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Ich dachte, es sei Liebe - doch es war nur Erasmus

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Default profile picture Lena

Gesellschaft

Ein Holländer und eine Portugiesin… Oder: eine Italienerin und ein Spanier... So könnte ein geschmackloser Witz beginnen. Aber Nein! Laut der französischen Zeitung Le Figaro war das Studentenaustauschprogramm Erasmus seit seiner Gründung im Jahr 1987 für die Geburt von mehr als einer Million Kindern verantwortlich.

Doch leider haben nicht alle Liebesgeschichten der Generation Erasmus ein Happy End.

‚‚Erasmus: Changing lives, opening minds (and breaking hearts) for 25 years” – Das war 2012 einer der Slogans der Europäischen Union zur Feier des 25-jährigen Bestehens eines Projektes, das ganze Horden junger Menschen über den gesamten europäischen Kontinent verteilt hat. Zugegeben, die Worte in Klammern haben wir selbst hinzugefügt - weil auch das irgendwie zum Erasmus-Erlebnis dazugehört. Man verliebt sich, und sobald der Austausch zu Ende geht, versucht man es mit einer Fernbeziehung oder einem Umzug in ein anderes Land, damit man mit der oder dem Geliebten zusammen sein kann. Manche Paare überstehen diesen Härtetest, heiraten, bekommen Kinder und geben die Geschichte über das Wunder des heidnischen Gottes Erasmus von Generation zu Generation weiter. Doch es kann auch anders laufen.

Erasmus: Changing lives, breaking hearts

‚‚Ich sah ihn das erste Mal auf einer Party. Er trug ein blaues T-Shirt, das die gleiche Farbe wie seine Augen hatte. Bei Lagerfeuer, Gitarrenmusik, Mondschein und vor allem: Alkohol nahm dann alles seinen Lauf.” Dies sind die mehr oder weniger romantischen Erinnerungen an den Beginn einer Erasmus-Liebe der früheren Austauschstudentin S. (25 Jahre alt). Party, Barbecue, Mondschein, ausländischer Akzent… und das in einer lockeren Atmosphäre und im (alkoholischen) Rausch des Moments. Der typische Erasmus-Student verliebt sich in jemanden, der eine andere Sprache spricht als er selbst, der Essen mag, von dem er selbst noch nie im Leben gehört hat und der mit ganz anderen Zeichentrickfilmen aufgewachsen ist (oder mit den gleichen, die dann jedoch völlig verschiedene Titelmelodien haben). Kurzum, diese Studenten verlieben sich in jemanden, dem sie ohne diesen Erasmus-Austausch nie begegnet wären.

Warum sind diese Erasmusbeziehungen nun so besonders? Für die einen liegt das Geheimnis in der Verschiedenheit von Sprache, Land, Kultur, Verhaltensweisen und Denkmustern. Für andere sind sie im Nachhinein gar nichts Besonderes, ganz normale Beziehungen eben. Entgegen aller Vorurteile hat die Generation Erasmus nicht allen Mut verloren. ‚‚Sich in einen Ausländer zu verlieben heißt auch, eine unmögliche Beziehung möglich zu machen.“, erklärt F. (28 Jahre alt), ehemalige Erasmus-Studentin.

Sturköpfe, Masochisten und Optimisten der Erasmus-Spezies entscheiden sich für eine Fernbeziehung

Der/Die Geliebte spricht eine andere Sprache? Der perfekte Grund, diese zu erlernen! Er oder sie hat einen anderen Ernährungsstil? Dann wird eben ein neuer erfunden, basierend auf beiden kulinarischen Traditionen! Der Austausch ist bald zu Ende? Egal, jetzt wird der Moment gelebt! Und nach dem Erasmus? Zwei Flüge in zwei weit entfernte Länder, ein Abschied. Aber weit gefehlt: für die Sturköpfe, Masochisten und Optimisten der Erasmus-Spezies ist das keineswegs das Ende. Sie entscheiden sich für eine Fernbeziehung.

Erasmusliebe - Eine Gebrauchsanweisung

Dann wird das Studieren von Fahrplänen, Zwischenlandungen und Preisen von Billigfluglinien zur Lebensaufgabe. Die Umgebung wird virtuell: Videoanrufe über Skype inklusive gelegentliches Fluchen über die Internetverbindung, den Computer und den Telefonanbieter (und den Stand der Sterne, wann immer diese nicht zur Kollaboration bereit sind) gehören zur Tagesordnung. Die Spezies der Erasmus-Fernbeziehungsführenden unternimmt langwierige Versuche, den Namen der/des Geliebten zu buchstabieren, damit ihn endlich auch Verwandte und Freunde verstehen. Abgesehen davon gehen sämtliche Ersparnisse für eine solche Beziehung drauf: Einige Austauschstudenten werden zu eingefleischten Reisenden oder Pendlern, die - nur um ein Wochenende mit ihrer Liebe erleben zu können - bereit sind, viele Stunden im Flugzeug oder im Zug zu verschwenden. Manchmal werden sie auch rastlose Touristen, die von Stadt zu Stadt ziehen, um so gemeinsam Zeit verbringen zu können. Für ein paar Momente können sie dann vor allem fliehen: Vor nicht zugestellten SMS, vor den Verbindungsproblemen bei Skype und vor Brieftauben, die irgendwie immer im Urlaub sind, wenn man sie mal braucht. Sie finden Zuflucht in ihrer eigenen Liebesgeschichte und versuchen die Realität und die Kilometer, die sie trennen, zu vergessen.

Die Distanz: Der uralte Feind aller Beziehungen

Here we are... die Distanz: Der uralte Feind aller Beziehungen (in jeder Zeit, Volksschicht und Kultur). Manche Repräsentanten der Erasmus-Spezies machen sich Gedanken darüber, wie, wann und wo ihr gemeinsames Leben denn endlich beginnen wird. Sie überlegen sich jedes Detail: Wohin sie ihre Bewerbung schicken werden, in welcher Stadt sie sich niederlassen werden, wie viele Zimmer die gemeinsame Wohnung haben wird, wie viele Kinder sie bekommen werden und wie vielen Enkelkindern sie ihre Muttersprache beibringen können... Sie denken so lange und so viel darüber nach, dass sie die Idee im Grunde schon leid sind, bevor sie ihre Reise auch nur vorbereitet oder begonnen haben. Die Beziehung verändert sich, vielleicht auch der Mensch, den sie lieben. Die Distanz wird ein solch permanentes und inakzeptables Hindernis, dass sich die einstmals so Verliebten bald den einen Satz sagen hören, diesen Satz, der alle kulturellen Grenzen überschreitet: ‚‚Lass uns einfach Freunde bleiben.”

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Andere Paare hingegen versuchen tatsächlich zusammenzuziehen. Dann teilen sie die gleiche Stadt, das gleiche Haus, das gleiche Bett und den gleichen Tagesablauf. Der ehemalige Erasmus-Student Frederico erinnert sich jedoch: ‚‚Als ich mit meiner Erasmus-Freundin zusammenzog, wurde unsere einst unmögliche Liebe möglich. Aus etwas besonderem wurde das ganz normale. Das Leben begann langweilig zu werden… und die Seifenblase platzte.” Langeweile, Normalität, Unzufriedenheit: alles Symptome des „Post-Erasmus Syndroms“. Dies scheint der Grund für das Scheitern jener einst so exotischen, außergewöhnlichen Beziehungen, die auf fremden Boden begannen, zu sein.

Nun, das sind die Geschichten von gescheiterten Liebesbeziehungen der Generation Erasmus. Aber - gäbe man diesen jungen Menschen die Option, alles rückgängig zu machen – wenn man ihnen die Wahl ließe, diese eine Party, das Barbecue und diesen einen Blick zu vermeiden, wenn sie stattdessen entscheiden könnten, ihren Erasmus-Austausch in Keuschheit zu verbringen oder sogar, nie an dem Programm teilgenommen zu haben - selbst dann würde man sie in den allermeisten Fällen (sogar diejenigen mit gebrochenem Herzen) ihr Motto ausrufen hören: ‚‚Once Erasmus, always Erasmus!”

Fotos: Teaser © wallpaperscraft.com; im Text: © sïanaïs/Flickr

Translated from Pensavo fosse amore e invece ero in Erasmus