Junge Populisten: Eine verlockene Alternative?
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Barbara BraunNein zu Merkel, nein zum Euro, nein zum freien Markt: Darum geht es den jungen deutschen Euroskeptikern. Die kaum ein Jahr alte Partei Alternative für Deutschland (AfD) hat bei den Europawahlen 7% der Stimmen eingefahren. Ihre Gegner werfen ihnen Populismus und Verharmlosung nationalistischer Strömungen vor. Wie sehen sie das selbst?
Die AfD hat im März ihr einjähriges Bestehen gefeiert. Die vom Volkswirt und Euroskeptiker Bernd Lucke gegründete Partei ist außerhalb der Grenzen Deutschlands jedoch noch wenig bekannt. Die AfD zählt heute 19.000 Mitglieder, darunter auch eine Gruppe von 400 jungen, radikalen und polemisierenden Aktivisten, die Junge Alternative (JA).
Politisch lieber unkorrekt
Bevor ich nach Berlin aufbreche, kontaktiere ich via Skype Philipp Ritz, 32 Jahre alt, Mitglied der AfD und Pressesprecher der JA. Gleich zu Beginn unserer Unterhaltung zieht der junge Aktivist populistische Parolen einer politisch korrekten Aussage vor. „Ich hasse Politiker", meint er und schneidet Grimassen, „sie tendieren zu Korruption und sagen dem Volk nie die Wahrheit". Die europäischen Institutionen findet er antidemokratisch. Er wirkt sichtlich genervt, als er über „die forcierte Verabschiedung des Vertrags von Lissabon" spricht. Er will, dass die stark verschuldeten Länder aus der Eurozone fliegen. Als ich ihn frage, ob seine Gruppe populistisch agiere, meint er entgegen meinen Erwartungen, dass Populismus eine gute Sache sei: „das heisst, dass wir volksnah sind."
Der Diskurs des Pressesprechers der jungen Euroskeptiker ist radikaler als jener der Kernpartei. Die Jungen Alternativen lassen auch sonst kein brenzliges Thema aus: von Libertarismus über Kriminalität bis hin zu Antifeminismus. Die AfD hingegen konzentriert sich in ihrem Programm auf Wirtschaftspolitik und wehrt sich gegen jede Art von politischer Etikettierung. Experten siedeln die Partei trotzdem eher im rechten Lager an, gleich neben der CDU von Angela Merkel. Professor Nils Diederich von der Freien Universität Berlin sagt, dass die Partei auf politischer Ebene nicht nationalistisch sei, wie es bei anderen europaskeptischen Parteien der Fall sei. Er würde sie eher als nationalistisch auf der wirtschaftlichen Ebene einstufen.
Eine Starke Wirtschaft
Ich treffe Norbert Kleinwächter, AfD-Mitglied und Abgeordneter im Kreistag Dahme-Spreewald, in der Nähe des stillgelegten Flughafens Tempelhof. Für unser Treffen hat er ein asiatisches Lokal mit kitschigem Dekor und Popmusik ausgesucht. Wir bestellen zwei Colas. Der 28-jährige Gymnasiallehrer drückt in lupenreinem Französisch seine Sorge über einen möglichen Sieg des Front National bei den nächsten Präsidentschaftswahlen in Frankreich und einen Austritt des Landes aus der EU aus. Er erklärt auch, dass der Euroskeptizismus der AfD sich wesentlich von jenem der Front National oder von UKIP unterscheide. Die AfD sei gegen den Euro, nicht gegen die EU. Das würden aber nicht alle verstehen. „Eine meiner Bekannten hat mich als Facebook-Freund gelöscht, als sie erfuhr, dass ich bei der AfD bin. Sie hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, mit mir darüber zu reden", bedauert Norbert.
Er will den Jungen Alternativen derzeit nicht beitreten, der politische Leitfaden der Gruppe sei zu vage. Norbert habe sich in einer euroskeptischen Partei engagiert, „um den europäischen Grundgedanken zu retten, der von der Krise bedroht wird". Dafür macht er den Euro verantwortlich. „Wir wollen den Mitgliedsländern die Möglichkeit geben, aus dem Euro auszusteigen", erklärt Norbert. Dabei meint er aber nicht etwa die Rückkehr zur deutschen Mark. Die AfD wolle eine starke deutsche Wirtschaft ohne Währungsabwertung, verschuldete Länder sollen ferngehalten werden. Dabei zeigt die AfD vor allen Dingen mit dem Finger auf Griechenland.
Es sei allerdings nicht besonders sexy, über Wirtschaft zu sprechen. Deshlab vereinfache die AfD ihren Diskurs, um Wähler anzuziehen, und gerate auch dadurch in populistisches Fahrwasser. „Es stimmt, dass wir unsere Konzepte für den Wahlkampf in sehr einfache Aussagen verpacken mussten, allein schon damit sie auf einem Plakat Platz haben", gibt Norbert zu. Da hieß es etwa: „Die Griechen leiden. Die Deutschen zahlen. Die Banken kassieren." Oder: „Mehr für Bürger. Weniger Brüssel."
Dem Nationalismus auf den Fersen
Die AfD als durchaus demokratische Partei hat mit diesem alternativen Diskurs aber auch nationlistische Grüppchen angezogen. Norbert Kleinwächter beteuert, dass die Partei keine radikalen Mitglieder akzeptiere. „Wir fragen alle neuen Mitglieder nach ihren vergangenen Parteimitgliedschaften. Wenn dabei die NPD auftaucht, lehnen wir ihren Antrag ab", erklärt er. In seiner Regionalgruppe muss Norbert übrigens demnächst gemeinsam mit dem Exekutivausschuss über einen solchen Mitgliedsantrag entscheiden.
Ein paar Tage später treffe ich Sebastian Kowalke. Er ist Mitglied der AfD und der Jungen Alternativen in Charlottenburg. Wir schlängeln unseren Weg durch den vorbeiziehenden Gay-Pride und landen im Ambrosius, einem Stammlokal der AfD. Der 21-jährige Student erklärt uns, warum die Jungen Alternativen radikaler als die Kernpartei sind. „Sie haben weniger zu verlieren als die Älteren, die Familie und Job immer im Hinterkopf haben. Wir fühlen uns freier und verteidigen unseren Standpunkt." Was die nationalistischen Mitglieder betrifft, meint der Aktivist, dass er immer gerne mit ihnen diskutiert, um sie davon zu überzeugen, dass Extremismus keine Lösung ist.
Um weiter glaubhaft zu bleiben, muss die AfD nationlistisch gesinnte Mitglieder fernhalten. Die Partei sollte daher auch auf das politisch korrekte Verhalten seiner Jungorganisation ein Auge haben. Letztere hat übrigens nicht gezögert, Nigel Farage, den britischen UKIP-Vorsitzenden, als Redner zu einer Konferenz in Köln einzuladen und sich dadurch den Zorn der AfD-Miglieder zuzuziehen. Professor Diederich warnt vor der Lebensdauer dieser neuen Partei, die nun 7 Sitze im Europäischen Parlament hat. Das könnte auch deshalb riskant werden, weil nur einer von zwei Deutschen gewählt hat. Schließlich gewinnen alternative Parteien immer dann mehr Stimmen, wenn die Wahlenthaltung sehr hoch ist.
Diese reportage wurde im Rahmen des Projekts "EUTOPIA – TIME TO VOTE" in berlin verfasst. Das projekt ist in zusammenarbeit mit der Hippocrène-Stiftung, der Europäische Kommission dem Französischen Aussenministerium und der Evens-Stiftung durchgeführt worden. Finde bald alle Artikel aus Berlin auf der startseite von cafébabel.
Translated from Jeunes populistes en Allemagne : l'alternative séduisante ?