
Jugendreporter auf der COP21: Wie ist das Klima in Paris?
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Die UN-Klimakonferenz in Paris schreitet voran, aber was haben die Verhandelnden bisher geschafft und was passiert hinter den Kulissen dieser internationalen Veranstaltung? Zwei junge Reporter aus Österreich sind live bei der COP21 und plaudern aus dem Nähkästchen über die Knackpunkte des Abkommens und geheime Gratishäppchen.
Jeden Tag gibt es mehrere parallel laufende Sitzungen, interne Meetings und hunderte Länderpavillons: Es ist viel los in Paris-Le Bourget. Das bedeutet anstrengende Tage für zwei Studierende aus Graz, die dieses Jahr die Verhandlungen vor Ort als Klimareporter mitverfolgen und so viel wie möglich hören und sehen wollen. „Das ist gar nicht so einfach, weil das Gelände so riesig ist“, erzählt Katrin (24). „Es ist fast unmöglich, den Überblick zu behalten.“ Das fällt auch bei den vielen Besprechungen schwer, weil der Verhandlungstext gleichzeitig in diversen Untergruppen diskutiert wird, die sich zum Beispiel nur mit dem Thema „Finanzen“ oder „Transparenz“ auseinandersetzen.
Was hilft beim Durchblicken? „Morgens versuchen wir, bei der Zusammenfassung des Climate Action Network dabei zu sein“, antwortet der 21-jährige Armin. „Das setzt sich aus Mitarbeitern von mehr als 900 NGOs zusammen, die bei jeder Verhandlung dabei sind und so berichten können, was am Vortag Wichtiges passiert ist.“ Den Tag über pendeln die beiden dann zwischen verschiedenen Veranstaltungen und nehmen Info-Videos auf, die sie auf ihrer Facebookseite veröffentlichen. Am Anfang war der Videodreh noch schwierig, weil sie erst extrem viel Stoff gesammelt haben und dann bis 3 Uhr morgens am Sichten und Schneiden waren. Mittlerweile haben sie sich besser eingespielt und planen ein Hauptthema für jedes Video, selbst wenn etwas dazwischenkommt oder sich neue Möglichkeiten ergeben.
Unbegrenzte Möglichkeiten
Auf der täglichen Busfahrt vom Konferenzgelände zur Wohnung kommt man schon mal dazu, mit der Delegation von den Bahamas zu tratschen. Die ist zwar cool drauf, aber gar nicht begeistert, als es zwischendurch geschneit hat. Kein Wunder bei Temperaturen im Heimatland, die bei angenehmen 26 Grad liegen. In Bezug auf die Verhandlungen sind die Meinungen gespalten: Manche freuen sich, dass alles bisher nach Plan laufe und sie wohl bis zum 11. Dezember fertig würden. Andere sind der Überzeugung, dass es noch in die Verlängerung bis zum darauffolgenden Montag ginge.
Auch darüber, ob sich die Verhandlungen zufriedenstellend entwickeln, hört man verschiedene Stimmen, von optimistisch bis enttäuscht. Nach einem eher schleppenden Beginn scheint etwa Saudi-Arabien in den Unterverhandlungen wenig kompromissbereit zu sein und ein Vorankommen zu blockieren. Dafür zeigen sich die kanadischen Vertreter laut erfahreneren Klimakonferenzbesuchern engagierter und progressiver als bisher, was mit dem letzten Regierungswechsel zusammenhängen mag. Der Austausch mit Delegierten, die schon eine Weile dabei sind und solche Vergleiche ziehen können, ist für die jungen Reporter wichtig. Aber obwohl die Verhandelnden sich mit solchen Details auskennen und als offizielle Ländervertreter eine große Verantwortung tragen, machen sie einen sehr zugänglichen Eindruck. Wie etwa die mit 38 Jahren relativ junge Umweltministerin von Luxemburg, die diese Woche unter anderem die Verhandlungen für die EU leitet und die man glatt für eine Studentin halten könnte.
Was bisher geschah
Eine kurze Rekapitulation, was faktisch in der ersten Woche passiert ist: Nach den Eröffnungsreden der Staatsoberhäupter wurde von UNO-Untergruppen der Vertragsentwurf weiter überarbeitet und um zwölf Seiten gekürzt. Freitagabend stand endlich das vorläufige Dokument, das dem Kyoto-Protokoll als Klimaschutzvereinbarung folgen soll, und wurde offiziell an den COP-Präsidenten übergeben. Dieser muss nun mit den Umwelt- und Außenministern von 196 Staaten einen Konsens finden, wie man die CO2-Emissionen bis zum Ende des Jahrhunderts effektiv verringern und den globalen Temperaturanstieg auf 2, mittlerweile sogar 1,5 Grad Celsius eindämmen kann – rechtlich bindend für alle Unterzeichner.
Das kann dauern, weil bei den wichtigsten Punkten noch Uneinigkeit herrscht. Armin fasst die drei größten Probleme zusammen: „Einige Länder - darunter die USA - wollen kein rechtlich bindendes Abkommen. Es wird auch noch viel über die Differenzierung diskutiert, also ob alle Staaten ähnlich stark zum Klimaschutz beitragen sollen oder vor allem die Industriestaaten, bei denen Entwicklungs- und Schwellenländer die Hauptschuld sehen. Außerdem steht die Finanzierung noch nicht. Und solange sie nicht genügend Geld von reicheren Staaten zugesichert bekommen, können etwa afrikanische Länder nicht damit rechnen, dass sie so viel erneuerbare Energie gewinnen, wie sie wollen und brauchen.“
Auch für die Klimareporter stellt sich die Geldfrage: Wo kriegt man auf dem Messegelände etwas zu essen, das nicht völlig überteuert ist? Eine kleine Bäckereifiliale ist die Rettung. Gratisessen gibt es nur vereinzelt und man muss wissen, wo: Über geheime Facebook-Gruppen, auf die man nur per Einladung Zugriff hat, kann man erfahren, in welchem Raum gerade Getränke und Häppchen serviert werden. Verhängnisvoll ist vor allem die Gratisschokolade, die schon in der Früh verteilt wird: „Freitag haben wir eine große Box voll damit bekommen, das war tödlich“, schüttelt Katrin grinsend den Kopf. „Das war sowieso einer der stressigsten Tage bisher, und dann kam die ganze leckere Fair-Trade-Schokolade dazu, die absolut süchtig macht.“
Den ganzen Tag auf den Beinen sein, aufmerksam zuhören, vor der Kamera stehen, das eine oder andere Interview führen und nachts nicht einfach ins Bett fallen können, sondern das Aufgenommene für die Zuschauer bearbeiten – kein Wunder, dass die beiden Studierenden ein Schlafdefizit haben. Dazu kommt, dass sie die vielen Eindrücke auch für sich selbst verarbeiten müssen. „Es ist schon irritierend, wenn sich der eigene Bundeskanzler in seiner Rede gegen Atomenergie ausspricht [Werner Faymann; A.d.R.] und man dann an Ständen mit Bannern vorbeikommt, auf denen ‚Atomkraft ist Zukunft‘ steht“, findet Armin. Ob es international zu einer Energiewende kommt und wie diese aussieht, ist fraglich. Erst heißt es aber, das neue Pariser Abkommen abzuwarten. Und bis dahin gibt es noch genug zu berichten.
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