In Polen blüht der Handel mit NS-Propaganda
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In Deutschland strafbar, in Polen legal. Auf den Grenzmärkten an der Oder und Neiße werden SS-Abzeichen, Hakenkreuze, T-Shirts mit rechtsextremer Symbolik und rechtsextreme Musik verkauft. Polen ist der größte europäische Produzent rechtsextremer Propaganda. Denn nicht der Handel mit den NS-Devotionalien ist verboten, sondern der Vertrieb zu politischen Zwecken.
„Deutsche Wut“ steht auf den T-Shirts, die auf einem Markt in Küstrin an der Oder an obskuren Ständen hängen. Neben der Aufschrift sind Wehrmachtsoldaten abgebildet. Andere Trikots mit Aufschriften von der rechtsextremen Musik-Gruppe „Landser“ sind mit zerschlagenen SS-Totenköpfen illustriert. Ein Stück kostet fünf Euro. „Das sind Klamotten für Teenager“, sagt Marian Kalicki, Besitzer eines Marktstandes eher beiläufig. Er behauptet, er habe keine Ahnung davon, dass der Bundesgerichtshof „Landser“ als erste Musikband in Deutschland zu einer „kriminellen Vereinigung“ erklärte und den Bandleader für drei Jahre wegen Volksverhetzung in Haft schickte.
Ein Mann am Nachbar-Stand verkauft gefälschte Kleidung von „Thor Steinar“. In Deutschland gilt die Marke als Erkennungszeichen im rechtsextremen Milieu. Bürgerproteste in Frankfurt an der Oder haben im April 2008 zur Schließung einer Filiale auf dem Frankfurter Bahnhofsplatz geführt. Der Händler will davon nichts wissen und freut sich auf neue Kunden von jenseits der Oder. Ebenso der Besitzer eines benachbarten Kiosks mit Musik und DVDs: Ungeniert stellt er die Alben von „Landser“ mit den Titeln „Rock Gegen Oben“ und „Das Reich kommt wieder“ ganz nach vorn auf seinen Verkaufstisch, neben sächsische Heimatmelodien.
Beide Cover sind mit kämpfenden Wehrmachtsoldaten illustriert. Eine CD kostet zwölf Euro. „Für illegale Produkte ist das teuer“, erklärt der Verkäufer und spielt ohne zu zögern „Lansder“ auf seinem CD-Player vor. Hetz-Texte schweben über die Stände hinweg bis zum Laden von Boguslaw. Seit sechs Jahren verkauft er SS-Abzeichen, Hakenkreuze, Hitler-Büsten. Polen ist der größte europäische Produzent historischer und nachgemachter Gegenstände aus der Nazi-Zeit.
Die meisten Kunden kommen aus Ostdeutschland. Immer wieder konfisziert die Bundespolizei Gegenstände mit in Deutschland verbotenen Symbolen. Die polnische Presse berichtet von Produktionshallen in Breslau, wo tausende Nachbildungen von NS-Abzeichen gepresst wurden. Allein im westpolnischen Posen arbeiten zwei Nähereien, die NS-Uniformen herstellen. Bereits im Juli 2008 rief Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) die polnische Regierung auf, die Produktion und den Verkauf von Nazi-Devotionalien zu stoppen.
Doch viel passiert ist seither nicht „Die Polizei hat Kontrollen durchgeführt, aber die Staatsanwaltschaft hat keine Ermittlungen aufgenommen“, sagt Artur Chorazy, Sprecher der Polizei in Gorzów, und verweist auf die polnischen Gesetze: In Polen ist nicht der Vertrieb der Nazi-Propaganda verboten, sondern ihre Verbreitung zu politischen Zwecken. Juristen sprechen von einer Lücke im polnischen Rechtssystem.
Stumme Zustimmung
„Nicht die Gesetze sind schlecht, sondern die stumme Zustimmung in der Gesellschaft“, erklärt Marcin Kornak von der antifaschistischen Vereinigung „Nigdy Więcej”(„Nie wieder“) in Warschau. Politiker, Bürger und Polizei wollten das Problem nicht sehen, sagt er. „Unser Land ist ein logistisches und ideologisches Zentrum für Neonazi-Bewegungen in Europa. Die terroristische Organisation 'Combat18' hat hier ihr Produktionszentrum gegründet.“ Die Rechtsextremen geben an der Weichsel die NS-Zeitschrift „Stormer“ heraus, veranstalten Konzerte und Meetings, arbeiten in ihren Musik-Studios. Stellen Sprengsätze her - wie der, der bei einem Anschlag 2003 auf das Jüdische Zentrum in München zum Einsatz kommen sollte. Die Polizei konnte den Anschlag rechtzeitig vereiteln.
Dass es kein großes Problembewusstsein für die Ausbreitung des Rechtsextremismus in Polen gibt, bestätigt auch Prof. Krzsztof Podemski, Soziologe an der Universität in Posen. „Man geht vielfach davon aus, dass das rechtsextreme Milieu keine Untersuchung oder Analyse wert ist“, gibt er zu. Deshalb ist die Anzahl rechtsextremer Übergriffe auch oft umstritten. Marcin Kornak registrierte in einem „Braunen Buch“ seit 1987 2.500 Vorfälle, darunter über 50 Morde. Diese Statistiken können polnische Wissenschaftler indes nicht bestätigen.
Die lokalen Behörden geben vor nicht zu wissen, was auf den Märkten ihrer Gemeinden verkauft wird. „Ich kenne mich in dieser Musikszene überhaupt nicht aus“, sagt Bartlomiej Bartczak, Bürgermeister von Gubin in der polnischen Niederlausitz. „Wenn die Händler sich dessen bewusst sind, dass es um Nazi-Inhalte geht, ist ihr Tun moralisch zu verurteilen. Das ist eine Aufgabe für unsere Gesetzgeber.“
Von n-ost-Korrespondent Marcin Rogozinski.