Israels Falken, Europas Tauben
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Israel denkt über einen Militärschlag gegen den Iran nach, Europa hofft weiter auf eine diplomatische Lösung des Atomstreits. Sind die Differenzen noch zu überbrücken?
Das iranische Atomprogramm ist zu einem wichtigen Thema im israelischen Wahlkampf geworden. Selbst moderate Politiker wie Israels amtierender Regierungschef Ehud Olmert werben inzwischen für ein hartes Vorgehen gegen den Iran. Vor einer pro-israelischen Interessengruppe in Washington bezeichnete Olmert Iran kürzlich als „große Gefahr für die gesamte zivilisierte Welt“ und forderte, „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“, um den Bau von Atomwaffen zu verhindern. Zu diesen Maßnahmen zählt wohl auch ein Luftangriff gegen iranische Atomanlagen, für den in Tel Aviv bereits die Pläne bereitliegen.
Hoffnung auf eine diplomatische Lösung
Auch in Großbritannien, Frankreich und Deutschland, die für die EU die Atomverhandlungen führen, hat sich nach den wiederholten Forderungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, „Israel von der Landkarte zu streichen“, der Ton verschärft. Weder der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier noch der EU-Außenbeauftragte Javier Solana wollten Sanktionen ausschließen.
Allerdings halten die Europäer trotz allem Unmut über Teherans wiederholte Verstöße gegen das Nichtverbreitungsabkommen auch nach Überweisung des Falles an den UN-Sicherheitsrat an einer diplomatischen Lösung fest und lehnen einen Militärschlag ab. Sie hoffen weiterhin, dass die Verhandlungen mit Moskau über die Auslagerung der Urananreicherung nach Russland eine Lösung bringen werden. Steinmeier warnte davor, den Konflikt durch militärische Drohungen anzuheizen und betonte, die Einschaltung des Sicherheitsrates bedeute keineswegs das Ende der Diplomatie.
Tausend Tote durch Militäraktion
Wie erklärt sich diese unterschiedliche Herangehensweise? Haben die Europäer den Ernst der Lage nicht erkannt? Oder sind sie einfach zu feige, eine militärische Konfrontation zu riskieren? Die Antwort findet man in den unterschiedlichen Interessen Israels und Europas. Für Israel wäre eine iranische Atombombe eine existentielle Bedrohung. Darüber hinaus würden sich die Machtverhältnisse im Nahen Osten zu Ungunsten Israels verschieben, würde sein Atomwaffen-Monopol gebrochen.
Für die Europäer hingegen wäre ein mit Atomwaffen ausgerüsteter Iran keine direkte Bedrohung. Ein Militärschlag hingegen würde den Frieden in der Region bedrohen und so den Zugang zu lebensnotwendigen Ölreserven erschweren. Folgt man den Ergebnissen einer kürzlich erschienen Studie der „Oxford Research Group“ wäre es zwar möglich, innerhalb weniger Tage die wichtigsten Atomanlagen im Iran zu zerstören. Doch um den Erfolg des Angriffs zu garantieren und Gegenschläge zu verhindern, müsste auch die iranische Flugabwehr, Luftwaffe und Marine ausgeschaltet werden.
Eine solche Militäraktion würde Schätzungen der englischen Forscher zufolge mehrere Tausend Tote fordern und die gesamte Region langfristig destabilisieren. Das iranische Regime hingegen würde gefestigt, da sich alle Kräfte hinter der Führung vereinen und die iranische Armee neuen Zulauf erhalten würde. Zudem wären Angriffe auf die amerikanischen Truppen im Irak, die Unterbrechung der Ölversorgung, sowie erneute Terroranschläge der Hizbollah zu erwarten.
Alle paar Jahre bombardieren
Doch der Bericht kommt auch zu dem Schluss, dass sich die Kosten für Israel in Grenzen halten würden, da die Hauptlast von ihren Verbündeten, den USA zu tragen wäre. Ein Militärschlag entspräche demnach kurzfristig den Interessen Israels. Doch selbst wenn Israel bereit ist, eine drastische Steigerung des Ölpreises und eine Eskalation der Lage im Irak in Kauf zu nehmen, wäre ein Angriff langfristig nicht in seinem Sinne.
Denn der israelische Luftschlag auf den irakischen Atomreaktor Osirak im Jahr 1981 verdeutlicht die Nachteile der Militäroption. Israel gelang es damals zwar, den Reaktor kurz vor seiner Fertigstellung zu zerstören und so das irakische Atomprogramm um Jahre zurückzuwerfen. Doch langfristig hat der Angriff zur Beschleunigung des Atomprogramms geführt, das erst Jahrzehnte später durch die UN-Waffenkontrolleure demontiert werden konnte. Dies zeigt Joseph Cirincione in einer Studie vom Washingtoner Thinktank Carnegie Endowment. Bei einem Angriff auf den Iran wäre damit zu rechnen, dass der Iran den Nichtverbreitungsvertrag kündigt und alle Ressourcen auf den Bau der Atombombe konzentriert. Um langfristig eine iranische Atombombe zu verhindern, müsste Israel daher die iranischen Atomanlagen alle paar Jahre erneut bombardieren.
Selbst die USA haben daher inzwischen das Risiko eines Militärschlags erkannt und setzen verstärkt auf nicht-militärische Mittel. Sie versuchen, den Wandel innerhalb des Irans zu beschleunigen, und haben kürzlich die Mittel zur Unterstützung der iranischen Opposition erheblich erhöht. Europa sollte sich diesem Ansatz anschließen. Denn die größte Chance, langfristig Frieden und Stabilität im Nahen Osten zu sichern, liegt im Wandel des Iran. Israels Überlegungen zu einem Militärschlag sind in diesem Kontext wenig hilfreich, da sie nur den Hardlinern in Teheran nutzen, ihre Macht zu festigen.