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Im Vorfeld der Europawahl: Bürgergespräch mit Österreichs Abgeordneten im EU-Parlament im Dachsaal der Wiener Urania

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Wien

Von Annamaria Szanto Einer aktuellen Umfrage zufolge haben bloß 21% der Österreicher vor, bei dieser Wahl ihre Stimme abzugeben. Kein Wunder also, dass an diesem sonnigen Samstagnachmittag der Andrang des Publikums zum Bürgergespräch sich in Grenzen hielt. Im kleinen Uraniasaal waren durchaus noch einige freie Sitzplätze zu sehen.

Die Inszenierung glich eher einer typisch österreichischen Vereinsversammlung als einer Diskussionsveransaltung: Brav saßen die Bürgerinnen und Bürger und laschten ihren Abgeordneten. Herr Magister, Frau Doktor, Herr Präsident durfte bei den Anreden nicht fehlen. Scherze erlaubte sich nur einer: der Chef. Präsident Pöttering kam eine Stunde verspätet an, platzte mit Unterstützung des Moderators beim Wort „Finanzmarktaufsicht“ mitten in die Ausführungen des Abgeordneten Mölzer und hielt eine gut gelaunte Ansprache über das Wetter, dem Verhältnis der Österreicher zu den Deutschen und so weiter. Auf die Frage, was er denn tun möchte, damit die Wahlbeteiligung höher werde, wies er den Moderator zurecht, er habe andere Umfragen gelesen mit besseren Zahlen, gab aber zu, dass er nun an einem sonnigen Samstag eben deshalb nach Wien gereist sei, um die Österreicherinnen und Österreicher zu überzeugen.

Der Beitritt der Türkei zur EU, Raketenschild über Europa, Maßnahmen gegen die Wirtschaftskriese, der Vertrag von Lissabon, die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten, die Niederlage Österreichs in der Frage der Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel, Konflikte zwischen nationalen Interessen und EU-Interessen in der Verkehrspolitik, Probleme der Transparenz der Entscheidungsfindung bei EU-Ausschreibungen, Fragen zur europäischen Frauenpolitik.... Hut ab vor der Handvoll von mutigen Fragestellern und vor ihren präzise formulierten, unaggressiven Wortbeiträgen. Hut ab vor ihrer Geduld, denn die Moderation ließ sie blockweise zu Wort kommen. Wer, welche Frage in welcher Reihenfolge beantwortet, wurde anschließend dem Zufall überlassen. Einzelne Fragen blieben dabei freilich auf der Strecke.

Über viele Probleme waren sich unsere Volksvertreter im Europäischen Parlament erstaunlich einig. So einig, dass jemand aus dem Publikum sie auf einmal fragte, aufgrund welcher Standpunkte man als Wähler sich überhaupt für den einen oder den anderen entscheiden sollte. Einhellig „übertrieben“ fanden zum Beispiel alle die „Genderdebatte“ sprich die Sache der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Europa und die Maßnahmen gegen Diskriminierung. Alle beteuerten, wie wichtig es sei, in der Sache des Raketenabwehrschildes gegenüber Amerika einheitlich aufzutreten. Der Abgeordnete Karas rief im Crescendoton der Wahlkampfrhetorik aus, einzelne Länder der EU dürften sich von den Amerikanern nicht gegeneinander ausspielen lassen. (Hintergrund: Polen und Tschechien verhandelten im Alleingang mit den USA über die Stationierung eines solchen Abwehrschildes über ihre Territorien ). Die Ablehnung des Beitritts der Türkei zur EU wurde im Plenum unwidersprochen mit den Menschenrechsverletzungen gegenüber Minderheiten argumentiert.

Zum Thema Finanzmarktkrise schwiegen unsere Abgeordneten meistens. Einen Lob auf den EURO sprach in diesem Zusammenhang der Sozialdemokrat Swoboda, da er in der Kriese die Stabilität sichere, während Karas für die Einführung einer Spekulationssteuer plädierte.

Werbung in eigener Sache im Crescendoton der Wahlkampfrhetorik soll heißen, dass der Redner leise anfängt, dann jedes Wort im Satz immer lauter spricht, bis er schließlich sein Hauptargument hinausbrüllt und auf das Klatschen des Publikums wartet. Die Abgeordneten Karas und Swoboda sowie Präsident Pöttering haben in diesem Sport ihre Fertigkeit bewiesen, nur wirkten ihre Kunststücke angesichts der Handvoll an Publikum etwas lächerlich.