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Jung und schön: Die neuen Gesichter des ungarischen Rechtsextremismus

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Politik

« Cool und sexy » - so wollen die Neuzugänge der Jobbik, Ungarns rechtsextreme Partei, aussehen, die zunehmend auch bei jungen Leuten punktet. Weit entfernt vom Klischee der Fascho-Glatze, haben die neuen Jobbik-Anhänger heute unterschiedliche Gesichter und politische Wünsche. 

„Ich bin einer von ihnen“, „Die Zukunft gehört uns“, rufen junge Menschen mit glänzenden Augen und hippen Klamotten im Video der jungen Abteilung der ungarischen Jobbik-Partei. Sie ermutigen die ungarische Jugend, ihrer Community beizutreten, in der man „auch auf mich Acht gibt“ oder „in der ich meine besten Freunde getroffen habe“. Diese Slogans klingen vielleicht kitschig, aber Jobbik kann mittlerweile auf 33% junge Wähler unter seinen Anhängern zählen. Tendenz steigend. Im Jahr 2015 ist die Popularität der rechtsextremen Partei um weitere 2% gestiegen, laut einer Studie des Instituts TARKI auch unter den 18-25-Jährigen.

Radikale Rechte legt zu

Jobbik, oder auch Bewegung für ein besseres Ungarn, ist eine 2003 gegründete rechtsextreme Partei, die seit 2009 auch offiziell im Europaparlament sitzt und ein Jahr später die ersten Sitze im ungarischen Parlament vereinnahmte. Im gleichen Jahr wird in Budapest auch die Schirmorganisation Europäische Allianz der nationalen Bewegungen gegründet, welche die meisten nationalistischen Parteien Europas, so zum Beispiel den französischen Front National, umfasst. Letzterer kündigte dem Klub jedoch 2011 schon wieder die Freundschaft. Die Zusammenkunft sei den französischen Nationalisten dann doch etwas zu extremistisch.

Die Wahlergebnisse der Jobbik, ähnlich wie die aller nationalistischen Parteien, die zu den Europawahlen 2014 Punkten konnten, geben zu denken: Die ungarischen Extremisten erzielten 17% der Wählerstimmen 2010 und 20% in 2014. Im gleichen Jahr haben außerdem die Kommunalwahlen in Ungarn das Ergebnis insgesamt gefestigt, wie es eine weitere Studie des TARKI zeigt. Heute ist Jobbik offiziell die zweitstärkste politische Kraft Ungarns hinter FIDESZ, der rechtskonservativen Partei von Premierminister Viktor Orbán. Für 2018 hat sich Jobbik vor allem eins auf die Fahnen geschrieben – sie möchte mit allen Mitteln in Ungarn mitregieren.

Plüschiger Extremismus

Gábor Vona, der charismatische Präsident der Jobbik, hat eine Mission. Er will das radikale Image seiner Partei abmildern und deren Hipster-Potenzial nutzen. Zur Kampagne 2014 posierte er wahlweise mit Hunden, Katzen oder Babys. Auf den Plakaten sind viele Gesichter zu sehen und knackige Slogans zu lesen: „Man kann die Zukunft nicht aufhalten“. Im Vergleich zum Slogan von 2010 „Für eine radikale Wende!“ hat die Partei alles herausgefiltert, was potenzielle Neuwähler abschrecken könnte.

Attila, ein junger, 28-jähriger Ingenieur, der Assistent des Jobbik-Abgeordneten Zsolt Egyed im ungarischen Parlament ist, findet sich bestens in dieser Sichtweise wieder. „Für mich war eine Versammlung 2014 ausschlaggebend. Ich war glücklich, endlich auch die junge patriotische Community zu Gesicht zu bekommen, die ihrem Land dienen möchte. Mit ihnen geht es in Gesprächen nicht mehr nur oberflächlich um Mädchen, Autos, Geld oder die Zukunft im Ausland. Es war beruhigend, von Ordnung, Gott, der Familie und unserem Kulturerbe sprechen zu können“, erklärt er. Interaktivität und eine konstruktivere Auseinandersetzung sind die neuen Schlüssel der Jobbik-Kommunikation. Das kann man auch auf der Facebook-Seite sehen, die fast doppelt so viele Likes wie die Seite der Regierungspartei FIDESZ zählt.

« Es ist ziemlich schwer geworden, von einem typischen Jobbik-Wählerprofil zu sprechen. Es ist nicht mehr so wie vor fünf Jahren, als das Image das eines armseligen Losers vom Lande war. Heute können Jobbik-Wähler aus allen sozialen Schichten und jedweder Herkunft sein. Das Image, das heute dominiert, ist das einer Person, die lieber agiert als nur redet“, erklärt Peter, ein 33-jähriger Programmierer aus Budapest und Anhänger der ungarischen Grünen Párbeszéd Magyarországért.

« Diejenigen, die sich lieber bei Jobbik als bei anderen Parteien engagieren, tun dies, um etwas auf lokaler Ebene zu bewegen.“ Das findet zumindest Gergő, 28 Jahre, aus Mezőkövesd. Auch Attila ist ähnlicher Meinung: « Mit den Aktivitäten, die Jobbik anbietet, will die Partei den Jungen zeigen, dass es sich wieder lohnt, an die Politik zu glauben. Ich habe mich für das Präsidialamt der Jobbik in Mezőkövesd beworben [eine industrielle Kleinstadt im Nordosten Ungarns; A.d.R.] und kümmere mich um die Koordination der Arbeit in dieser Kommune.“

Die neuen Wahlerfolge der Jobbik können in vielen Facetten mit dem Vertrauensverlust in die traditionellen Parteien erklärt werden. Sie werden oft und nicht grundlos als Parteien angesehen, die nur ihre eigenen Interessen und Linien vertreten, so ein junger Aktivist der grünen LMP. „Jobbik spielt mit diesem Image einer dynamischen Jugend, die sich wirklich investiert, sich für echte Probleme interessiert und diese auch aktiv angeht. Und das zählt schlussendlich am meisten für deren Wähler.“

Neue (Sex)symbole

Die Popularität der Partei hat ihrem jungen Präsidenten viel zu verdanken. 2013 wurde der 36-jährige Gábor Vona von einem Frauenmagazin sogar zum attraktivsten Mann Ungarns gewählt. Und für den Gleichstellungsbonus hat Jobbik dann auch noch Dóra Dúró. Mit ihren 28 Jahren ist sie die jüngste Abgeordnete im ungarischen Parlament. Gutaussehend und stramm in ihren Stiefeln inkarniert sie perfekt die Rolle des Mutterengels, die Jobbik kommunizieren möchte: Sie ist mit dem Jobbik-Abgeodneten Előd Novák verheiratet seit sie 19 Jahre alt ist und bereits Mutter von drei Kindern. Diese ungarische Version der Le Pen-Clan Enkelin Marion Maréchal Le Pen aus Frankreich ist Teil der neuen Kommunikationsstrategie der Jobbik. Trotzdem scheint es sich dabei allein um eine Image-Frage zu handeln. Denn von den 23 Sitzen, die Jobbik im Parlament innehat, sind gerade einmal 2 an weibliche Abgeordnete vergeben. Wie in den vielen anderen Parteien auch, hinkt Jobbik in puncto Parität hinterher. Im ungarischen Parlament sitzt aktuell nur ein Anteil von 10% Frauen.

Attila sieht das politische Engagement seitens der Frauen zudem nicht unbedingt positiv, auch wenn sie bereits Mütter sind. Als Antwort auf die Frage des politischen Engagements von Frauen, antwortet er kurz und bündig: „Ich bin für Galanterie.“

Neuwähler für die Jobbik zu finden, sei nicht allzu schwer, so ein Journalist. Sie aber auch zum Reden zu bewegen… sei dafür umso schwieriger. Das berühmt-berüchtigte französsiche Sprichwort „Am Tisch, weder Religion noch Politik“ wird hier wohl noch deutlicher beachtet. Einige wichtige Figuren der Jobbik betreiben Autozensur, wegen der Posten, die sie innehaben. Auch die Vertreter anderer Parteien geben sich lieber wortkarg, aus Angst irgendwo öffentlich zitiert zu werden.

Am Anderen Ende des Aktivismus befindet sich eine absolute Ablehnung der Politik im Allgmeinen. So ist es der Fall bei Csilla, 26 Jahre und aus Nyíregyháza, die als Verkäuferin arbeitet: „Für mich gibt es absolut keinen Unterschied zwischen den Parteien, ob es nun das Programm ist oder ihr Korruptionsniveau. Es ist eine Welt, die ich so weit wie möglich von meinem Leben entfernt wissen möchte.“

Kann man mit Likes Wahlen gewinnen?

Geht es nach Gábor Vona, dann reichen Facebook-Likes nicht aus. "Eine Partei sollte sich über ihr Programm identifizieren, über Aktivitäten in der Nationalversammlung, über die Leitlinien ihres Präsidenten - und nicht über Posts auf Facebook", erklärte er in einer Polit-Talkshow am 3. Mai. Neben Vonas Versuchen, das Parteiimage aufzupolieren, schlägt die Partei trotzdem immer wieder über die Stränge.

Einige Abgeordnete posten ziemlich anstößige Kommentare auf Facebook, andere lassen sich zu antisemitischen oder Anti-Roma-Tiraden im Parlament verleiten. So zum Beispiel die Anfrage des Jobbik-Abgeordneten Márton Gyöngyösi, eine Liste der Parlamentarier anzufertigen, die eine doppelte ungarisch-israelische Staatsbürgerschaft aufweisen. Immer wieder tauchen 'Patzer' wie diese auf und Vona versucht im Anschluss die Gemüter wieder zu besänftigen. Doch trotz aller öffentlichen Entschuldigungen wird schnell klar, dass der Glatzkopf seine Einstellungen hier nur mit ein bisschen Schminke vertuscht.

Translated from Jeune et jolie : la nouvelle extrême droite hongroise