John & Jehn: "So kreativ wie möglich sein"
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Stephanie HesseJohn & Jehn - Fans von Joy Division und Velvet Underground - leben und komponieren in London. Am 29. März erschien Time For The Devil, das zweite Album des wohl britischsten Franzosenduos.
Ich treffe das Duett im Zimmer eines schicken und modernen Hotels im Viertel Pigalle. Es ist nach 19 Uhr, die Nacht bricht über ein noch sehr winterliches Paris herein und - selbst wenn unser Treffen den Abschluss von zwei Tagen anstrengender Promotion bildet - das Duett empfängt mich mit einem breiten Lächeln.
Das französische Paar, im wahren Leben bereits zusammen noch bevor es gemeinsam die Bühnen unsicher macht und seit 2006 nach London ausgewandert, kommt auf die Entwicklungsgeschichte von John & Jehn zurück: "Im Januar 2005 sind wir ein Paar geworden. Im Juli 2005 haben wir begonnen zusammen zu arbeiten. Uns war zumute nach Wir setzen uns mit ein bisschen Stoff hin und nehmen auf, was wir im Kopf haben. Das hat zur Entstehung unserer EP (Format zwischen Single und Album, A.d.R.) "L’Amour ne nous déchirera pas" (Die Liebe wird uns nicht zerreißen) geführt. Mit dem Ergebnis waren wir sofort zufrieden. Es hatte einen sehr post-punkigen Sound, sehr Joy Division", bestätigt John.
Dann folgt eins auf das andere. John & Jehn schicken die Aufnahme an Sally, eine gute Bekannte. Sie schlägt es dem Rough Trade Shop, einem berühmtem Plattengeschäft, das seit 1976 in London geöffnet hat, vor, das es sofort in die Regale stellt. "Für uns war das ein riesiger Erfolg, wir haben oft von Rough Trade und von all der englischen Indie-Kultur geträumt." Schließlich fangen sie an kleine Konzerte in England zu spielen und eine Menge Leute kennen zu lernen. Erschöpft vom ständigen Hin- und Herreisen lassen sie sich im Oktober 2006 in England nieder. Sie richten sich bei Sally ein, die ihre Managerin wird.
Warum England? "Alle musikalischen Stilrichtungen treffen dort zusammen und es ist der Ort, an dem wir unsere Inspiration finden", so John. "Es ist überwältigend, der Mix und das Durcheinander der Bands. Es gibt viele Stile, die sich aneinander reiben, viele verschiedene Generationen und Menschen, die Musik konsumieren. In Frankreich geht es viel geordneter zu, da vermischt es sich weniger. Aber in England pfeifen sie drauf! Am selben Abend kannst du mit einer Reggae-Band spielen und dann mit einer Metal-Band."
Ein Duo? Nein, ein Team
Innerhalb weniger Monate hat es das Duo geschafft sich einen Namen in der Londoner und dann in der französischen Szene zu machen. Der Alltag des ersten Komponierens in ihrem Zimmer in London wurde komplett auf den Kopf gestellt: "Zu Beginn lebten wir in unserem kleinen Mikrokosmos, wir waren nur zu zweit in London, haben beide unseren Transporter um drei Uhr morgens ausgeräumt. Heute haben wir ein hochmotiviertes Team um uns. Und es handelt sich keineswegs um ein Team, das aus reinem Opportunismus hinzugekommen ist. Es sind Menschen, die wirklich Lust haben, an unserem Projekt mitzuarbeiten. "Und", fügt Jehn hinzu, "zwangsläufig haben wir uns diesen Menschen geöffnet."
John & Jehn müssen sich mit Menschen umgeben, die ihren Kopf und ihre Sinne in dieses Projekt einbringen, insbesondere den visuellen Sinn: "Bilder sind etwas sehr psychologisches", erzählt John. "Das Cover des ersten Albums wurde von Joe, meinem Tätowierer gemacht. Und für das zweite Album haben wir Antoine Carlier wiedergetroffen, den ich schon seit über zehn Jahren kenne. Wir haben ein graphisches und visuelles Universum mit ihm entwickelt. Durch sein Bildmotiv hat er all unseren Songs eine Verbindung gegeben." Kein Zweifel, mit Vertrauenspersonen zusammen zu arbeiten, das hilft: "Wir haben ihm freie Hand gelassen, damit er selbst seine Vision zu unserem Projekt beitragen kann", so John. "Genau das suchen wir. Und das Ergebnis ist immer das richtige, selbst wenn es nie das ist, was man erwartet hat."
Die Musik, ein mitreißender Beruf
Time For The Devil, das vom Independent-Label Naïve produzierte zweite Album von John & Jehn, besteht aus detaillierter bearbeiteten Stücken, mit einer Gitarristin und einem Schlagzeuger für die Konzerte. Aber für die Album-Komposition haben vier Hände genügt. "Wir leiten die Gesänge im Allgemeinen mit dem Bass ein, weil wir einen Groove suchen", ergänzt Jehn, während sie den Bass nachahmt. Eigentlich ist sie aber für die Gitarre zuständig. "Wenn wir den Bass haben, dann sehen wir, wie sich der Gesang darüber legt - und schon haben wir eine Struktur. Die globale künstlerische Sicht wird John haben, das heißt die Wahl der Instrumente, die Wahl der Töne usw. Ich singe oft die Texte von John, weil ich sie gern interpretiere; sie haben eine Seele. Und den Chor bilden wir beide." Aus dem Mund der Gitarristin klingt das wie ein Kinderspiel: "So läuft das bei uns. Um es zusammen zu fassen: John ist das Skelett und ich mache die Arrangements, die Melodie."
Das Resultat kann sich sehen lassen. Weit entfernt von der nüchternen Traurigkeit seines Vorgängers ist Time For The Devil erwachsener, heiter und melodischer. Fast hört man sogar ein wenig 'Pop' heraus. Dieser Stil ging ihnen irgendwann nicht mehr aus dem Kopf, bezeugt auch Jehn: "Eigentlich sollte das erste Album schon in diese Richtung gehen. Aber das konnten wir nicht umsetzen, wir hatten keine Zeit. Als Nummer eins endlich in den CD-Regalen lag, haben wir bereits am zweiten Album gearbeitet. Wir waren überrascht, aber auch unheimlich glücklich, dass uns dieses erste Album so weit gebracht hat. Aber weiter konnten wir es nicht ausschöpfen. Wir mussten ein zweites Album machen, in dem wir einen Schritt weiter gehen, für das wir mehr Zeit und mehr Mittel haben würden."
Abschließend sagt John: "Auf jeden Fall gibt es kein Geheimnis. Unser Beruf ist das Musikmachen, also muss man so kreativ wie möglich sein, sich so weit wie möglich öffnen und die eigene Vorstellungskraft arbeiten lassen. Wir können schnell viele Lieder machen, weil wir es lieben!" Und für den Fall, dass ihr es beim Hören des neuen Albums nicht direkt verstanden haben solltet: "Wir haben das Glück, das zu lieben, was wir tun."
Translated from John&Jehn: « Il faut être le plus créatif possible »