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Jungforscher Didac Carmona-Gutiérrez: Vom Selbstmord der Hefezellen

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Gesellschaft

Solange sich Brot oder Bier nicht während einer Mahlzeit spontan ins Jenseits verabschieden, dürfte der Selbstmord von Hefezellen nur für wenige Menschen von Interesse sein. Der spanische Jungforscher Dr. Didac Carmona-Gutiérrez es hat es trotzdem geschafft, sein Publikum für das Thema zu begeistern und damit das diesjährige FameLab 2012 gewonnen.

Der junge Spanier lächelt. Es ist Sommer und wir sitzen in einem idyllischen Café in Graz. Eine Woche zuvor hat die Furiaroja die Europameisterschaft gewonnen und mit spanischem Tiki-Taka ihre Gegner schwindlig gespielt. Aber nicht nur die futbolistas der iberischen Halbinsel spielen so, auch viele Forscher von dort sind es: Weltklasse. Unter ihnen auch Didac Carmona-Gutiérrez. Der 32-jährige Jungforscher gewann am 15. Juni für Österreich das internationale Finale des Famelab-Wettbewerbs beim Cheltenham Science Festival in England. Bei Famelab treten junge Wissenschaftler aus aller Welt an, um unter dem Motto "Reduce to the max" ihre aktuelle Forschung zu präsentieren. Wer nun an einen trockenen Fachvortrag denkt, hat Famelab noch nie miterlebt. Bei dem Wettbewerb geht es darum, Forschung so spannend und zugänglich zu präsentieren, dass auch Laien sich für Wissenschaft begeistern können. Und das kann Didac verdammt gut.

Selbstmord von Hefezellen kann gegen Alzheimer und Krebs helfen

Nach einem angeregten Gespräch über Fußball - der aus Barcelona stammende Wahlsteirer hat natürlich alle EM-Spiele der spanischen Mannschaft verfolgt und spielt selbst leidenschaftlich gern -erklärt Didac, was an Hefezellen so interessant sei - und warum deren Selbstmord dazu beitragen könnte, Menschen von Alzheimer oder Krebs zu heilen.

Wenn der junge Wissenschaftler spricht, möchte er sein Publikum für sich gewinnen. Deshalb erzählt er mit spannenden Vergleichen und viel Humor: „Angefangen hat alles mit meinen Eltern und meiner Schwester Celia: Ihnen wollte ich unbedingt verständlich machen, was ich denn so studiere und im Labor treibe“, erinnert er sich. Mit Wissenschaftskommunikation beschäftigt sich Didac schon länger. Er wirkt zum Beispiel bei dem von der Uni Graz für Kinder, Jugendliche und Erwachsene angebotenen Offenen Labor mit, das von seinem Freund und Kollegen Helmut Jungwirth geleitet wird; ebenso bei der Langen Nacht der Forschung. So kam er auch zu Famelab.

"Ich finde es faszinierend, dass eine Zelle im Körper Selbstmord begeht, damit der Körper gesund weiterleben kann", so Didac. Er erforscht, was passiert wenn dieser Mechanismus nicht mehr richtig funktioniert und was man dagegen tun kann. Wenn sich eine mutierte Zelle nämlich nicht mehr selbst zerstört und deshalb unkontrolliert vermehrt, kann ein Tumor entstehen. Begehen hingegen Zellen Selbstmord, die nur schwer ersetzbar sind, wie z.B. Nervenzellen, kann dies zu neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Huntington führen. Auch der Prozess des Alterns hängt eng mit dem Zelltod zusammen. 

Warum gerade Hefe? 

"Hefe als Modellorganismus für Zelltod klingt natürlich zuerst komisch." Nach der Entdeckung dieses Vorgangs vor 15 Jahren, sei auch die Wissenschaftscommunity zuerst skeptisch gewesen. "Wenn eine Zelle in deinem Körper ein Problem hat, ist es nachvollziehbar, dass sich diese Zelle, die Teil des körperlichen Netzwerks ist, umbringt, damit der Körper gesund bleibt. Dieser Mechanismus macht intuitiv Sinn. Schwieriger ist es bei Hefe. Als Einzeller ist eine Hefezelle vermeintlich der ganze Organismus, praktisch der Körper selbst, warum sollte sich diese also umbringen? Das macht keinen Sinn. Eine solche Hefezelle ist nicht - wie oft angenommen - komplett unabhängig von den Zellen, die sie umgeben. Die Zellen interagieren miteinander, sie sind eine Art Zellgemeinschaft. Defekte Zellen bringen sich um, um keine Ressourcen mehr zu verbrauchen und den fitteren Zellen zu ermöglichen, das intakte Erbgut, das diese Zellgemeinschaft definiert, weiterzugeben. Es ist faszinierend, wie oft Entdeckungen bei simplen Hefezellen direkt auf menschliche Zellen übertragen werden können. Außerdem können Erkenntnisse bei der Bäckerhefe auf dem Zelltodgebiet teilweise direkt auf andere Einzeller insbesondere pathogene Pilze aber auch einzellige Parasiten angewendet werden, was bei der Bekämpfung verschiedenster Krankheiten sehr weiter hilft."

Zur Biochemie kam Didac über Umwege. In Barcelona besuchte er eine bilinguale Schule, weshalb er perfekt Deutsch spricht. Nach der Reifeprüfung bot das Land Baden-Württemberg ihm ein Stipendium an. In seiner Schulzeit waren seine Interessen breit gefächert, neben den Naturwissenschaften zogen ihn auch die Geisteswissenschaften an. So – über Philosophie, Fußball und Biochemie – lernte er während seiner Studienzeit in Tübingen auch seinen mittlerweile guten Freund Frank Madeo kennen, dem Begründer der Zelltodforschung in Hefe. Er bekam eine Einladung zur Mitarbeit und entschloss sich, diesem Ruf zu folgen. Als Didac im Februar 2005 das erste Mal nach Graz kam, welches ihm Freunde als mediterrane Stadt angepriesen hatten, begrüßten ihn zwei Meter Schnee und der härteste Winter der vergangenen Jahre.

Sommer wie der heurige haben ihn aber doch noch vom mediterranen Flair der Murmetropole überzeugen können. Wenn die Hefekolonien gerade im Labor reifen, kickt er gerne mit Freunden, schreibt Gedichte und Kurzgeschichten oder arbeitet an seinem internationalen Musikprojekt "silentdeviation". Oder er spielt, seiner Freundin Maria zuliebe, Volleyball… „mit Steigerungspotential“, wie er meint. Den Famelab 2012 Publikumspreis des nationalen Wettbewerbs hat Maria auch gewonnen - knapp vor einem gewissen Dr. Didac Carmona-Gutiérrez, der dafür den Jury-Preis gewann und zum Cheltenham Science Festival fahren durfte. "Ich freue mich, wenn ich die Faszination an der Forschung weitergeben kann. Famelab hat mir große Freude gemacht!" Uns auch Dr. Didac, und unser Frühstücksbrot werden wir ab jetzt mit völlig anderen Augen sehen.

Illustrationen: Fotos ©famelab.at/2012; Video (cc)famelab/YouTube