'Jung-Reporter' (2) - Interview mit Yulia Kochneva
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Von Stefanie Stahlhofen & Till Neumann
Wie ist es, Journalist zu sein? - Das wollten 21 junge Deutsche und Franzosen wissen. Also nahmen sie am 7. März am Workshop Jung-Reporter von Cafébabel Strasbourg und dem Centre Culturel Français Freiburg teil. Zum Thema Europa ohne Grenzen führten sie zwei Interviews und befragten Menschen auf der Straße nach ihren Europa-Erfahrungen.
Was dabei herauskam? Hier das äußerst lesenswerte INTERVIEW unserer 8-12-jährigen Nachwuchs-Journalisten:
Gruppe 2: Interview mit Yulia Kochneva
Yulia Kochneva, 26 Jahre, kommt aus Weißrussland. Sie arbeitet im Europarat in Straßburg.
Das Interview wurde geführt von den Jung-Reportern : Nelson Alan Weber, Louise Matic, Pauline Gaugler, Shadea Schmidt, Deborah Weber, Noëmi Weber.
Hallo Yulia, was ist dein Beruf ?
Ich arbeite im Europarat in Straßburg. Das ist eine europäische Institution, die sich für die Erweiterung und den Erhalt der Demokratie auf unserem Kontinent einsetzt. Der Europarat ist vor allem in den Bereichen Kultur, Erziehung und Jugend tätig. Ich persönlich organisiere gemeinsam mit anderen eine große Veranstaltung : Die Sommeruniversität der Demokratie (l’Université d’été de la démocratie). Sie findet jedes Jahr in Straßburg statt.
Macht dir deine Arbeit Spaß ?
Ich arbeite seit zwei Jahren im Europarat und es gefällt mir sehr gut, mich jeden Tag für Europa einsetzen zu können. In einer europäischen Struktur zu arbeiten, ist außerdem eine sehr bereichernde Erfahrung für mich.
Wieviele Brüder und Schwestern hast du ?
Ich habe eine Schwester. Sie heißt Victoria, ist 22 Jahre alt und studiert in Minsk.
Fehlt dir deine Familie ?
Ja, meine Familie fehlt mir sehr. Ich bin seit 2004 in Frankreich. Meine Familie ist in Weißrussland geblieben, da sie dort zu Hause sind und vor allem auch, weil sie kein Französisch sprechen. Wir versuchen uns so oft wie möglich zu sehen, aber Weißrussland ist sehr weit von hier (ungefähr 2000 km, Anm. d. Red. ) ; die Reise ist lang und teuer. Wir sehen uns in der Regel zwei mal im Jahr : einmal an Weihnachten und einmal im Sommer. Aber dafür telefonieren wir oft.
Wie lebt man in Weißrussland ?
Das ist eine ziemlich schwierige Frage (lacht). Weißrussland, wenn man dort lebt, ist gar nicht so anders als Frankreich. Auf jeden Fall empfinde ich das so. Aber Weißrussland ist viel ärmer. Wir haben in den Geschäften viel weniger Auswahl und die Leute können sich von dem Geld, das sie verdienen, viel weniger leisten. Dafür ist das Land kulturell sehr vielfältig : Wir haben viele Opern, Theater, lesenswerte Schriftsteller. .
Gerne würde ich auch die politischen Probleme meines Landes ansprechen, denn die Situation in Weißrussland ist außerordentlich komplex. Im Vergleich zu Frankreich oder Deutschland haben die Weißrussen viel weniger Freiheit : Man kann nicht immer sagen, was man denkt und man kann nicht immer machen, was man möchte, ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Außerdem ist es für die Weißrussen viel schwieriger sich frei zu bewegen, einfach eine Grenze zu überqueren, wie es die Europäer machen.
Als meine Eltern zum ersten Mal in Straßburg waren, waren sie erstaunt, wie einfach man zu Fuß über den Rhein gehen kann, um in Kehl ein Eis zu essen, ohne stundenlang zu warten. So ist es nämlich, wenn man über die Grenze zwischen Polen und Weißrussland möchte.
Bist du lieber in Frankreich oder in Weißrussland ?
Die ersten zwei Jahre in Frankreich waren wirklich schwer für mich. Es ist schwierig so weit entfernt von der Familie in einem fremden Land zu sein. Aber nach und nach habe ich mich hier integriert und heute fühle ich mich fast wie eine Französin. Frankreich ist ein Land, das mir sehr gut gefällt, ich fühle mich wohl hier. Es ist ein viel demokratischeres Land. Ja, ich bin lieber hier.
Außerdem habe ich hier meine eigene Familie gegründet : Ich habe einen Franzosen geheiratet. Auch deswegen fühle ich mich hier wie zu Hause.
Wie ist es, als Nicht-Französin mit einem Franzosen verheiratet zu sein ?
Ich bin vielleicht nicht die richtige, um die Frage zu beantworten. Bevor ich geheiratet habe, war ich schon ziemlich „europäisiert“ und okzidentalisiert. Das heißt, ich kannte das Leben in Frankreich und Westeuropa im Allgemeinen schon sehr gut. So eine Ehe, bei der die Partner nicht aus dem gleichen Land kommen, ist sehr bereichernd, auch wenn es manchmal mehr Aufwand erfordert – vor allem für meinen Mann, der noch ziemlich viel an seinem Russisch feilen muss (lacht).
Liebe Yulia, die Gruppe 2 sagt : „Merci et au revoir ! “
Nelson Alan Weber, Louise Matic, Pauline Gaugler, Shadea Schmidt, Deborah Weber, Noëmi Weber.
(Aufmacherbild : pixelio/Stephanie Hofschläger ; restliche Fotos : Stefanie Stahlhofen & ; Till Neumann)