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ILB: “If you don’t understand the poem – feel it!”

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Berlin

Von Christiane Lötsch

Unter den 400 Veranstaltungen des Internationalen Literaturfestivals Berlin zeichnet sich eine ganz besonders durch babylonisches Sprachengewirr aus. Seit 2002 bringt die Slam!Revue die weltweit besten Slam Poeten auf die Bühne.

Aus Australien, Ukraine, Russland, Tschechien, Polen, Österreich, Schweiz, USA und sogar Kanada kamen die diesjährigen Wortakrobaten und Wortakrobatinnen. Zehn Minuten hatte jede/r Künstler Zeit, um das Publikum von seiner Originalität zu überzeugen – das Applausometer ermittelte dank Lautstärke des Publikums die Siegerin: Emily Zoe Baker aus Australien.

Mit ihrem knallbunten Bühnenoutfit und ihren liebevollen Reimen über die ganz besondere Schönheit der Frauen - “When she talks, it looks like asif she was talking to god” -, über das erotische Nass der Vaginas - “There are always a lot of vaginas in my poems” - sowie über einen australischen Tennisspieler überzeugte sie das Publikum. Und das trotz hinkendem Fuß, den sie sich nach 28-stündiger Reise im Berliner Festivalbüro stauchte, als sie einer schönen Frau hinterschaute.

Babylonisch ging es bei den anderen Performances zu: Jan Jilek, “ein Tschech mit Pech”, verwob die tschechische, deutsche und englische Sprache zu einem wilden Mix über Karel Gott, Biene Maja und Soldat Schweijk; auch Irina Bandas gelang es, die ukrainische und deutsche Sprache geschickt zu verbinden: “I am suffering from a borderline nationality disorder” fasste sie ihren Sprachzustand zusammen.

Leider beherrschten nicht alle KünstlerInnen verschiedene Sprachen auf diesem Niveau. Anna Russ aus Russland (das sei ihr wahrer Nachname, wie sie sogleich sagte) rappte und schrie über die Kassettenmarke DDK und darüber, wie man Drogen auf Moskower U-Bahn-Stationen besorgen kann – leider nur in Russisch. Die Beiträge, die sie extra für das Berliner Publikum auf englisch und deutsch vorbereitet hatte, bewiesen längst nicht soviel Einfallsreichtum und Durchschlagkraft. Auch Marta Marciniak aus Polen, die mit 20 Jahren jüngste Teilnehmerin, überzeugte das Publikum paradoxerweise erst, als sie in ihrer Muttersprache performte.

Eine ganz andere Art der Slam Poetry präsentierten Elsa Fitzgerald & Ribi Rimini. Mit live Bass unterlegt, entsponnen sie eine Geschichte über “ungleiche Paare, Tiere und Integration”, in der Blümli, die depressive Kuh, eine moldawische Ex-Prostituierte, die einen Schweizer Bauer heiraten möchte und Radoslav, die Riesendogge, eine wichtige Rolle spielten- das alles in einer erfundenen Sprache, “die so klingt wie moldawisch”.

Samian aus Québec/Kanada rappte wohl in der exotischsten Sprache, die in der Slam!Revue vertreten war. Algonkin heißt die Sprache seiner indianischen Vorfahren, an der das europäische Ohr zwangläufig scheitert. Zum Ausgleich rappte er ganz klassisch in Französisch über die Heimat seiner Familie, “ravagé par l’homme blanc”.

Ausschließlich in Deutsch jodelte, beatboxte, lautmalte und schrie Temye Tesfu über die Spießigkeit der Bayern und Schwaben, der man neuerdings auch in Berlin nicht entkommen kann. “Satan! Warum hast Du Neu-Berlin erschaffen? – Ah gäh, aus Jux und Dollerei!” Unnötig zu sagen, das Satan mit bayrischem Akzent antwortet…

Weitere Slam Veranstaltungen während des Internationalen Literaturfestivals : Samstag, 18. September 2010, 20 Uhr, Baxpax Downton Hostel: “Eine auf’s Dach – Slam ganz oben” Montag, 20. September 2010, 21 Uhr, Panomrama Bar im Berghain: “Fate by the throat” mit Carlos Andrés Goméz (New York)

http://www.berliner-literarische-aktion.de/projekte/slamrevue