Internetzensur in Italien: Erst Minister fragen, dann Videos auf YouTube hochladen
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Annamaria SzantoDie Weiten des Internet bereiten der italienischen Regierung derzeit Kopfzerbrechen. Deshalb hat sie sich unter der Federführung von Silvio Berlusconi daran gesetzt, ein neues Internet-Gesetz zu verabschieden, das die Veröffentlichung von Videoinhalten im Web regulieren soll. Kritiker gehen im Namen der Meinungsvielfalt auf die Barrikaden.
Ganz Italien redet momentan vom Internet. Sogar Papst Benedikt XVI. polarisiert mit seiner Aufforderung an die Priester, “das Wort Gottes auf dem großen Kontinent der digitalen Medien zu verkünden”. Man konfiguriere sich also einen neuen e-Priester im Web, um das Evangelium zu empfangen. Während sich aber der Vatikan der virtuellen Welt öffnet, schwimmt die italienische Regierung eher gegen den Strom und erschwert die Veröffentlichung von Videos im World Wide Web durch einen neuen Gesetzesentwurf.
Mit der Verordnung, die am 27. Januar 2010 in Kraft getreten ist, modifiziert die Führungsriege Berlusconis die aktuellen Gesetze, die Internet und Fernsehen betreffen. Im Rahmen der neuen Gesetzgebung sollen Webseiten, die regelmäßig Videos veröffentlichen, zukünftig klassischen Fernsehsendern gleichgestellt und für ihre Inhalte verantwortlich gemacht werden können. Die Regierung von Berlusconi beruft sich auf die EU-Richtlinie “Fernsehen ohne Grenzen”. Auch diese begreift Internetprovider als moderne Fernsehsender und erlegt ihnen die gleichen Pflichten auf.
Keine Fußballtore mehr auf YouTube
Im Text heißt es, dass sich Webseiten, die Videos “nicht nur gelegentlich” ausstrahlen, vor der Veröffentlichung der Inhalte eine Genehmigung im Ministerium für Kommunikation einholen müssen. Die Einhaltung dieser Vorschrift soll von der “Agenzia delle Comunicazioni” überprüft werden. Diese Agentur, die gleichsam als Aufsichtsbehörde für Kommunikation auftritt, muss auch kontrollieren, ob die Webseiten die Regel für Autorenrechte einhalten. Bei Zuwiderhandeln kann sie Geldstrafen von bis zu 150.000 Euro auferlegen. Sollte das Internet-Gesetz keine entsprechenden Ausnahmen vorsehen, macht sich mit Inkrafttreten desselben demnach zukünftig jeder strafbar, der einen Ausschnitt aus einem Film oder einem Fußballspiel auf YouTube hochlädt.
Google Italia „etwas besorgt“
Für die oppositionellen Mitte-Links-Parteien sowie für die italienischen Internetprovider wie Google Italia ist diese Gesetzesverordnung besorgniserregend. Der ehemalige Kommunikationsminister, Paolo Gentiloni der Partito Democratico, brandmarkt sie auf seiner Blogseite als einen “wahren Blitzkrieg der Regierung“, der nicht nur webfeindlich sei, sondern darüber hinaus etliche Geschenke an Mediaset [das Medienimperium der Familie Berlusconi - A.d.R.] mache. Noch dazu sehe die Regierung für die endgültige Verabschiedung des Gesetzes nur eine unverbindliche parlamentarische Begutachtung vor und mache somit, laut Gentiloni, “das Parlament einmal mehr zu einer Briefkastenfirma”.
Auch Google Italia gibt an, “etwas besorgt zu sein”: Das neue Gesetz will Internetprovidern die gleichen Verpflichtungen wie Fernsehanstalten auferlegen, obwohl letztere über die gesendeten Inhalte direkt verfügen, während eine Webseite wie YouTube sich darauf beschränkt, Usern eine Plattform anzubieten. Mediaset hat Google vor kurzem ein Verfahren angehängt, in welchem es YouTube wegen Verletzung des Urheberrechts auf ca. 500 Millionen Euro Schadenersatz verklagte. Im Rahmen des neuen Gesetzes wäre Mediaset im Recht.
“Eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie”
Während Paolo Romani, stellvertretender Minister für wirtschaftliche Entwicklung und bevollmächtigter Minister für Kommunikationsfragen, zu schlichten versucht und bekräftigt, die Verordnung über das Internet und das Fernsehen entspreche inhaltlich der EU-Richtlinie, kommen bei Nicola D’Angelo Zweifel auf. D’Angelo ist Mitglied im Aufsichtsrat der Kommunikationsbehörde. Er unterstreicht, dieser Text habe mit keiner EU-Richtlinie zu tun und sei ein riskantes Unterfangen. De facto wäre Italien das erste westliche Land, in dem die Genehmigung des Ministeriums erforderlich wäre, um Internet-Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. “Eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie” - so D’Angelo.
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