Islands Blogger an die Macht: "Unser Ziel? Totale Transparenz"
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Lilian PithanUm uns den Webjournalismus schmackhaft zu machen, hat Birgitta Jonsdottir mit ihrem Modell des « Redakteur-Blogger-Aktivisten » ein Geheimrezept gefunden.
Die isländische Parlamentarierin, die zugleich Dichterin, Künstlerin, Aktivistin, Bloggerin und Internetfan ist, hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, der aus der Insel der Trolle und Geysire ein "Informationsparadies" machen soll und bereits vom Parlament angenommen wurde. Das alles, um endlich einmal dem Potential der Blogger, den medialen Piraten des 20. Jahrhunderts, gerecht zu werden.
cafebabel.com: Immer mehr Frauen scheinen das Netz und die Blogosphäre für sich zu entdecken, unter anderem auch Sie selbst. Was halten Sie von diesem Phänomen ?
Birgitta Jonsdottir: Für mich sind sie der Beweis für einen Siegeszug der Meinungsfreiheit. Ich kann angesichts dieses Phänomens, das immer mehr Menschen zu einem neuen staatsbürgerlichen Ehrgeiz anspornt und ihre Freude daran weckt, Dinge zu erzählen, nur glücklich sein. Es ist interessant zu sehen, wie Frauen den medialen Raum mittels des Internets in Besitz nehmen. Das Netz ist für sie ein neuer Ausdrucksraum geworden, der mit einer Bejahung ihrer Unabhängigkeit Hand in Hand geht.
cafebabel.com: Warum haben Sie sich entschieden, mit Ihrer Initiative Icelandic Modern Media Initiative (IMMI) eine gesetzliche Grundlage für die Meinungsfreiheit im digitalen Zeitalter zu schaffen ?
Birgitta Jonsdottir: Ich glaube, dass unser Gesetzesentwurf, so wie er eingebracht worden ist, schon in einem Jahr angewendet werden könnte. Über die Initiative nachzudenken habe ich erst angefangen, als ich mich im Anschluss an ein Seminar im Dezember 2009 wirklich mit den neuen Technologien auseinandergesetzt habe. Unser Ziel ist die totale Transparenz, die komplette Öffentlichkeit. Die zugrunde liegende Idee ist dabei, ein Meinungsfreiheitsparadies zu schaffen. Für Island ist das eine große Chance, weil unsere bürokratische Regierung vollkommen ihrer Macht beraubt und inoperativ ist. Aber auch für den Journalismus im Allgemeinen stellt das Gesetz eine Chance dar, weil sich momentan ein « Informationstsunami » zusammenbraut. Daher glaube ich, dass es unglaublich wichtig ist, funktionierende Infrastrukturen zu schaffen, damit eine neue Autorengeneration die Möglichkeit hat sich auszudrücken.
cafebabel.com: Sie sprechen immer wieder vom « Informationsparadies ». Was genau meinen Sie damit?
Birgitta Jonsdottir: Ich möchte, dass Journalisten der ganzen Welt den aktuellen Gesellschaftszustand zeigen können. Neue Generationen müssen ihren Teil dazu beitragen, indem sie neue Geschichten erzählen, neue Themen behandeln. Dabei fällt mir auf, dass die sogenannten « traditionellen » Journalisten das nicht mehr alleine machen können. Es pochen ja alle immer darauf, dass sie im Namen der Meinungsfreiheit agieren. Aber das stimmt nicht. Schauen Sie sich nur an, was in Italien, England und Frankreich passiert…
cafebabel.com: Werden Blogger von dieser Gesetzesinitiative direkt beeinflusst?
Birgitta Jonsdottir: Natürlich, das ist ja der springende Punkt des Projekts. Die Blogosphäre muss miteinbezogen werden, damit die, die sie am Laufen halten, echte « Bürger-Journalisten » werden, wie ich sie gerne nenne. In anderen Worten: Leute, die fähig sind, den traditionellen Informationen etwas Substantielles beizufügen. Durch die Blogosphäre geschieht das schon. Blogger schießen auch Fotos, schreiben Kommentare, entfachen Debatten…
cafebabel.com: Manche Experten in dieser Frage behaupten, dass die IMMI zu einer Herabwürdigung der Rolle der Journalisten führen könnte, unter dem Vorwand, dass Ihre Initiative diese ihrer Aktivität beraube. Welchen Platz haben Journalisten in einem System, in dem jeder Informationen bereitstellen kann?
Birgitta Jonsdottir: Das ist wohl eher eine Definitionsfrage. Meine Motivation geht auf Ermittlung und investigativen Journalismus zurück. Dieser Bereich steckt seit der Rezession in der Krise. Aber dank der Blogger können wir dem Phänomen entgegentreten. Man kann nicht alles mit einem Klick lösen, aber die « Bürger-Journalisten » können an der Wiedergeburt eines investigativen Journalismus beteiligt werden. Damit sage ich nicht, dass Blogger die professionellen Journalisten ersetzen können. Aber als ich angefangen habe, mich für das Internet zu interessieren, ist mir aufgefallen, dass unabhängige Informationsnetzwerke einiges zur Gesellschaftsdebatte beitragen können, weil dort eben Dinge veröffentlicht werden, die die traditionellen Medien übergehen. Indem die Blogosphäre miteinbezogen wird, kann das Informationspanorama bedeutend erweitert werden. Es würde mich freuen, wenn diese beiden Bereiche häufiger zusammenarbeiten würden.
cafebabel. com: Laut Ihres Facebookprofils sind Sie « Dichterin, Schriftstellerin, Künstlerin, Herausgeberin, Bloggerin, Aktivistin » und neuerdings auch Mitglied des Parlaments. Entschuldigen Sie, aber wer ist die wahre Birgitta Jonsdottir ?
Birgitta Jonsdottir: Sie ist alles auf einmal. Zuerst wollte ich Dichterin sein, also eine Geschichte in wenigen Worten erzählen können. Ich veröffentliche auch weiterhin Gedichte auf meinem Blog. So habe ich gelernt, dass man, wenn man weiß, was man will, alles erreichen kann.
Fotos: ©thebrownhorse/flickr, Wikileaks ©Fraulen Shiller/flickr
Translated from Birgitta Jonsdottir et le « paradis de l'information »