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Irland: Keine Expat-Stimmen zu den vorgezogenen Parlamentswahlen

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Default profile picture Ulrike Lelickens

Politik

Am 1. Februar löste der britische (nunmehr Ex-) Premier Brian Cowen das irische Unterhaus (Dáil Éireann) auf. Um über die größte Wirtschaftskrise in der Geschichte ihres Landes hinwegzukommen, wählen die Iren nun am 25. Februar ein neues Parlament.

Jedoch werden viele der im Ausland ansässigen Iren, die ihrerseits am meisten von dem einjährigen Amtsmissbrauch der Regierungskoalition aus Fianna-Fail und den irischen Grünen betroffen sind, nicht wählen dürfen.

Befürworter des Wahlrechtsentzugs richten sich gern nach dem Leitspruch "no representation without taxation", wer keine Steuern zahlt, hat auch nicht das Recht im Parlament politisch vertreten zu werden - wenig überzeugend für jene Tausende von Menschen, die seit Beginn der Krise Irland verlassen haben und die noch bis vor ein paar Wochen ihren Pflichten als Steuerzahler nachgekommen sind. Nach Schätzungen der Experten vom Dubliner Wirtschafts- und Sozialforschungsinstitut ESRI wandern jede Woche 1000 Menschen aus - für ein Land mit nur 4,4 Millionen Einwohnern eine enorm hohe Zahl.

Angesichts einer Wählerschaft von kaum mehr als drei Millionen bestehen begründete Bedenken, dass die Wahlergebnisse bei der einen Million Auslandsiren auf harsche Kritik stoßen könnten. Irland ist immer noch eines der wenigen europäischen Länder, das seinen Bürgern nicht gestattet, an staatlichen Wahlen teilzunehmen. Dieses Privileg ist allein Diplomaten sowie Angehörigen von Polizei und Streitkräften vorbehalten, die sich im offiziellen Auslandseinsatz befinden. Nach dem jetzigen Stand der Dinge ist in 29 von 33 Mitgliedstaaten des Europarats den nicht im Land ansässigen Bürgern der Gang zur Wahlurne gestattet. Weltweit ist dies in 110 Staaten erlaubt, darunter Botswana, Kolumbien, Indonesien, der Irak, Mali, Mexiko und die USA.

Auslandsiren wollen wählen

Jene, die erst kürzlich das Land verlassen haben, wurmt es, dass ihre Stimmen bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 25. Februar kein Gehör finden. "Ich werde mich voll und ganz darauf konzentrieren, wie die Wahl ausgeht. Selbst teilnehmen darf ich nicht", sagt Oralith Finnegan, die im Sommer 2010 von Dublin nach Paris gezogen ist. "Das Wahlrecht sollte auf Iren, die im Ausland wohnen, ausgeweitet werden, und noch bis zu fünf Jahre nach ihrer Auswanderung gelten, und zwar per Briefwahl oder in Form von Wahlen, die bei der Botschaft durchgeführt werden." Das Allermindeste wäre, so Finnegan, ein System der Wechselseitigkeit, bei dem EU-Bürger mitbestimmen dürften, wer sie regiert, falls sie in einem anderen Mitgliedsstaat wohnen. "In dem Fall wäre es für mich völlig in Ordnung, diese eine Wahl auszulassen und die französische Präsidentschaftswahl im Jahr 2012 abzuwarten."

Vincent Murphy rechnet jeden Tag damit, dass seine Wahlunterlagen bei seiner alten Adresse in Dublin eintreffen. Aber da er sein Wahlrecht von seinem Wohnort in New York nicht ausüben kann, bestünde die Alternative darin "nach Hause zu fliegen, mir den Wahlschein zu schnappen und meine Stimme abzugeben. Aber das ist ja wohl nicht sonderlich realistisch, oder?" Angesichts der langen Auswanderungsgeschichte, auf die das Land zurückblickt, fragt er sich, weshalb man sich nie mit der Frage des Wahlrechts für die im Ausland lebenden Iren auseinandergesetzt hat. "Ich habe mich aus persönlichen Gründen dazu entschieden wegzuziehen. Ich kann mir lediglich vorstellen, wie sehr diejenigen, die gezwungen waren auszuwandern, um nach Arbeit zu suchen, den Drang verspüren, ihr Urteil über die Regierung abzugeben."

Vincent hält es nicht für unmöglich, die hohe Anzahl von Iren, die im Ausland leben, gesetzlich zu berücksichtigen. "Man könnte eine Lösung finden, wie man Iren, die das Land erst vor kurzem verlassen haben, das Wahlrecht zugesteht - beispielsweise wenn man die zwei vergangenen Jahre in Irland verbracht hat. Andere Länder können das ja auch. Ich fühle mich in der Tat entmündigt, weil ich nicht wählen darf. Ich habe vor, 2012 wieder nach Hause zurückzukehren. Der Ausgang der Wahl wird also handfeste Auswirkungen auf mein Leben haben."

Catherine Flynn hat ihren Flug von London aus gebucht, sobald es sich als wahrscheinlich herausstellte, dass die Wahl am 25. Februar stattfinden würde. "Ich fühle mich mitverantwortlich, weil ich mit meiner Stimme die Grünen und Fianna Fail ins Amt gewählt habe", erklärt sie. "Die Wahl wird das Irland, in das ich einmal zurückkehren werde, maßgeblich formen." David O'Connell, der seit zehn Jahren in New York lebt, findet es "beschämend", dass es keine Möglichkeit gibt, im Ausland an der Wahl teilzunehmen, warnt aber davor, allen im Ausland lebenden Bürgern das volle Wahlrecht zu gewähren. "Das würde direkt dazu führen, dass zur irischen Wählerschaft zahlreiche Emigranten hinzustoßen, die viele Wahlkreise in Richtungen verändern, in die sie sich normalerweise nicht entwickeln würden." Er schlägt vor, für Auslandsiren Abgeordnetensitze im irischen Senat, dem Oberhaus anzubieten. Die Rolle dieser Institution wird momentan neu überdacht. Sie gilt als elitär und verliert in zunehmendem Maße an Bedeutung. Die Schaffung von Abgeordnetensitzen in der Diaspora wäre eine der Möglichkeiten, ihr neues Leben einzuhauchen.

Ein Vergleich mit dem restlichen Europa

Die scheidende Regierung hatte allerdings tatsächlich den Vorschlag unterbreitet, 2009 eine unabhängige Wahlkommission ins Leben rufen zu wollen, die ihre Empfehlungen für eine Ausweitung des Wahlrechts auf das Ausland - beschränkt auf die Präsidentschaftswahlen - ausgesprochen hätte. Doch da nun das Thema Wirtschaft ins Zentrum der Aufmerksamkeit tritt, ist es nur schwer vorstellbar, dass dies bald in die Tat umgesetzt wird. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Juli 2010 lässt allerdings die Hoffnung steigen, dass die Regierung bald gezwungen sein könnte, zu handeln.

2007 reichten zwei in Straßburg ansässige griechische Staatsbürger eine Klage ein. Ihr Wahlrecht sei aufgrund der Tatsache, dass sie im Ausland lebten, angegriffen. Zwar hätten sie nach Griechenland reisen können, doch das Gericht befand, dass die Entfernung und die hierbei entstehenden Kosten die Ausübung ihres nach Artikel 3 des 1. Zusatzprotokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Wahlrechts erschwerten. Irland hat wie alle anderen EU-Mitgliedsstaaten die Konvention unterzeichnet.

Demgegenüber gewährt Großbritannien seinen im Ausland ansässigen Bürgern das Wahlrecht für einen Zeitraum von 15 Jahren, nachdem sie das Land verlassen haben. Ein Veteran des Zweiten Weltkriegs ficht das unter der britischen Regierung geltende Wahlverbot für Nichtansässige an, und der in Italien lebende neunzigjährige Brite Harry Shindler hat seinen Fall ebenfalls vor den EMGR gebracht hat. "Ein Hauptanliegen des Europarats ist es, die Demokratie und die Bürgerrechte der Mitgliedsstaaten zu erhalten und zu stärken", so das Gericht in seinem Antrag.

"Das Wahlrecht von im Ausland lebenden Bürgern, einer elementaren Freiheit in jedem demokratischen System, sollte gebührend berücksichtigt werden." Oralith Finnegan tröstet sich damit, dass dem Anschein nach in der irischen Heimat sowohl Fianna Fail (die Partei von Premierminister Brian Cowen, A.d.R.) als auch die Grünen (ihr Junior-Koalitionspartner) am 25. Februar für ihre himmelschreiende Inkompetenz hart abgestraft werden. Aufgrund der derzeitigen Sachlage "bleibt mir als nicht im Land ansässiger Bürgerin die Freude vorenthalten, mich per Wahlschein an der Regierung zu rächen."

Foto: (cc) photobunny/flickr

Translated from Irish elections: expats can't vote on 25 February 2011