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Im Iran mehren sich die Indizien für Betrug

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Islam in Europa

''Nur langsam dringen aus dem Iran die Nachrichten an die Öffentlichkeit, doch drei Tage nach den Wahlen, bei denen nach offiziellen Angaben der Hardliner Mahmud Ahmadinejad 62 Prozent der Stimmen erhalten hat, wird immer deutlicher, wie massiv die Ergebnisse manipuliert worden sein müssen. Acht Indizien für den Verdacht auf Fälschung.'' Montag, den 15.

Juni 2009

"Wir schreiben Mussavi, sie lesen Ahmadinejad" (Flickr)Bisher konnte das iranische Regime einen Teil seiner Legitimität daraus ziehen, dass im Iran anders als in den arabischen oder asiatischen Nachbarstaaten regelmäßig Abstimmungen auf lokaler wie nationaler Ebene stattfanden, die trotz aller Eingriffe doch nie als gänzlich gefälscht gelten konnten. Auch wenn Säkularisten, Monarchisten oder Kommunisten keine Chance hatten, zur Wahl zugelassen zu werden, boten die Kandidaten, die antreten durften, doch eine relativ breite Spanne politischer Positionen. Auch wenn es eine Übertreibung wäre, die Wahlen als frei und fair zu bezeichnen, bildeten sie doch bis zu einem gewissen Grad die Meinung des Volkes ab, das eine wirkliche Wahl erhielt und dessen Entscheidung am Ende auch akzeptiert wurde.

Damit ist es nun vorbei. Die Wahlen vom Freitag bedeuten eine völlig neue Dimension der Fälschung im Iran. Nachdem sich am Samstag so mancher Beobachter zunächst gefragt hatte, ob er – infolge der Berichte aus dem liberalen Norden Teherans – die Situation nicht einfach falsch eingeschätzt hatte und ob er sich nicht etwas vorgemacht hatte anzunehmen, dass es eine moderate und moderne Mehrheit im Iran gebe, verhärten sich nun, drei Tage nach den Wahlen, trotz der Versuche des Regimes, den Nachrichtenfluss durch die Sperrung des Internets und des Handynetz einzuschränken, die Indizien für einen beispiellosen Wahlbetrug. Im folgenden acht Punkte, die auf Manipulationen hindeuten.

Irans Präsident Ahmadinejad ist kein Mullah1. Die ersten Ergebnisse, die bereits eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale nach der Auszählung von lediglich zehn Prozent der Stimmen bekannt gegeben wurden, entsprachen weitgehend dem Endergebnis. Dabei gibt es im Iran keine repräsentativen Umfragen, die eine verlässliche Hochrechnung ermöglichen würden. Zudem wird normalerweise Provinz für Provinz das Ergebnis bekannt gegeben – so wie die Wahlzettel ausgezählt werden.

  1. Der Konservative Mohsen Rezai und der Reformer Mehdi Karrubi erhielten lediglich 1,7 und 0,9 Prozent der Stimmen. Dies bedeutet, dass Karrubi weniger Stimmen erhielt, als er Wahlhelfer hatte. Bei den vergangenen Wahlen 2005 hatte er noch 17 Prozent erhalten und war damit nach Akbar Hashemi Rafsanjani und Ahmadinejad auf dem dritten Platz gelandet. Wohin diese Millionen von Wählern vier Jahre später verschwunden sein sollen, ist bisher ungeklärt.

  2. Mussavi erhielt den offiziellen Zahlen nach auch in der nordwestlichen Provinz Azerbaijan deutlich weniger Stimmen als Ahmadinejad – obwohl er aus dieser Provinz stammt. Allgemein wählen die turksprachigen Azerbaijaner, die seit jeher als moderner und moderater als der Rest des Landes bekannt sind, aber für Kandidaten aus ihrer eigenen Provinz. Auch Karrubi soll in seiner Heimatprovinz Lorestan kaum besser abgeschnitten haben als im Rest des Landes.

    Mussavi in Tabriz vor den Wahlen (Flickr)4. Nach der Wahl kritisierte Mussavi in scharfen Worten die Wahlen als Inszenierung und forderte ihre Annullierung. Wenn die Wahlen tatsächlich frei und fair verlaufen wären, hätte er, der trotz aller Kritik an der aktuellen Politik ein treuer Anhänger des Systems ist, dies niemals getan, stellt er doch damit einen der Grundpfeiler seiner Legitimität in Frage. Selbst Rezai, der den Hardlinern zugerechnet werden muss, schloss sich der Forderung nach Neuwahlen an. Karrubi äußerte sich nicht. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist unbekannt.

  3. Schon während des Wahlvorgangs wurden die Handy- und Internetdienste eingeschränkt, so dass keine SMS verschickt werden konnten, bzw. auf einzelne Seiten kein Zugriff mehr bestand. Die Anhänger Mussavis hatten zuvor vor allem über SMS und die Internetdienste Twitter und Facebook kommuniziert, um ihre Aktionen zu koordinieren. Auf eine technische Panne gibt es bisher keine Hinweise. Später ist auch der persischsprachige Sender der BBC blockiert worden, führende Reformzeitungen sind aus den Kiosken verschwunden.

  4. Während der Wahl beklagten die Anhänger Mussavis, am Zugang zu zahlreichen Wahllokalen gehindert worden zu sein. Dabei hat im Iran jede Partei das Recht, in den Wahllokalen mit eigenen Beobachtern präsent zu sein, um den Ablauf zu kontrollieren.

  5. In mehreren Wahllokalen wurde beklagt, dass nicht ausreichend Stimmzettel vorhanden waren. Diese lagen ausgerechnet in großen Städten wie Teheran, Isfahan, Tabriz und Shiraz, in denen Mussavi und Karrubi auf die meisten Stimmen zählen konnten.

  6. Ahmadinejad erhielt in der ersten Runde der Wahlen 2005 19,4 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 62 Prozent. Dies entspricht rund 5,7 Millionen. Den offiziellen Zahlen nach erhielt er bei den aktuellen Wahlen 62 Prozent, bei einer Wahlbeteiligung von 85 Prozent. Dies entspricht rund 24,5 Millionen. Dass plötzlich 18,8 Millionen mehr für ihn gestimmt haben sollen als vor vier Jahren, ist angesichts seiner politischen Bilanz kaum zu erklären.