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In Skandalen vereint

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Seit zwei Jahren wird der europäische Fußball von Skandalen erschüttert, der unter Fans die Zweifel am Fußball-Geschäft wachsen lässt. Doch Lösungen werden nur auf nationaler Ebene angeboten.

Im Café King in Berlin fing alles an. Dort verbrachte Robert Hoyzer häufig seine Freizeit. Anfang des Jahres 2005 erfuhr ganz Deutschland, dass sich der damals 25-jährige Schiedsrichter der Bundesliga dabei nicht nur mit Kaffe und Kuchen begnügte. Stattdessen schloß er mit dem wettsüchtigen Kroaten Ante Sapina ein illegales Abkommen: Sapina zahlte Hoyzer hohe Summen, damit dieser Bundesliga-Spiele, auf die Sapina vorher setzen wollte, absichtlich verpfiff. Das bescherte Hoyzer für kurze Zeit viel Geld und dem Deutschen Fußball Bund (DFB) einen der größten Skandale seines 100-jährigen Bestehens.

Drei Jahre hinter Gitter

Am 17. November 2005 wurden Hoyzer und weitere fünf Mitangeklagte vor dem Landgericht Berlin zu Haftstrafen verurteilt, die weit über das geforderte Strafmaß hinaus gingen. Hoyzer muss zweieinhalb Jahre hinter Gitter, Ante Sapina drei Jahre. Durch die Urteile sollen Folgetäter abgeschreckt werden. Hoyzer wurde die Manipulation von Fußballspielen in sechs Fällen nachgewiesen, so hatte er unter anderem beim DFB-Pokal-Spiel zwischen dem SC Paderborn 07 und dem Hamburger SV im August 2004 durch die Vergabe von Platzverweisen Paderborn zu einem überraschenden Sieg verholfen. Die Ergebnisse der gesamten Meisterschaft wurden dadurch in Mitleidenschaft gezogen.

Südlich der Alpen sieht es nicht besser aus. In Italien sind im Mai 2006 der italienische Fußballverband FIGC und zahlreiche Vereine unter Beschuss geraten, nachdem anhand von aufgenommenenTelefongesprächen zwischen dem General-Direktor von Juventus Turin Luciano Moggi und ranghohen Persönlichkeiten des FIGC Manipulation und Bestechung in 19 Fällen aufgedeckt wurden. Juventus Turin droht die Aberkennung der letzten Meisterschaft und eine Degradierung von der ersten in die zweite Liga.

Ein Fass ohne Boden

Seit Aufnahme der Ermittlungen zieht der Korruptionsfall immer weitere Kreise. Dem Rücktritt des gesamten Juventus-Vorstandes folgte nun auch der des Moderators der beliebten Fußballsendung „Il Processo“, Aldo Biscardi. Ihm wurde vorgeworfen, Imageverbesserung für Juventus betrieben zu haben. Auch gegen Alessandro Moggi, Sohn von Luciano Moggi und Chef der größten italienischen Fußball-Agentur GEA World, wird ermittelt.

Die GEA World soll Fußballer unter Drohungen von Gewaltanwendung gezwungen haben, Verträge zu unterschreiben. Davide Lippi, Sohn des Nationaltrainers Marcello Lippi und ehemaliger Mitarbeiter der GEA World, steht ebenfalls unter Verdacht der Bestechung. Die Korruptionsaffäre betrifft jedoch nicht nur Funktionäre, sondern auch Fussballer. Zwei Mitglieder der Nationalmannschaft erhielten wegen ihrer Kontakte zur GEA World Vorladungen zum Verhör: Torwart Gianluigi Buffon und Kapitän Fabio Cannavaro.

Die Italiener überrascht der Skandal nicht. „Korruption kommt nicht nur im Fußball vor, sondern durchzieht das ganze Land, auf allen Ebenen“ kritisiert Flavia. Die 25-jährige Römerin ist eine ausgebildete Dolmetscherin und bleibt trotz der Skandale eine treue Anhängerin von Juventus Turin. Amerikanische Skandale heissen Water- oder Nipplegate, die italienischen Skandale werden mit dem Zusatz –opoli bedacht. Schon geht das Wort „Calciopoli“ durch die Medien, in Anlehnung an den Schmiergeldskandal Tangentopoli, der Anfang der 90er die gesamte politische Klasse Italiens von der Bühne fegte. Nicht wenige teilen die Meinung von Davide Rizzo, einem Doktoranden in Aerophysik aus Mailand, dass „wir uns auf kurze Sicht mit bankrotten Teams, Spielern, die ins Ausland fliehen und Fans, die in den Straßen randalieren beschäftigen müssen“. Dennoch hofft er, dass die zu erwartenden Reformen „einen neuen Wind in den italienischen Fußball bringen“

60 000 Euro und ein Fernseher

Der Skandal in Deutschland nimmt sich dagegen harmlos aus. Doch auch hier wachsen Zweifel am System, das den modernen Fußball auszeichnet. „Gerade im Leistungsport rückt der Geldaspekt in den Vordergrund“, glaubt die Kölner Studentin Judith Köhler, 26. „Dass dadurch der Unterschied zwischen legal, halb-legal und illegal verdientem Geld verschwimmt, erstaunt mich nicht.“ Insgesamt kassierte Robert Hoyzer für seine Manipulationen 60.000 Euro und einen Plasma-Fernseher. Die Schäden für den deutschen Fußball gehen jedoch in die Millionenhöhe. Und Juventus Turin verlor nicht nur die Sympathien seiner Anhänger, sondern auch 40 Prozent seines Börsenwertes.

Skandale im Fußballgeschäft sind ein europaweites Problem. Im Mai 2004 wurde in Tschechien eine Korruptionsaffäre aufgedeckt, in die zahleiche Schiedsrichter und Funktionäre verwickelt waren. Auch hier wurden Spiele gegen die Annahme von Bestechungsgelder manipuliert. In der Folge sanken die Besucherzahlen für Liga-Spiele auf durchschnittlich 5000. In Belgien wurde im Februar diesen Jahres bekannt, dass die chinesische Wettmafia massiv Spiele manipuliert hat, dabei gerieten 50 Spieler unter Verdacht.

Europäisches Problem – nationale Lösungen

Doch bisher werden nur im nationalen Rahmen Maßnahmen ergriffen. Der DFB bemühte sich um eine schnelle Aufklärung, besonders im Anbetracht seiner Rolle als Gastgeber der WM 2006. In Deutschland können nun Schiedsrichter auch noch am Tag des Spiels ausgewechselt werden. Außerdem verhängte der DFB ein Wettverbot für Spieler, Trainer, Funktionäre und Schiedsrichter.

„Nationale Fußballskandale wie der in Italien liegen außerhalb der Reichweite der EU“, betont Borja Garcia, der an der britischen Universität Loughborough eine Doktorarbeit über den Sport und die EU schreibt. Die Kompetenz liege eindeutig bei nationalen Verbänden und Regierungen, da es bis dato noch keine einheitliche EU-Regelung gibt. „Es wäre eine Möglichkeit, der EU einen legalen Rahmen für die Regulierung des Leistungssportes zu geben“, sagt Gracia. Und schränkt sofort ein: „Aber dazu fehlt es momentan an politischen Willen.“