwerkes n-ost.

Fotos: ©Piotr Pawłowski/flickr; ©Nick Lüthi/flickr

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